Widerstand gegen Krieg und Kriegsvorbereitungen: die Militarisierung unserer Räume
The Broken Rifle, No 97, September 2013
Javier Gárate
Diese Ausgabe des Zerbrochenen Gewehrs betrachtet Aktionen gegen Orte, wie Militärbasen, Waffenproduktionsstätten und Staatsgrenzen sowie die Rolle, die diese bei der Vorbereitung und Durchführung von Krieg und Militarismus spielen.
Im Juli 1934 legte Bart de Ligt auf der Internationalen Konferenz der War Resisters' International einen Plan vor für eine Kampagne gegen jeglichen Krieg und jegliche Kriegsvorbereitung. Dieser Vorschlag schloss eine Liste von Aktionen ein, die gegen Krieg und Kriegsvorbereitungen gemacht werden können, aufgeteilt in zwei Hauptsektionen: Aktionen in Friedens- und Aktionen in Kriegszeiten, mit Untergruppen individuelle und kollektive Aktionen. Mehr als 50 Jahre danach, im Jahre 1987, war das Zentralthema eines WRI-Seminars Verweigerung von Kriegsvorbereitungen: Nichtkooperieren und Kriegsdienstverweigerung. Ich meine, dass es an der Zeit ist, die Liste durch die WRI auf den neuesten Stand zu bringen.
Ich schreibe dies während wir uns auf eine internationale Aktion im Vereinigten Königreich vorbereiten als Teil der AWE (Atomic Weapons Eradication - Atomwaffenbeseitigung)-Aktion, die sich gegen die Erneuerung des Trident-Atomwaffensystems durch Großbritannien richtet. Wie Angie Zelter in ihrem Artikel schreibt, befinden wir uns in einer kritischen Zeit für Kampagnen gegen Atomwaffen in dem UK, da "Im Jahre 2016 die UK-Regierung ihre Entscheidung beenden wird, ein neues Atomwaffensystem zu bauen als Ersatz für das jetzige Trident-System". Ein Abrüstungscamp wird am AWE (Atomic Weapons Establishment - Atomwaffenfirma) Burghfield stattfinden, das für die komplexe Endmontage und Wartung der Atomwaffensprengköpfe während deren "Dienstzeit" und ihre Außerbetriebnahme verantwortlich ist. Diese Kampagne steht im Einklang mit einer der von de Ligt vorgeschlagenen Aktionen: "Anläßlich der Parlamentsentscheidung bzw. der speziellen Regierungsmaßnahmen (wie eine Abstimmung über die Aufstockung und Modernisierung von Kriegsmaterial, Manövern, Entsendung militärischer Marinekräfte an Orte mit angespannten Situationen, Entsendung von Streitkräften in einige Kolonien) – Aktion, um die Ausführung solcher Maßnahmen durch Demonstrationen und Streiks zu verhindern." Bei der Aktion AWE geht es vor allem darum, direkt etwas gegen die Einrichtung durchzuführen, in der die Atomwaffen entwickelt und produziert werden.
Der Vorschlag von de Ligt enthält auch eine Aktion:
“Den großen Kriegsmechanismus hauptsächlich durch Stillegen des Transports so weit wie möglich durcheinanderzubringen" und "Wo immer es ohne Risiken für die Menschen möglich ist, Waffen, Munition und jegliches Kriegsmaterial zerstören, etc., etc." und für die "Organisation international verlaufender Friedenskampagnen".
Am 2. September gibt es eine große Blockade des AWE Burghfield durch Aktivisten aus vielen europäischen Ländern auf Basis der internationalen Kooperation der War Resisters. War Resisters haben über die jahre ein reiches und vielfältiges Repertoire an Aktionen gegen Krieg und Kriegsvorbereitungen entwickelt. Viele dieser Aktionen sind auch auf der von de Ligt vorgeschlagenen Liste. Da sich jedoch die Zeiten und das Kriegswesen ändern, so ändert sich auch unsere Art Aktionen durchzuführen. Als de Ligt seine Vorschläge unterbreitete gab es noch nichts wie Online-Petition oder Soziale-Medien-Kampagnen. Da die Kommunikation langsamer war, erreichten Aufrufe für sofortige internationale Solidaritätsaktionen nur sehr wenig Leute, im Vergleich zu heute. Die Perfektion einiger der heutigen Aktionen war zu jener Zeit undenkbar, und dass diese Aktionen live, d. h. während sie geschehen, in die ganze Welt berichtet und gesendet werden könnten, war damals pure Science Fiction. Jetzt sind die Zeiten der Unmittelbarkeit und Informationsüberladung. Heute muss die Nachricht, die man übermitteln will, in das 140-Zeichen-Format von Twitter passen, und wenn man nur einen kleinen Moment die Aufmerksamkeit von jemandem erhaschen kann, ist das bereits ein Erfolg. Es wird Zeit, dass wir als Kriegsgegner eine Kampagne des 21. Jahrhunderts gegen jeglichen Krieg und jegliche Kriegsvorbereitungen entwickeln.
