Geschichte der Kriegsdienstverweigerung in Kolumbien

In Kolumbien begann man 1988 in einer Gruppe verschiedener Personen (Intellektuelle, AnwältInnen und RepräsentantInnen der Kirchen, unter anderen) über Kriegsdienstverweigerung zu reden. Sie hatten den Mut, das Thema anzugehen, und forderten die Kriegsdienstverweigerung aufgrund des obligatorischen Militärdienstes für Jugendliche.

1991, unter Ausnutzung der Änderung der kolumbianischen Verfassung, und während der nationalen Verfassungsversammlung, mobilisierten und entwickelten das Colectivo por la Objeción de Conciencia und das Programm Objetores por la Paz der mennonitischen Kirche eine Kampagne, durch die das Thema der Kriegsdienstverweigerung in den Arbeitsplan mit einbezogen werden sollte. Während des gesamten Jahres führten sie verschiedene Aktionen durch, wie Demonstrationen, Pressekonferenzen, Mobilisierungen in den Universitäten sowie eine Unterschriftensammlung mit 6 000 Unterschriften, die dem Sekretariat der Verfassungsversammlung übergeben wurden. Aufgrund dieser Mobilisierung erreichen sie dass die Verfassungsversammlung das Thema diskutierte und sie öffneten einen speziellen Raum in der neuen Verfassung, der den Weg freimachte für die Garantie der Gewissensfreiheit für die kolumbianische Bevölkerung (Artikel 18).

Zur gleichen Zeit wurde auch das Red Juvenil de Medellín geboren, eine Nachbarschaftsorganisation, die durch Gewaltfreiheit und zivilen Ungehorsam die Rechte der Jugendlichen einfordert, unter anderen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

1994 kam es zu einem wichtigen Ereignis: nach seiner öffentlichen Erklärung als Kriegsdienstverweigerer wurde der Jugendliche Luis Gabriel Caldas León verhaftet und an einem unbekannten Ort festgehalten, bis Amnesty International ihn als Gewissensgefangenen anerkannte und Aktionen gegen die Regierung durchführte, was internationale Auswirkungen hatte.

Im gleichen Jahr nahm Kolumbien auch am ersten Lateinamerikanischen Treffen der Kriegsdienstverweigerer in Paraguay teil, und war Gastgeben des 9. Internationalen Treffens der Kriegsdienstverweigerer, welches TeilnehmerInnen aus allen Kontinenten zählte - eine Veranstaltung, die die Aufmerksamkeit der Medien erreichte und die Bedeutung des Themas verstärkte.

Im Jahr 2000 wurde die Acción Colectiva por la Objeción de Conciencia en Colombia geschaffen, ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen in Bogotá, die ein Interesse daran hatten, ihre Arbeit im Umfeld der Kriegsdienstverweigerung zu stärken.

Von 2002 bis 2004 entwickelten sie eine Kampagne 'Juventudes desde la Noviolencia Activa Resistiendo a la Guerra' (Jugendliche aktiver Gewaltfreiheit widerstehen dem Krieg), eine Kampagne, die durch verschiedene Jugendgruppen aus verschieden Regionen des Landes, Gewaltfreiheit, Kriegsdienstverweigerung, Antimilitarismus und zivilen Widerstand förderte. Dies war einer der ersten Schritte zur Bildung eines Ortes der Artikulation auf nationaler Ebene, um das Thema der KDV herum, ein 'Ort', welcher sich im September 2005 zur Asamblea Nacional de Objetores y Objetoras de Conciencia (Nationalen Versammlung der Kriegsdienstverweiger/ innen) wandelte.

In den letzten vier Jahren wurden vier nationale Versammlungen durchführt [1], sowie ein Seminar/ Workshop, in dem sie die Entwicklung von rechtlichen Alternativen für jugendliche Kriegsdienstverweigerer angingen [2]. Im Juli 2006 wurde außerdem in Bogota ein Internationales Treffen der Solidarität mit Kriegsdienstverweigerung in Kolumbien durchgeführt, unter Teilnahme von verschiedenen internationalen VertreterInnen aus KDV- und Antikriegsbewegungen. Auf diesem Treffen wurde die Initiative für die Konsolidierung eines internationalen Unterstützungsnetzes für die Kriegsdienstverweigerungsgruppen in Kolumbien geboren.

Im Unterschied zu anderen Ländern hat sich die Kriegsdienstverweigerung in Kolumbien in einem Umfeld der bewaffneten Konfrontation zwischen dem Staat, aufständischen Gruppen und Paramilitärs entwickelt, eine Konfrontation mit zahlreichen Ursachen und Faktoren die zeigen, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sich nicht nur auf den staatlichen Militärdienst bezieht, sondern ebenfalls auf den aktiven Dienst in jeglicher der bewaffneten Gruppen, auf jeglichen Ausdruck des Militarismus im alltäglichen Leben (wie Machismo und Obrigkeitshörigkeit), und auf die Systeme und Modelle, wie z.B. das neoliberale Wirtschaftsmodell, die diese aufrechterhalten.

Asamblea Nacional de Objetores y Objetoras de Conciencia de Colombia

Übersetzung: Andreas Speck

Anmerkungen

[1] durchgeführt in Bogotá im Januar 2004, in Medellín im April 2004, in Villa Rica (Cauca) im September 2005, und in Sincelejo im November 2006.

[2] durchgeführt in Bogotá, Oktober 2004.

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