Gewalt in der Gesellschaft und gewaltfreie soziale Ermächtigung

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Gesprächsleitung: Joanne Sheehan und Julia Kraft-Garcia

Die Teilnehmer an dieser Themengruppe waren aus Irland, Indien, Spanien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Deutschland, Kolumbien, USA.

An jedem der drei ersten Tage gab es eine Übung, einen Beitrag von unseren eingeladenen ReferentInnen Ich finde keine schönes deutsches Wort für ,,Ressource people". G. B.und eine Diskussion um ein bestimmtes Thema.

  1. Wie manifestiert sich Gewalt in unserer ganzen Gesellschaft? Genauer: Wie berührt sie unser tägliches Leben, struktuell und direkt?
  2. Welches sind die Sozialisations- und Herrschaftsmuster, die Gewalt ermutigen und nähren, und zwar innerhalb der Gesellschaft wie auch zwischen verschiedenen Gesellschaften?
  3. Wie können wir diese Muster/ Gewaltzyklen durchbrechen?

Am 4. Tag suchten wir Muster und Strategien zur Stärkung gewaltfreier sozialer Ermächtigung und die Art, in der ein internationales Netzwerk das unterstützen kann.

Ein paar Höhepunkte

Hilal Demir sprach über die militaristische Tradition der Türkei und die Werkzeuge der Gewaltsozialisation: Erziehung, Militarisierung, Gefängnis und Industrien.

Die Erziehung wurde als das wichtigste dieser Werkzeuge gesehen, da sie den Menschen beibringt, Autorität nicht infrage zu stellen. Es gibt andauernd Polizeikontrollen, was zur ,,Polizei in unseren Köpfen" führt - Schikanen können zu psychologischen Problemen führen. Hilal erzählte ihre Geschichte und wie sie Heilung erfuhr, als sie versuchte, die Polizisten als menschliche Wesen zu denken, nicht als Feinde. Der Druck, der auf denen lastet, die sich weigern, zum Militär zu gehen, umfasst die Unmöglichkeit, Arbeit zu finden und Schwierigkeiten zu heiraten. Um den Militärdienst zu vermeiden, mussten Schwule ein Foto vorzeigen, das ihr Schwulsein bewies.

Sexuelle Belästigungen werden als ganz normal betrachtet, dass Männer Frauen berühren, ist üblich.

Hasina Khan berichtete, dass die Identität von Moslems in Indien sich nach dem 11. September ebenso wandelte wie die politische Lage dort. Eine Nebenwirkung ist, dass Punkte wie die Rolle der Frauen im Islam auf eine weitaus geringeren Stellenwert zurückfielen, da die Aufmerksamkeit sich jetzt auf die Rechte von Minderheiten, nicht von Frauen richtet. Die muslimische Minderheit ist nun der Meinung, dass sie ihre innergesellschaftlichen Probleme untereinander ausmachen müssen (das heißt z. B., häusliche Gewalt nicht nach außen zu tragen), damit Hindus sich nicht mit Urteilen oder Erniedrigung auf sie stürzen können. Sie sagte, Autoritäten in Frage zu stellen, sei ein westlicher Wert. Hasina sprach über den neuesten Film von Anand Patwardan, der darlegt, dass ,,Krieg keine Lösung ist, weil Krieg selbst Terrorismus ist", und der jetzt verboten wurde (Siehe Peace News No. 2448, Sept. - Nov. 2002, ,,A celebration of love: an interview with Anand Patwardhan".) Martin Rodriguez nannte einige Muster, die Gewalt in der Gesellschaft in Kolumbien verursachen: Familie, Schule und Massenmedien. In der Familie ist der Mann der Herr, die Frauen haben zu folgen, und Ältere haben Befehlsgewalt über Jüngere. In der Schule müssen die Schüler den Lehrern gehorchen und können sie nicht in Frage stellen. Die Massenmedien sind das einzige Mittel für die Jugend, sich mit dem Rest der Welt zu identifizieren; und da die Medien gewalttätig sind und auf Macht bezogen, motivieren sie die Jugend dazu, den Mächtigen zu folgen und unterdrücken sie. Die Medien idealisieren Macht und Gewalt. Die Machtstrukturen werden direkt und indirekt durch gewaltsame Mittel aufrechterhalten.

