Plenum zum Kosov@-Krieg
mit
Dorie Wilsnack, WRI (Moderation)
Bojan Aleksov, Women in Black, Budapest
Zorica Trifunovic, Women in Black, Belgrad
Howard Clark, WRI/Balkan Peace Team, Madrid
Steinkimmen, 09. August 1999
20.00 bis 22.00 Uhr
Dorie Wilsnack: Ich möchte Sie alle willkommen
heißen zu unserer Plenarsitzung heute Abend über die
Situation im Kosovo und in Serbien. ... Unser Thema heute Abend
wurde natürlich schon oft erwähnt ... ist unser intensivstes
und neuestes Beispiel des sich verändernden Antlitz des Militärs.
Wir werden das heute Abend sehr direkt diskutieren. Wir werden
von verschiedenen Erfahrungen von FriedensaktivistInnen in Serbien
hören und von der langen Aktivität und dem langen Fokus
der WRI selbst im Kosovo. Bojan Aleksov, Zorica Trifunovic und
Howard Clark, das sind unsere SprecherInnen heute Abend. Sie werden
sich dann noch einmal komplett vorstellen wenn sie zu Wort kommen.
Wir haben hier zwei Stunden vorgesehen ... und wir sehen vor die
drei SprecherInnen anzuhören und dann eine offene Diskussion
zu haben, um Eure Fragen und Kommentare zu hören. Wenn Sie
dann dran sind haben wir noch etwas spezielles vor. Wir haben
schon eine ganze Reihe von Diskussionen in den einzelnen Workshops
gehabt und gestern Abend auch, da haben wir über unsere Aktivitäten
gesprochen während des Bombardements der NATO im Kosovo und
die Kosovo-Krise insgesamt. Deshalb werden wir also heute Abend
uns mit der Zeit, die wir auf dieses Thema verwenden werden, auf
15 Minuten beschränken. Und ich möchte Sie dann darum
bitten in der restlichen Zeit sich auf die aktuelle Situation
und die Zukunft zu konzentrieren. Darüber werden sie noch
weitere Informationen von den SprecherInnen erhalten. Ich möchte
Sie bitten sich dann darauf zu konzentrieren was unsere Aktivitäten
und Strategien jetzt sein sollten, also in den nächsten
Monaten. Wenn Sie den SprecherInnen zuhören haben sie immer
diese Frage bitte im Hinterkopf. Das ist also der Bezugspunkt.
Bojan Aleksov, das wird unser erster Sprecher sein.
Bojan Aleksov: Vielen Dank, Dorie. Wie ich ja bereits gesagt
habe war ich Aktivist bei Women in Black in Belgrad, ich war da
vor allem beteiligt an Fragen der Kriegsdienstverweigerung und
Fragen von Deserteuren, und im Moment arbeite und lebe ich in
Budapest und arbeite dort in den gleichen Belangen, also nicht
in meinem Heimatland.
Und ich möchte hier kurz auf verschiedene Dinge eingehen,
und zwar vor allem auf die aktuelle Situation, etwas, das also
noch nicht vollendet ist, und es ist sehr sehr schwierig vorherzusehen
wie sich das ganze entwickeln wird, und natürlich gibt es
dort auch einen Einfluß - hat die Position einen Einfluß
in der ich mich in den letzten Monaten befunden hatte, ich konnte
praktisch seinerzeit in Budapest sehr viele Informationen sammeln,
hatte vor dort aus Kontakte nach Serbien und konnte da diese Informationen
sammeln, war auch in Bosnien und all diese Beobachtungen, die
ich hier präsentieren werden, das sind alles meine eigenen
und nicht die anderer Personen.
