Keine Armee verteidigt den Frieden

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Medellin ist eine Stadt der Kontraste, in der man viele Lebensweisen finden kann. Doch daneben leben in verschiedenen Stadtvierteln Menschen und führen einen Krieg der nicht nur zu Tot und langer Abwesenheit führt, sondern auch ein merkwürdiges Gefühl der Normalität hinterlässt - als wenn hier nicht passieren könnte. Doch es passiert, und mehr und mehr finden Vorschläge, dass die Menschen sich bewaffnen sollen um sich selbst und die verfassungsmässige Ordnung zu verteidigen Unterstützung. Das sind Vorschläge, die die Welt in „die Guten" und „die Bösen" unterteilen.

Jugendliche finden sich mittendrin in einem Konflikt, der zu groß ist, um ihn zu begreifen.

Tote in ihrer Nachbarschaft: Familien und FreundInnen von Kugeln durchlöchert in dem Feuer, dass die Träume von hunderten Jugendlichen zerstört. Es ist ein Konflikt, der Armeen fördert, und wegführt von alternativen Möglichkeiten, von Möglichkeiten einer anderen Welt und einer anderen Gesellschaft, in der Träume Wirklichkeit werden können.

Manchmal reichen die Träume von jungen Frauen und Männern nicht weiter als am Leben zu bleiben und hart zu arbeiten, manchmal um die Familie zu ernähren, oder für den Zugang zu Bildung. Junge Menschen erträumen nicht ihr eigenes Leben, sondern ein aufgedrücktes Modell des Lebens als KonsumentIn.

AkteurInnen der Gewalt

Heute macht die Situation des bewaffneten Konflikts in der Stadt Medellin Jugendliche zu AkteurInnen, die sich an den verschiedenen bewaffneten Gruppen beteiligen - und das ist auch, wie die Menschen Jugendliche wahrnehmen. Ein paar Zahlen mögen dabei helfen, die Bedeutung von Jugendlichen in der Stadt zu verdeutlichen: ca. Ein Viertel der Bevölkerung Medellins sind Jugendliche, ungefähr eine halbe Million Menschen, und Jugendliche stellen die Mehrheit der auf 9.000 Mitglieder geschätzten 200 bewaffneten Banden in der Stadt (einschließlich der Guerilla, Paramilitärs, und organisierter Kriminalität).

Die sozialen Probleme, die sich auf Jugendliche auswirken, werden zunehmend schärfer: Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, Zugang zu einer annehmbaren Ausbildung, das Stigma der Erwachsenenwelt und der Institutionen, die vorgeben, Gewalt durch die Einschränkung von Freiheit zu reduzieren - z.B. Durch die Verhängung eines Ausgangsverbot für Minderjährige. Das fördert und verselbstständigt das Image von Jugendlichen als AkteurInnen der Gewalt - sowohl tatsächlich als auch potentiell.

Die Maßnahmen des Bürgermeisters, Freiheit einzuschränken, berühren das Problem nicht.

Zwischen dem 1. Januar und 15. Juni diesen Jahres gab es 1.690 Morde - davon 873 (49%) an Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren (817 Männer und 56 Frauen).

Die Erzeugung von Angst

Dieser Konflikt erzeugt Brüche, zementiert Angst, und stärkt Gleichgültigkeit. Er führt zu Abstand und Misstrauen zwischen Menschen, entzieht Beziehungen den Boden, und reduziert die Werte von Freundschaft und Liebe.

Eine Strategie ist die Erzeugung von Panik, so dass den bewaffneten Gruppen Gehorsam geleistet wird. Eine der Drohungen, die an Hauswände gemalt wird, ist z.B. „gehorsame Kinder werden von ihren Eltern zu Bett gebracht; ungehorsame von uns" („uns" steht hier für Paramilitärs); „wir töten alle Kröten" (als Hinweis auf KollaborateurInnen).

Ein Aktivist des Red Juvenil (Jugendnetzwerk), der sich selbst in 1998 als Kriegsdienstverweigerer erklärt hat, schreibt über sein Viertel, dass „wir üblicherweise zu einer Dämmerungsmelodie aufwachen, in der der Lärm der Autos sich mit den Schritten der StudentInnen mischt, die nicht zu spät zum College kommen wollen, und mit den Schüssen, Schreien und Sirenen der Polizeipatroullen, und mit dem Klatsch der NachbarInnen, wer denn der tote Mann war, und warum er ermordert wurde."

Die Situation in den Stadtvierteln erscheint manchmal als so normal, dass es Angst auslöst; wir sind im wesentlichen passive EmpfängerInnen von Informationen, die wir nicht verarbeiten können, da unsere kritischen Sinne schlafen.

Jugendorganisationen im Konflikt

Basisorientierte Jugendarbeit ist schwer, da die bewaffneten AkteurInnen Jugendliche zwingen, sich zu ihren Waffen zu verhalten.

Ein Aktivist hat das wie folgt beschrieben: „In diesem Abschnitt gibt es das Sprichwort 'entweder schicke einen jungen Mann in den Krieg, oder verlasse diesen Abschnitt' ...

Tausende von Jugendlichen sind gezwungen, sich an dem Netzwerk paramilitärischer Kontrolle, das in der Stadt aufgebaut wird, zu beteiligen". In Abschnitt 13 musste eine der Jugendgruppen erste Hilfe lernen, da Verletzungen als Folge der Konfrontationen nicht im Gesundheitszentrum behandelt werden können.