Es gibt ähnliche Muster in allen drei Ländern.

Julia stellte vor, was ,,Soziale Ermächtigung" bedeutet und wie Gewaltfreiheit dazu passt. (Peace News Nr. 2439, June-Aug. 2000 ,,Power-with, not power-over")

Eine Diskussion über das Thema Angst, wie wir mit Angst umgehen können, führte uns dazu, Roberta Bacic zu bitten, zur Gruppe zu sprechen. Roberta, die in Bewegungen in Chile engagiert war, sprach über den Umgang mit Angst. Sie sagte, wir müssten die Angst anerkennen - der Versuch, Angst zu vermeiden, sei Energieverschwendung. Furcht ist ein gesunder Weg des Selbstschutzes; sie sagt dir, dass du in Gefahr bist, und du musst dann die Situation analysieren. (Siehe Peace News Nr. 2439, Juni-Aug. 2000, ,,Fear - a sign that we are alive" von Roberta Bacic).

Zusammenfassung von: Muster der Gewalt - Ausdruck von Gewalt

Die Menschen glauben an Autoritäten (militärische, religiöse); das Militär wird glorifiziert; die Gewalt von Erziehungssystemen militarisiert; die Massenmedien stellen Verbrechen als normal dar und befördern die Gewalt; die Gesellschaft erkennt Gewalt nicht an; die Gewalt ist sehr tief verwurzelt, wenn man sie nicht in Frage stellt, kann man sie nicht sehen; Unterstützung für Krieg wird versteckt oder geleugnet (,,Wir schicken ,bloß' LKWs" (zu einem Konflikt) oder ,,wir bauen U-Boote, keine Waffen"); Gewalt wird normal, Gewalt wird als ein Mittel zur Konfliktlösung gesehen; Machtstrukturen innerhalb der Familien; Straflosigkeit; diskriminierende Gesetze; Stress (wenn die Behörden die Polizei in Angst vor Gefahren versetzen); Umweltstress; die Polizei reagiert unter Stress zu gewalttätig; geringe Selbstachtung ist ein Faktor bei der Reaktion von Menschen in Konfliktsituationen; ,,Lösungen" ohne Gerechtigkeit; Männerwahn, der Männer in gewalttätige Haltungen treibt, Frauen werden als Ziele, als zu gewinnende Trophäen gesehen; Unterdrückung sexueller Minderheiten; leichter Zugang zu Waffen; Vorurteile; Suchen von Sündenböcken; Rechtfertigung dafür, dass Menschen sich mit Waffen verteidigen; Verurteilung des Opfers, Mangel an authentischer Information und Klarheit; Indoktrination mit Scheuklappensicht (Nationalismus); die Jugend wird von der Familie und den Medien zum Krieg und zum Tragen von Waffen motiviert; militärische Kultur; die Methode des ,,Teile und herrsche", die von Politikern benutzt wird, um Proteste in einzelne Themen zu zersplittern, die die Menschen und die Analyse zerteilen, ist Teil der ,,westlichen Cartesianischen Kultur"; die Trennung der Arten von Gewalt, bei der keine Verbindung zwischen der Gewalt auf den Straßen und dem Kapitalismus gezogen wird; Bildungssysteme; Kriegsspielzeuge; neue Videospiele vom US-Militär, die Rekrutierungen zum Ziel haben; sexuelle Belästigung/ Missbrauch; militarisierte Polizei/ Staat; Waffenproduktion; Korruption; patriarchale Gesellschaft; Sexismus; Gewalt im Unterhaltungssektor; häusliche Gewalt; Schulkinder, die einander quälen; Waffen, die im täglichen Leben Anwendung finden; Menschen, die bezahlt werden, um im Auftrag des Staates Gewalttaten zu begehen; Rassismus; gefährliches Autofahren; Armut; Aggression; Alte Menschen, die in Heime abgeschoben werden; Konflikte zwischen Majoritäten/ Minoritäten; Fundamentalismus; Völkermord; US-Soldaten im Ausland; die Vorherrschaft der USA in der Welt; der Kauf von Waren, die von unterdrückten Arbeitern hergestellt sind; wenn Gewalt nicht als Problem, sondern als normal betrachtet wird.