Also Sie kennen natürlich alle die Thematik. Ich möchte
hier ganz kurz noch einmal die Konsequenzen der Eskalation des
Krieges aufzählen, und die Eskalation war natürlich
die NATO-Intervention am 24. März. Sie wissen alle, daß
dies zu einem Massenexodus der AlbanerInnen aus dem Kosovo geführt
hatte. Die kommen jetzt langsam zurück, natürlich absolut
traumatisiert. Es gibt immer noch eine Dunkelziffer von Leuten
die umgebracht worden sind. Und auch auf der serbischen Seite
gab es natürlich viele Opfer, eine andere Konsequenz war
die, daß die Infrastruktur im Kosovo und in Serbien vollkommen
zerstört wurde. Eine weitere Konsequenz ist die, daß
jetzt, nachdem die Truppen der NATO im Kosovo stationiert wurden,
daß es jetzt neue Entwicklungen gab, daß verschiedene
NGOs nicht mehr in dieser Form wie früher agieren können,
und verschiedene Gruppierungen in ihrer Aktivität eingeschränkt
wurden. Auch die Position der sogenannten Hardliner der Kosovo-Albaner,
natürlich vor allem, ist auch gestärkt worden, und all
diese verschiedenen Säulen der Gesellschaft wie die Gewerkschaften,
die Medien, Universitäten, diese verschiedenen Säulen
wurden also sehr stark geschwächt und es ist natürlich
auch jetzt die Frage wie stark auch Milosevic's Regime geschwächt
wurde, die Armee, die Wirtschaftsmacht, auch seine verschiedenen
Fraktionen sind teilweise zerstört worden, aber es ist immer
noch eine Frage, wie stark das Ausmaß dessen war.
Eine weitere Konsequenz für mich ist, daß es so aussieht,
daß es keinerlei Möglichkeit zur ethnischen Koexistenz
im Kosovo gibt. Die serbische Opposition kümmert sich auch
überhaupt garnicht um ihre eigene Verantwortung und das nationalistische
Erbe, daß heißt viele der nationalistischen Bedürfnisse
wurden durch das Bombardement noch bestärkt und durch diese,
ja, Niederlage im Kosovo. Die Allianz für den Wandel (Alliance
for Change), auch diese ist sehr geschwächt worden, man ist
desillusioniert, man ist deprimiert, und man fühlt sich allgemein
schuldig, und das wird allgemein dem serbischen Volk auferlegt.
D.h. langfristig war unser Hauptpunkt die Verantwortung der einzelnen
Menschen, also nicht nur derjenigen, die an der Macht sind. Wir
sind oft wahrscheinlich nicht realistisch bezüglich der Projektionen
der Verantwortung auf bestimmte Menschen, auf diejenigen, die
natürlich in dem Konflikt um Jugoslawien beteiligt waren.
Jetzt, da ich in Ungarn lebe, kann ich aus meiner eigenen Erfahrung
sagen, das ist jedenfalls meine Meinung, daß die politische
Verantwortung der Bevölkerung in Ungarn oder wo auch immer
sich nicht sehr stark von der im ehemaligen Jugoslawien unterscheidet,
aber das ist etwas, das wir vielleicht später noch diskutieren
können.
Natürlich gibt es Möglichkeiten, die Zivilgesellschaft
wieder aufzubauen im Kosovo. Das wird ein schmerzhafter Prozeß
sein, das erste Problem ist, daß, wenn wir die Rekonstruktion
der Zivilgesellschaft diskutieren, dann müssen wir uns fragen
ob so etwas überhaupt jemals existierte im Kosovo, so daß
wir sie überhaupt wieder aufbauen können, also wenn
man davon ausgeht, daß man sie wieder aufbauen kann, dann
muß sie ja irgendwann einmal existiert haben, das ist etwas,
das für uns noch nicht ganz klar ist, und ich möchte
hier mich auf einige Probleme in Bezug auf die AntimilitaristInnen
konzentrieren. Howard hat einmal über die Organisation der
Familie und des Gemeinschaftslebens im Kosovo gesagt, daß
es sich sehr stark unterscheidet von dem in Bosnien, und daß
dadurch wirklich erst die Schaffung einer parallelen Gesellschaft,
wie es im Kosovo der Fall war, ermöglicht hat. D.h. dadurch
wurde natürlich der Exodus noch erleichtert, und hat auch
sehr das Leben, das Zusammenleben der Flüchtlinge in Makedonien
und Albanien vereinfacht. Und auch sehr stark dazu beigetragen,
die Rückführung der Flüchtlinge zu erleichtern,
denn das ging natürlich sehr schnell im Vergleich zur Rückführung
der bosnischen Flüchtlinge damals. Aber trotzdem ist es eine
noch sehr patriarchal organisierte Gesellschaft und diese unterscheidet
sich doch sehr von der Zivilgesellschaft, also insgesamt gesehen,
also man kann das also vielleicht nicht eine wirkliche Zivilgesellschaft
nennen. D.h. es war auch dieser Gesellschaft nicht möglich,
Verbrechen und Racheakte zu verhindern jetzt in den letzten Wochen.
