Weltsozialforum – Forum für Gewaltfreiheit?

Howard Clark

Das Weltsozialforum ist der jüngste -- und einer der attraktiveren -- Versuche, einen internationalen Prozess anzubieten, um die Zusammenarbeit zwischen einer Bandbreite von Bewegungen des sozialen Widerstandes zu stärken, die auf mehr oder weniger gemeinsamen Werten basieren. Nach fünf Jahren zeigt dieser Prozess Anzeichen der Institutionalisierung -- es ist für einige Regierungen (nationale Regierungen wie das von Chavez in Venezuela oder regionale Regierungen wie die von Katalonien) attraktiv genug, als unterstützend angesehen zu werden. Doch gleichzeitig bleibt dieser Prozess offen genug, um die eigene Analyse zu klären und zu aktualisieren, z.B. indem mi letzten Jahr eine Erklärung von Women Living Under Muslim Laws angenommen wurde, die eine feministische Kritik sogenannter Antikriegsbewegungen darstellt, die sich als BündnispartnerInnen patriarchalen religiösen Fundamentalismus ansehen.

Ich stelle mir vor, dass bei jedem Sozialforum -- sei es ein regionales oder ein globales -- AktivistInnen dabei waren, die auf irgendeine Art mit der WRI verbunden sind. Ich sage, "ich stelle mir vor", da wir ein sehr lockeres Netzwerk sind. Ein Sozialforum bietet nützliche Möglichkeiten der Vernetzung -- und offen gesprochen kann das genauso nützlich sein wie eine Veranstaltung, die wir selbst organisieren (auf unsere eigenen Kosten!). Das war in den 80er Jahren mit der Europäischen Versammlung für nukleare Abrüstung (END Convention) der Fall -- tatsächlich habe ich dort WRI-Mitglieder getroffen, die ich nie auf WRI-Veranstaltungen getroffen habe.

Bei der END Convention ging es aber um Krieg und Rüstung. Das Sozialforum beschäftigt sich mit viel breiteren Themen. Die Charter des Weltsozialforums erwähnt Krieg auch nicht speziell, und der einzige Hinweis auf das Militär ist der, dass militärische Organisationen nicht vertreten sind. Die Charter erwähnt aber Gewaltfreiheit. Zum Ende hin, in Paragraph 13, lesen wir: "das Weltsozialforum [versucht] nationale und internationale Verbindungen unter Organisationen und Bewegungen der Gesellschaft zu verstärken und neue zu schaffen, welche - sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich die Fähigkeiten zum gewaltfreien sozialen Widerstand gegen den Prozess der Entmenschlichung, den die Welt zur Zeit durchläuft, zu erhöhen und gegen die vom Staat ausgeübte Gewalt, und welche die humanen Maßnahmen verstärken, die durch die Aktionen dieser Organisationen und Bewegungen ergriffen werden."

Hier ist ein klarer Bezugspunkt für die WRI. Unsere eigene WRI-Grundsatzerklärung erwähnt Gewaltfreiheit nicht direkt. Der erste Teil ist unsere Weigerung, Krieg zu unterstützen, der zweite Teil unsere Selbstverpflichtung, die Ursachen von Krieg zu beseitigen -- was wir seit langer Zeit als unsere Verpflichtung zur Propagierung von Gewaltfreiheit zur Beseitigung von Kriegsursachen ansehen. Daher all unsere Debatten zu Manifesten für eine gewaltfreie Revolution, unsere Erklärungen zu aktiver Gewaltfreiheit als Alternative zu bewaffnetem Kampf, unsere Konferenzen zu gewaltfreier sozialer Verteidigung, und unsere Arbeit zu "gewaltfreiem gesellschaftlichen Empowerment" in der jüngeren Vergangenheit.

Die WRI kann nicht als isolierte Organisation existieren -- wir müssen unseren Platz unter den sozialen Bewegungen einnehmen, deren Ziele wir teilen. Das ist unser Aktionsraum. Es gibt Zeiten, zu denen wir uns marginalisiert fühlen -- und es ist mit Sicherheit angebrachter für die WRI, beim kürzlich stattgefundenen Alternativen Sozialforum in Caracas gesehen zu werden, als der Chavez-Regierung zujubelnd -- doch es gibt Zeiten, wenn wir Verbindungen herstellen zu lebenswichtigen Themen und Impulsen, die wir -- als Organisation -- zu anderen Zeiten zur Seite legen müssen, da sie unsere begrenzten Resourcen übersteigen.

Von Anfang an hatte die WRI eine radikale Gesellschaftsanalyse -- eine Analyse, die viel weiter reicht als es die Arbeit unserer Organisation kann. Wir stehen auch für Werte, Werte, die nicht nur in der Organisation, sondern auch in unserem Alltag praktiziert werden sollen, und die ein wesentlich breiteres Bewusstsein widerspiegeln als blanker Antimilitarismus. Zusammengenommen platziert uns das eindeutig unter die "Bewegung der Bewegungen", die sich bei Sozialforen versammelt.

Es gibt aber noch etwas, das wir anzubieten haben, und das -- trotz aller Kontroversen um Gewaltfreiheit -- erfreut aufgenommen wurde, wenn wir es angeboten haben. Das ist die Erfahrung sorgfältiger Vorbereitung und ehrlicher, kritischer Auswertung gewaltfreier Aktion. Dabei waren das selten Aktionen, die von der oder mi Namen der WRI oder ihrer Mitgliedsorganisationen organisiert worden sind, sondern Aktionen, an denen sich unsere Mitglieder beteiligt haben, die wir diskutiert haben, und die uns Ideen geliefert haben, die wir in unseren eigenen Situationen anwenden konnten. Von aussen werden wir manchmal als "Club für die Gewaltfreien" angesehen. Eine der Herausforderungen, denen wir uns gegenüber sehen, ist, zu zeigen, dass unsere Gewaltfreiheit keine ausschliessende Gewaltfreiheit ist, und ebenfalls keine Gewaltfreiheit, die zeitgebunden ist oder nur in eine bestimmte Kultur passt -- sondern eine Gewaltfreiheit, die sich kontinuierlich selbst neu und unter neuen Rahmenbedingungen schafft. Unsere Konferenz Gewaltfreiheit Gobalisieren soll ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein.

Howard Clark hat kürzlich April Carter und Michael Randle bei der Zusammenstellung von People Power and Protest since 1945 -- a bibliography of nonviolent action geholfen. Die Bibliographie wird im März bei Housmans erscheinen. (Entschuldigung, die Bibliographie beinhaltet nur englischsprachige Publikationen.)

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