Strategien:

Leute zusammenbringen, bevor sie in der Lage sind, mit Angst umzugehen; nach einem Ziel suchen, das unterstützt werden kann und dann die Risiken ins Auge fassen und analysieren; ein Netzwerk ausschließlich auf das Vertrauen einzelner zueinander aufbauen; anerkennen, dass die Menschen der Politiker überdrüssig sind; sie wollen etwas tun, nicht Reden anhören; Menschen informieren; ein Abzeichen tragen, das könnte zu Diskussionen führen; Anwendung des ,,unsichtbaren Theaters"; zeigen, dass es Länder ohne Armeen gibt; Zusammenarbeit mit Künstlern, Musikern, Aktivisten, Graswurzlern kann Veränderung bewirken; Musik und Theater einsetzen, um der Jugend die Botschaft zu vermitteln, Kämpfen abzulehnen; Menschen durch Training in Gewaltfreiheit über Gewalt aufklären; man denke immer auch an den aufbauenden Teil der Gewaltfreiheit, nicht bloß an direkte Aktion; den Kreislauf der Angst bekämpfen; und andere fügten bei, wir sollten Angst nicht unterdrücken, sondern verstehen, weil Angst die rationale Antwort auf eine Bedrohnung sein kann - die Lähmung überwinden, die aus Angst entspringt; Bedürfnis, Relevanz zu finden, indem wir den Menschen das Gefühl geben, dass die Dinge Teil ihres Lebens sind; mit den Leuten reden, offen sein für ihre Sichtweisen; direkte Aktion ist notwendig; Bewusstseinsbildung in Gemeinschaften; Menschen miteinander in Verbindung bringen, indem sie ihre eigenen Geschichten erzählen; Bedürfnis, das Bewusstsein der Menschen auf der Graswurzelebene zu ändern. (Joanne verteilte einen Artikel, die sie in Peace News Nr. 2435 vom Mai- August 1999 geschrieben hat, ,,Developing strategies for abolishing war".)

Strategien für ein internationales Netzwerk:

Eine weltweite Konfliktkarte haben, um ein besseres Verständnis weltweiter Probleme und Verbindungen zwischen lokalen und globalen Konfliten aufzuzeigen; Menschen verschiedener Gemeinschaften miteinander in Kontakt bringen; örtliche Arbeit ermutigen; Geschichten über Aktionen austauschen; Gelegenheiten für Jugendliche zur Teilnahme schaffen, Studenten aus verschiedenen Ländern mittels Gästehäusern und Austauschprogrammen einbinden; Fallstudien von erfolgreichen gewaltfreien Kampagnen schreiben - Bedürfnis nach konkreten Beispielen, um Menschen zu ermutigen, direkte Aktion auszuführen.

Der Prozess des Zuhörens zu den jeweiligen Geschichten der anderen im Nachdenken über die Verbindungen und Unterschiede war das Interessanteste für die Teilnehmer dieser Themengruppe. Wir stimmten überein, dass wir mehr Zeit brauchten, um Strategien zu entwickeln und hoffen, dass das Programm für Gewaltfreiheit und Soziale Ermächtigung diese Arbeit fortführen kann.

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