D.h. also der Neuaufbau einer Zivilgesellschaft, das ist etwas
worüber wir heute sehr stark gesprochen haben, heute Nachmittag
in unserem Workshop, und wir sollten uns da immer an die Erfahrungen
in Bosnien erinnern. Wir hatten vier Jahre von internationalen
Engagement, enorme Geldsummen sind dort ausgegeben worden, und
nur wenig ist dort in den vier Jahren jetzt erreicht worden.
Die Möglichkeiten zum Dialog, wie ich gesagt hab, und das
Zusammenleben dort, die Koexistenz im Kosovo, also diese Möglichkeiten
sind sehr gering. Es gibt eine lange Geschichte des Hasses im
Kosovo, und das ist der Unterschied zu Bosnien. Es gab keine einzige
Zeit in der Geschichte, wenn man zurückblickt, wo es friedliche
Koexistenz gab, im Vergleich eben zu Bosnien. D.h. wir sollten
alle über den Dialog nachdenken, wir sollten aber zuerst
einmal bestimmen, Dialog mit wem wir haben wollen und aus welchen
Grund und warum überhaupt.
Ich habe auch große Zweifel bezüglich des Beginns dieses
Prozesses. Und ich möchte jetzt ganz kurz noch einmal eingehen
auf meine Gedanken bezüglich der internationalen Friedensbewegung
und der Reaktion auf das Bombardement. Diese Reaktion war relativ
nutzlos und auch nur sehr beschränkt. Ein kleiner Teil der
Friedensbewegung hat voller Hoffnungslosigkeit entschieden hat
sich dafür entschieden, hat sich also für die NATO entschieden,
und hat diesen Imperialismus überhaupt zugelassen, und zugelassen,
daß diese ein souveränes Land eingenommen haben, oder
besetzt haben. Ich bin im Juni durch ganz Deutschland gereist,
und ich habe bei vielen verschiedenen Gelegenheiten erlebt, daß
es aus der Schwäche der Friedensgruppen heraus geschehen
ist, und natürlich auch durch den Einfluß der Medien,
und der Entscheidungsträger. Und es wurde nur sehr wenig
Arbeit bei konkreten Angelegenheiten geleistet, wie z.B. was Deserteure
angeht, oder.
Wir sollten auch über die Arbeit nachdenken, die vor dieser
Eskalation, vor dieser tragischen Eskalation der Gewalt stattgefunden
hat. Wie erfolgreich diese war, oder wie schwach diese war. Wie
sehr es uns gelungen ist oder eben nicht die Aufmerksamkeit auf
das zu lenken was im Kosovo vorging. Ist es uns gelungen? Wir
haben uns die letzten zehn Jahre mit dieser Thematik auseinandergesetzt,
aber es ist uns wohl nicht gelungen, den Prozeß in irgendeiner
Weise zu beeinflussen, der zu dieser Eskalation überhaupt
geführt hat. Und ich glaube, daß oft Leute, die guten
Willen zeigen, wie ich z.B. auch, sehr unrealistisch waren und
sehr idealistisch mit den Vorschlägen und den Strategien,
die man gemacht hat im Umgang mit dem Konflikt im Kosovo.
