Repression niedriger Intensität

KEM -MOC

Felix und Claudio schauten sich ihre Umgebung an, als sie in die Kaserne eintraten. Wie zum Teufel kam es dazu, daß sie so enden konnten? Gut, dachten sie, sie hatten uns ja schon gewarnt, daß es hart ist, Totalverweigerer zu werden, aber ein kriegerisches Aussehen aufsetzen zu müssen, während du versuchst zu verstehen, was das Gebell des Unteroffiziers zu bedeuten hat, das ist z u viel!

Die Wahrheit ist, daß sie es mit gutem Humor nehmen, als ob sie Teil einer surrealistischen Geschichte wären. Sie spielten eine Weile Soldaten, bevor sie sich vor ,ihrem" Hauptmann als Totalverweigerer zu erkennen gaben, indem sie sich den Befehlen widersetzten und sich weigerten, den Militärdienst abzuleisten. So folgen sie der Strategie, die der MOC (movimiento de objeci--n de conciencia) bei sei nem letzten Treffen im Sommer entworfen hat, um die neuen Formen der Repression, die für Total-
verweigerer vorgesehen sind, zu umgehen. Die Gefängnisstrafen sind durch eine ,subtilere" Art von Strafe ersetzt worden, die in der Tat nicht nur viel härter, sondern auch für die Bewegung viel schwieriger politisch zu nutzen ist: Der Verlust staatsbürgerlicher Rechte. Laut dem neuen Straf-gesetz kommen nu r die ins Gefängnis, die den Militärdienst verweigern, nachdem sie eingezogen worden sind. Das Gefängnis hat sich im Lauf der letzten Jahre als eine für den Staat kontraproduktive Art der Repression herausgestellt. Deswegen besteht die Idee darin, den Staat herauszufordern, die Gefängnisstrafe wieder zu verwenden, oder ihn dazu zu bringen, daß er anerkennen muß, daß es keinen Sinn hat, die Wehr-pflicht zu verteidigen.

Jedoch ist klar, daß besagte Verteidigung nicht zu den augenblicklichen Prioritäten des Staates gehört. Natürlich wird der Weg bis zur vollständigen Abschaffung der Wehrpflicht noch weit sein, aber es bestehen wenig Zweifel darüber, daß die Wehrpflicht in ganz Europa zu zerfallen beginnt. Aus diesem Grund denken wir im MOC, daß diese neue Idee de r ,Totalverweigerung in den Kasernen" nicht die Lösung aller aktuellen Probleme sein wird, egal wie effektiv sie sich gegen die ,Repression niedriger Intensität", der wir die Stirn bieten, erweisen wird.

Innerhalb unserer Debatte, von der wir sicher sind, daß wir sie mit AntimilitaristInnen vieler anderer Länder teilen, glauben viele von uns, daß wir aufhören müssen unseren Kampf auf den Wehr-dienst zu konzentrieren, auch schon bevor dieser abgeschafft ist. Es geht nicht nur darum, daß wir uns für andere ,Themen" entscheiden, um ihnen unsere Kampagnen zu widmen. Es geht vielmehr darum, daß wir anfa ngen aus unseren Fehlern zu lernen und eventuelle Trägheiten zu überwinden.

Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Kriegsdienst-verweigererbewegungen das Erbe, das ihnen das System der Wehrpflicht hinterlassen hat, auswerten müssen, weil es auf bestimmte Methoden und Funktionsschemata baut: In der Praxis, vor allem in unseren theoretischen Deklarationen, bleiben wir männlich orientierte Organisa-tionen; wir haben uns noch nicht vollständig von einer gewissen Tendenz zur Ethik und Ästhetik des Märtyrertums befreit; oft messen wir der Verbesserung und dem Zusammenhang unserer Aktionen auf persönlicher Ebene zuviel Gewicht bei, ohne ihre globalpolitischen Folgen zu analysieren; um unsere Achtbarkeit als Organisationen zu bewahren, sind wir bei manchen Gelegenheiten in Kompromissen mit der Macht dahin gekommen, folgende Idee als Grundprinzip zu akzeptieren: Daß der m oralische Zwang, auf irgendeine Art und Weise zum Wohlergehen der Gesellschaft beizutragen, irgendwie mit einem vermeintlichen Recht des Staates zusammenhängt, Menschen irgendeine Art von Zwangsdienst aufzuerlegen. Das könnte bald zu einem interessanten Diskussionthema werden, aber es baut in einer Zeit, in der viele Regierungen ernsthaft über die Möglichkeit nachdenken, einen sozialen Zwangsdienst einzuführen, auf eine sehr gefährliche Annahme.

Berücksichtigen wir all das, so sind wir uns bewußt, daß ein Ziel der aktuellen staatlichen Tendenzen in ganz Europa ist, einen friedlichen Übergang zur Professionalisierung zu erreichen. Weitere Ziele sind, nach unserer Meinung, zu erreichen, daß die Bevölkerung die Notwendigkeit der militärischen Verteidigung und der Investitionen in militärische Technologie, die zur Zeit durchgeführt werden, spürt. Daraus folgt, daß wir uns bewußt machen müssen, daß wir es uns nicht erlauben können, der Versuchung zu erliegen, die Wehrpflicht in Frieden sterben zu lassen. Wir müssen dafür sorgen, daß unsere Kampagnen soziale Auswirkungen gegen den Militär-apparat in seiner Gesamtheit haben und darauf bestehen, daß es sich nicht nur darum handelt, den Wehrdienst zu verweigern, sondern auch die militärisch en Interessen anzuprangern, die dafür eintreten, ihn abzuschaffen. Wir werden unsere Kräfte darauf konzentrieren, alle neuen Fälle von Totalverweigerern als Herausforderung an den Versuch der Rechtfertigung des Militärs, die sich hinter ,Humanitären Interventionen", ,Sicherheit", ,Krisenbewältigung"oder ,Erhaltung des Friedens" verbirgt, zu präsentieren.

Die Veränderung wird nicht einfach sein. Möglicherweise werden einige denken, daß mit der Abschaffung der Wehrpflicht die Zeit zu kämpfen vorbei ist. Andere werden sich auf die Frage beschränken, ob sich der Kampf auf die Steuerverweigerung, die Friedensbildung oder auf Verteidigungsalternativen richten soll. Aber es ist alles viel komplizierter. Dies sind keine abstrakten Überlegungen, sondern Te il unserer Praxis, in der wir wissen, was wir tun haben und damit zufrieden sind. Wir befinden uns vor einem offenen Diskussions-prozeß und es ist notwendig, daß auch unser Geist offen ist, damit ähnliche Debatten und Erfahrung-en aus der ganzen Welt uns helfen, neue Wege im antimilitaristischen Kampf zu finden.

KEM-MOC, Iturribide 12-1ºD, 48006 Bilbao, Euskadi, Spanischer Staat (tel +34 4 415 3772; fax +34 4 479 0383; email betxea@lander.es).

Übersetzung: Julia Kraft

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