Obwohl sich die Kriegsführung ändert (besonders durch die Robotisierung und Privatisierung des Kriegs) hängt das Militär immer noch von einigen grundlegenden Säulen ab, von denen es gestützt wird. Man braucht Leute, um zu kämpfen (wenn auch immer weniger), eine kriegstaugliche Infrastruktur (Basen, Ausrüstung), eine Kriegswirtschaft (Geld für Krieg aus Steuern, privaten Investments, usw.) und einen Kriegsdiskurs (Kriegspropaganda). Als Kriegsgegner versuchen wir, alle diese Säulen anzugreifen, aber wir wissen auch, dass ein paar leichter oder effektiver anzugreifen sind. Im Laufe der Jahre waren Aktionen an bestimmten Orten ein allgemeiner Ansatz, da es etwas Konkretes gab, auf das man zielen konnte. Wenn man eine Militärbase, eine Waffenfabrik oder irgendeinen anderen mit dem Militär verbundenen Ort in der Nähe hat, sahen diese sich wahrscheinlich einer Form von Protest ausgesetzt.
Wie Ihr in dieser Ausgabe von Das Zerbrochene Gewehr lesen könnt, ist der Einfluss von Orten, wie Militärbasen, Waffenfabriken, Barracken und militarisierten Staatsgrenzen immens. Es sind nicht nur Orte, von denen aus Kriege geführt wurden – und ein wesentlicher Teil des "sie gegen uns" Kriegsdiskurses, sondern die in ihrer Umgebung entstandene Verwüstung ist grenzenlos. In dieser Ausgabe schauen wir noch einmal auf Diego Garcia, wo eine ganze Bevölkerung umgesiedelt wurde, damit die Insel als Militärbase genutzt werden konnte, und auf Okinawa, deren Menschen und Umwelt unter Jahrzehnten der Militarisierung gelitten haben. In dieser Ausgabe schließen wir auch einen Artikel über den sogenannten "Krieg gegen Drogen" in Mexiko und die Militarisierung der US-Mexiko-Grenze ein, wo die Gewalt ein nie vorher gesehenes Ausmaß erreicht hat. In allen diesen Fällen findet man jedoch Menschen, die gegen die Gewalt und die Militarisierung sind und an friedlichen Alternativen arbeiten.
Ein in dieser Ausgabe nicht gebührend erfaßter Aspekt ist die Umrüstung. Es ist wichtig, dass man – wenn man Orte wie Militärbasen Widerstand leistet – auch einen Alternativvorschlag haben muss, wie diese Orte genutzt werden sollten. Es gibt viele Beispiele – alte Militärbarracken umgewandelt in Schulen, Museen, Gaststätten usw. Wenn Ihr jemals nach Ljubljana kommt, besucht das Metelkova Autonomous Social Centre – das früher das nördliche Hauptquartier der jugoslawischen Volksarmee war, aber auf Initiative des damaligen WRI-Ratsmitglieds Marko Hren vor 20 Jahren übernommen und in ein Zentrum verwandelt wurde mit Orten für Aufführungen, Kunsthandwerkbetrieben und Studios. Mit guter visueller Phantasie und Materialien – leuchtende Farben, Woll- oder Garnknäueln – kann man leicht Aktionen durchführen, mit denen man die Bedeutung eines vorhandenen Militärortes verändern kann. Im Jahre 2011 strichen viele Gruppen als Teil der europäischen Kampagne War Starts Here (Krieg fängt hier an) Panzer und andere Militärausrüstungen in leuchtendem Rosa an. Oder denkt an die Bilder an der israelischen Separationswand (und nicht nur die mit dem "Copyright" Banksy).
Es gibt viele Aktionen, die man gegen Krieg und Kriegsvorbereitungen machen kann. Blockaden – wie wir das am 2. September tun werden – vor einer Einrichtung für Atomwaffenherstellung sind oft eine davon. Laßt uns unser Repertoire weiter erweitern und gemeinsam mit einem neuen Plan gegen jeglichen Krieg und jegliche Kriegsvorbereitungen herauskommen.
Übersetzung: Inge Dreger
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