Vor einigen Jahren schlug man eine Lösung vor, das war die
orthodoxe Kirche im Kosovo, und fast keine hat diese Lösung
jemals gelesen, und diese wurde direkt wieder zurückgewiesen
von Leuten die wirklich eigentlich die richtige Einstellung zur
Sache hatten und auch guten Willens waren. Und auch die Friedensbewegung
hat es nur als einen Vorwand gesehen für die Teilung des
Kosovo nach ethnischen Gesichtspunkten, aber dieser Vorschlag
damals hat sich als sehr unrealistisch herausgestellt und hat
letztenendes zu dem geführt, was wir jetzt vor uns haben,
ich schlage jetzt also in keiner Weise vor, diesem Konzept jetzt
also irgendwie zu folgen, oder, daß das eigentlich gut gewesen
wäre, ich möchte damit nur sagen, wie engstirnig man
das Problem betrachtet hat, und wie wenig man doch auch andere
Optionen mit berücksichtigt hat und Ansätze in Bezug
auf diese Problematik.
Natürlich, es tut mir leid, daß ich jetzt das ganze
in die Länge ziehe, aber ich möchte noch kurz darauf
eingehen wie wir in Serbien reagiert haben auf diese Ereignisse.
Ich selbst fühle mich sehr gechwächt durch all das was
geschehen ist, aber darauf können wir vielleicht später
noch einmal zurückkommen, ich möchte Ihnen noch etwas
mitteilen was mir passiert ist, als ich in Heidelberg war. Es
gab eine Organisation von der DFG-VK, und dort habe ich auch gesprochen.
Normalerweise, bei diesen Mahnwachen der Women in Black, z.B.
auf dem Platz der Republik in Belgrad, dann wird man hauptsächlich
beschimpft mit dem Vorwurf 'Tudjmann's Pferd' wörtlich übersetzt,
d.h., in diesem Ausruf zeigt sich die sexistische Einstellung
der Leute, und auch die politische Anschuldigung, gegen die Serben
zu sein. D.h. wir waren da in Heidelberg, und sehr nette Leute
in Heidelberg haben dort eine Mahnwache vorbereitet, und zwar
in der gleichen Art und Weise, also in Schwarz gekleidete Frauen,
die dann bestimmte Plakate hochgehalten haben, und Leute liefen
vorbei, und dann haben die Leute auch angefangen zu rufen, wörtlich
übersetzt, Milosevic's Pferd, oder ihr seid im Namen Milosevic's
unterwegs, stoppt das hier, wir haben damit nichts zu tun, geht
zurück, tut das bei euch, was macht ihr hier in Heidelberg,
geht wieder zurück nach Belgrad, macht das dort. D.h. das
war also die ganz gleiche Reaktion hier, wie das schon seit 8
Jahren in Belgrad der Fall ist, und ich konnte einfach nicht glauben,
daß das so geschehen ist. Und das hat mich einfach sehr
geschwächt und sehr deprimiert und so hatte ich dann plötzlich
den Eindruck, daß diese Einstellung, gegen die wir so lange
angekämpft haben, jetzt wirklich sich in der ganzen Welt
durchgesetzt hat, überall praktisch, eine solche Einstellung
zu spüren ist.
Und diese Sicht der Dinge, und der Verantwortung bezüglich
des Kriegs, und der Beteiligung der Bevölkerung, d.h. es
gab hier überhaupt keinen Unterschied bezüglich der
Ansicht in den verschiedenen Ländern.
Ich möchte Ihnen hier noch eine andere kurze Geschichte erzählen.
Man hat einen Monat lang überhaupt nicht über Deserteure
gesprochen, oder was mit den serbischen Soldaten passiert, usw.