Andere Jugendgruppen mussten den Wünschen der Paramilitärs folgen, die vorschreiben, was getan werden kann, wie es getan werden muss, und die manchmal auch Ressourcen bereitstellen.

Andere Jugendliche leben mit dem Zweifel, wie sie das werden können, was sie wollen.

Wenn sie in einem Viertel leben, in dem die Militia mit der Guerilla verbunden ist, dann haben sie keine grosse Chance, da die Sicherheitskräfte alle Jugendlichen des Viertels als mit der Militia verbunden ansehen, und damit als militärisches Ziel und als Feind im Kampf.

Der bewaffnete Konflikt berührt uns in vielen Bereichen, vom Verlust uns nahestehender Personen bis zur Gefahr für unser eigenes Leben. Er begrenzt unsere Erfüllungsmöglichkeiten und unsere Freiheit, dahin zu gehen, wohin wir wollen. Er begrenzt den Studenten, der von jemanden in einem anderen Abschnitt eingeschüchtert wird, öffentlichen Raum zu nutzen; er wirkt sich auf die Autonomie von Jugendgruppen aus, frei ihre lokalen Aktivitäten durchzuführen. Doch über all dem schiebt er den Traum zu Leben - und tatsächlich zu Leben - in Würde zu Leben an die Seite.

Was entwickelt Red Juvenil?

In den letzten 12 Jahren hat Red Juvenil seine Arbeit mit Vorschlägen für Leben und Widerstand in einer Gesellschaft mit militaristischen und patriarchalen Traditionen entwickelt, die wir nicht fortschreiben wollen, und an denen wir nicht teilhaben wollen.

Wir verweigern die Teilnahme an jeglicher Armee aus unserer Überzeugung heraus, dass keine Armee den Frieden verteidigen kann.

Wir verweigern die Beteiligung an diesem Krieg, diejenigen zu sein, die sich einreihen und ihr Leben geben für ein gesellschaftliches Projekt, das nicht dem entspricht, was wir für uns selbst erträumen.

Wir haben daher zahlreiche Aktionen unternommen, um Alternativen zum Militär und den Werten, die eine militaristische Kultur fördert - Patriarchat, Konkurrenz und Ausschluss - zu propagieren. Am 20. Juli, während einer Parade zum Unabhängigkeitstag, haben sich 30 von uns Zugang zum Stadion verschafft, in dem die Parade endete, und als gewaltfreie Aktionen einen Raum für kooperative Spiele geschaffen, und die Menschen eingeladen, teilzunehmen und zu spielen, zu spielen zur Entspannung, zu spielen um zu widerstehen.

Viele Kinder fanden das viel attraktiver als das offizielle Programm. Wir entwickeln derzeit Strategien, um Jugendliche zu befördern, sich der Beteiligung am Krieg zu verweigern, ohne zu schweigen, sondern im Gegenteil, an ihren eigenen Alternativen zu arbeiten. Zum Beispiel bemühen wir uns ständig einen Eindruck davon zu erhalten, wie Jugendliche, die in Vierteln leben, in denen die Konfrontation am sichtbarsten ist, den Konflikt in ihrem Alltag leben. Durch diese Information erwarten wir, dass viele Jugendliche sich wiedererkennen, und begreifen, dass es viele Menschen gibt, die wie sie selbst sich nicht an diesem Krieg beteiligen wollen. Ausserdem wollen wir die Aufmerksamkeit darüber, was in Kolumbien geschieht, in andere Teile der Welt tragen, denn die Massenmedien verschweigen das.

Aktive Gewaltfreiheit

Wir koordinieren uns mit anderen Jugend- und Nachbarschaftsgruppen, um Widerstand gegen Krieg zu stärken und sichtbarer zu machen. Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit Organisationen aus Cali, Puebla Nueva und Villa Rica (Cauca), Bogota und Medellin an einer Kampagne.

Das sind nicht nur Jugendgruppen, sondern auch Frauen-, Indigena- und Nachbarschaftsorganisationen.

Neben der Propagierung der Werte aktiver Gewaltfreiheit und direkter Aktion gegen Krieg ist unser Ziel, dass mehr junge Menschen das „warum?" dieses Krieges, der abseits der Massenmedien geführt wird, verstehen - wer profitiert? Wer stirbt? - und die Werte des Widerstandes gegen die Teilnahme am Krieg.

Die Jugendlichen, die sich weigern an einem Krieg teilzunehmen, der im Namen aller geführt wird, vertreten auch Interessen einiger anderer Menschen an, derjenigen, die gegen einen Krieg sind, der Blut, Körper und Tränen fordert, derjenigen, die sich weigern die Situation von Tod, Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Verzweiflung, einer Welt, die auf Leichen aufgebaut ist, zu akzeptieren. Wir widerstehen dem Glauben, dass, wenn Du Träume hast, Du Waffen brauchst, um diese zu verwirklichen.

Doch wir widerstehen nicht, der Vorstellung einer Gesellschaft ohne Armeen und Waffen zu folgen, in der Träume schaffen, doch nicht hinrichten. Wir widerstehen nicht dem Bedürfnis zu leben und zu tanzen. Daher sagen wir, dass wir alles geben, um zu leben und die Welt zu schaffen, die wir wollen.

Adriana Castaño koordiniert das Menschenrechtsprogramm des Red Juvenil in Medellin.

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