Nirgendwo irgendwo in den internationalen Medien, und es waren
Tausende von Menschen, die meist auf illegale Weise nach Ungarn
gekommen sind, und es gab hier überhaupt keine Reaktion von
irgendeiner Seite, vielleicht einige Ausnahmen aber generell gab
es keine Reaktion, und dann, plötzlich, hat die NATO das
als ein gutes Propagandamittel erkannt und hat gesagt, wegen unserer
eigenen Erfolge deshalb desertieren nun die Serben und dann hatten
wir plötzlich verschiedene Journalistengruppen und Fernsehjournalistengruppen,
die dann zu uns gekommen sind, und die dann alle ihre Deserteure
finden wollten, mit denen sie nun irgendwelche Interviews machen
konnten. Und ich hab dort auch selbst viele Interviews gegeben
und viele von diesen wurden zensiert, oder irgendwie auseinandergeschnippelt
und immer wieder neu zusammengesetzt, also immer wenn ich versucht
habe auf politische Fragen einzugehen und gesagt habe, daß
man das nicht einfach als ein Gewinnen der NATO, als einen Erfolg
der NATO sehen kann, sondern daß es hier auch um Menschenrechte
geht, und daß da noch etwas anderes dahinter steht, und
daß diese Leute nicht als etwas Kurioses hingestellt werden
sollten, sondern daß man ihnen auch helfen soll, usw. usf.,
also, eine solche Einstellung wollte man da nicht in derartigen
Interviews, und, um das jetzt zum Abschluß zu bringen möchte
ich nur kurz darauf hinweisen, daß, im Gegensatz zum Abkommen
von Dayton und diesem Friedensabkommen, hier gab es überhaupt
keine Vorkehrungen für Amnestie. Es gab also hierzu überhaupt
kein Amnestiegesetz in Serbien. Viele Leute mußten ins Gefängnis,
weil sie eben desertiert sind, oder einfach nicht reagiert haben
auf ihre Einberufung. Es gibt also hier über 40.000 (?) solche
Fälle. Und es gab überhaupt keinerlei öffentliche
Kampagne, um diese zu unterstützen. Trotz all dieser offiziellen
Ankündigungen und Aufrufe seitens der NATO, die Deserteure
zu unterstützen, wie wir gestern von ... (?) gehört
haben. D.h. es gibt überhaupt keine offizielle Unterstützung
seitens der NATO-Länder in Bezug auf die Deserteure. Es gibt
auch nur sehr wenig Diskussion darüber in den Medien und
auch unter den Leuten, die sich für den Frieden einsetzen.
D.h. ich werde in meinem zweiten Teil damit fortfahren.
Dorie Wilsnack: Herzlichen Dank. Jetzt werden wir von
Zorica Trifunovic einen Kommentar hierzu hören.
Zorica Trifunovic: Guten Abend. Dorie hat gesagt, wir sollten
uns erstmal selbst vorstellen. Ich weiß nicht, was ich vor
1991 getan habe, ich hab' das schon völlig vergessen. Aber
seitdem bin ich Aktivistin und aktiv an der Friedensbewegung beteiligt,
an verschiedenen Menschenrechtsgruppen, und ich bin ab und zu
auch bei den Women in Black mit dabei. Ich möchte Ihnen etwas
mehr über diese Friedensgruppen erzählen und ihnen einen
kurzen Überblick darüber geben, was es vor, während
und nach dem Krieg gab. Ich werde versuchen, Ihnen zu erzählen,
was unsere Perspektiven für unsere Arbeit sind, und wie wir
unsere Zukunft uns vorstellen. Und wie auch unsere Pläne
für die zukünftige Arbeit aussehen.
Die zivile Gesellschaft, die wir versucht haben, wieder aufzurichten,
und daß ist dabei ein sehr großer Teil, der bisher
nur aus sehr kleinen Gruppen bestanden hat, die sich in den letzten
zwei, drei Jahren gebildet haben, besonders während des Winters
1996/97 in Serbien. Das hängt vor allem mit der wirtschaftlichen
Situation des Landes zusammen, die dazu beiträgt, daß
diese Gruppen nur sehr schwer funktionieren können. Denn
die grundlegende Infrastruktur dazu fehlt. Es ist wirklich ein
Wunder, daß wir immer noch so viele Gruppen haben, trotz
all dieser Schwierigkeiten. Dieser Sektor wird auch noch als Verräter
des Landes angesehen. Wir sind also keineswegs willkommen vom
Regime, und wir sind auch nicht besonders beliebt unter der Bevölkerung,
unter den Menschen, denn sie sehen nicht wie eine kleine Gruppe
von BürgerInnen etwas verändern kann. Es wäre besser
für die Kinder und die Erwachsenen etwas nützlichers
zu tun als über Frieden zu sprechen, und über Menschenrechte
usw zu sprechen.
Auf der anderen Seite gibt es die Befürchtung, daß
jemand in eine bestimmte Abteilung kommt und jemanden belästigt,
und meistens arbeiten diese Familien zusammen. Wir sind also über
Nacht in diese Art von Krieg gestolpert. Ich weiß nicht
ob ich es überhaupt Krieg nennen kann. Wir wissen immer noch
nicht, was das war. Und wir, die Women in Black, hatten das Gefühl,
daß wir nichts mehr tun können. Denn unser letzter
Protest eine Woche zuvor, vor dem Beginn der Bombardierungen,
war den Verhandlungen gewidmet, als etwas ganz notwendigem. Und
zwei Jahre bevor wir die Kampagne zur Förderung der Menschenrechte
im Kosovo gestartet haben, und all unsere Bemühungen auf
den Kosovo ausgerichtet haben. Wir dachten also, daß wir
jetzt nicht mehr ausrichten konnten. Das aus zwei Gründen:
Denn zu dieser Zeit konnten wir überhaupt nichts tun. Und
vor allem wurde sofort jegliche öffentliche Demonstration
verboten, jede öffentliche Zusammenkunft. Und somit waren
uns die Hände gebunden. Wir hatten das Gefühl, daß
neben der Tatsache, daß es so viele Flüchtlinge gab,
daß diese NATO-Intervention die Gesellschaft zerstört
und schwer geschädigt hat. Ich spreche jetzt von ganz Serbien,
auch vom Kosovo, von der ganzen Gesellschaft Serbiens und der
gemischten Gesellschaft. Es war aber anders im Kosovo als in Bosnien-Herzegowina.
Ich möchte hier an etwas erinnern, das habe ich vielleicht
vergessen zu sagen. In Kosovo und in Bosnien-Herzegowina wird
eine andere Sprache gesprochen, und es gibt also auch eine Sprachbarriere
zwischen den Kosovo-AlbanerInnen und den Menschen aus anderen
Teilen der jugoslawischen Gesellschaft, wo slawische Sprachen
gesprochen werden, die sehr eng miteinander verwandt sind. Ich
denke auch, diese Sprachbarriere spielte eine große Rolle,
denn es ist ein großes Hindernis für das gegenseitige
Verständnis.
Die Gesellschaft wurde also zerstört, und ein Teil dieser
Gesellschaft war also dieser zivile Sektor, den wir schon seit
Jahren aufzubauen versucht haben. Jetzt sind wir sehr enttäuscht
und fühlen uns sehr schlecht, und wir müssen hier wieder
von ganz vorne anfangen. Für viele von uns bedeutet das,
wenn wir überhaupt die Chance dazu haben, denn die Chance,
an einer humanitären Bewegung zu arbeiten, sind oft von der
Regierung beschränkt. Wir werden also wieder diese Phase
durchmachen müssen, wir werden auf humanitäre Hilfe
angewiesen sein, für die typische Frauenarbeit, wie wir das
immer nennen, um zu helfen, die zivile Gesellschaft wieder aufzubauen.
Etwas anderes, das auch noch sehr wichtig ist für uns, es
ist auch sehr wichtig für uns also, langfristige Pläne
zu haben. Wir müssen also wissen, in drei Jahren haben wir
eine Begegnung mit dem und dem Thema. Das betrifft nicht nur unsere
Gruppe, sondern den ganzen Sektor. Normalerweise sind wir sehr
beschäftigt damit, auf Situationen zu reagieren, was um uns
herum geschieht. Und versuchen, unsere Ziele im Auge zu behalten.
Jetzt stehen wir vor einer Situation, wo wir nicht mehr wissen,
wie wir über Demokratie sprechen sollen, wie wir über
Parlamentarismus sprechen sollen, über zivile Gesellschaft,
denn unsere Hauptargumente für die zivile Gesellschaft oder
eine Struktur wie z.B. Deutschland, Frankreich, Großbritannien
oder anderen Ländern, jetzt wissen wir nicht mehr ob wir
eine Demokratie wie in Weißrussland z.B. aufbauen sollen,
oder anderen Ländern. Wie sollen wir also diese Frage angehen.
Wir müssen uns an einfache Menschen wenden. Sie verfügen
nicht über ausreichende Informationen, sie erhalten falsche
Informationen von den Medien, und wir müssen also wissen,
wie wir sie ansprechen sollen, wie wir dieses Problem angehen,
daß wir Demokratie wollen, daß wir uns für Menschenrechte
einsetzen müssen. Und das ist wirklich eine sehr schwere
Aufgabe, die jetzt vor unserer Gruppe liegt. Nicht zu sprechen
davon, daß einige Gruppen sich aufgelöst haben und
verschwunden sind. Und dafür bilden sich andere wieder neu.
Während des Krieges gab es eine Entwicklung, die Jugoslawisierung
könnte man das nennen. Das ist eigentlich kein Wort, das
es gibt, aber wir nennen das so. Es haben sich viele Nichtregierungsorganisationen
aus Serbien sind zusammengekommen zu der sogenannten YUG ACTION
und arbeiten jetzt zusammen, und diese Leute haben sich ein- bis
zweimal die Woche getroffen, und versucht, einige Erklärungen
abzugeben, die sie in ausländischen Medien zu veröffentlichen
versuchten, und es ist sehr schwer eine gemeinsame Erklärung
abzugeben, wenn man in der gleichen Gruppe ist, und natürlich
unter verschiedenen Gruppen ist das noch viel schwieriger. Wir
versuchten also unsere Erklärungen in den Medien abzugeben,
aber meistens wurden wir ausgelacht, denn die meisten Radiostationen
waren sowieso geschlossen, wir hatten nur ein oder zwei Zeitungen,
die überhaupt erschienen zu dieser Zeit. Wir haben also somit
versucht, diesen zivilen Sektor am Leben zu erhalten. Und gleichzeitig
keine dieser Organisationen oder auch Einzelpersonen der möglichen
Rache oder Belästigung durch die Polizei auszusetzen.
Eine der Aktionen, die nach dem sogenannten Frieden, nach dem
sogenannten Krieg begonnen haben, ist eine Unterschriftensammlung,
um den Rücktritt von Milosevic zu fordern. Das ist eine Arbeit,
die wir auf der Straße organisieren, und die darauf abzielt
zu sehen, wie sich die Leute fühlen, was die Leute denken,
und wir wissen, daß wir damit nichts erreichen können,
es ist nicht der erste Versuch, diese Unterschriftensammlung durchzuführen,
wir haben das schon einmal getan, also wir, die Nichtregierungsorganisationen,
wir haben sehr viele Unterschriften gesammelt, mit Adressen und
allem drum und dran, und es ist uns aber nie gelungen, irgendetwas
in Bewegung zu setzen.
Was Women in Black angeht, wir versuchen mit der Situation fertig
zu werden. D.h., wir versuchen, unseren Jahresbericht herauszugeben
und darüber nachzudenken, wie wir Jahrestreffen festlegen
könnten, es wurde bisher auf Oktober verschoben, vielleicht
wird das noch weiter nach hinten verschoben, und es gibt auch
eine andere Gruppe, die jetzt Youth Social Action heißt,
eine Jugendgruppe, es ist die gleiche Gruppe junge Leute, die
letztes Jahr in 145 Städten in Serbien Aktionen durchgeführt
haben gegen den Krieg. Und es wurden sehr viele Broschüren
ausgegeben und jetzt sind ähnliche Aktionen geplant, denn
oft wird gefordert, daß - von vielen Menschen wird gefordert,
daß Milosevic zurücktritt, aber das allein genügt
nicht. Wenn Milosevic abtritt, die alte Struktur aber beibehalten
bleibt, das ist sowieso eine halb mafia-ähnliche Struktur,
dann wird sich nichts ändern.
Wir versuchen, die Leute zu ermutigen, mit dieser neuen Aktion
darüber nachzudenken, was sie wirklich wollen und wer ihre
Interessen vertreten kann, ohne aber irgendetwas vorzuschlagen.
Es gibt auch eine Frauengruppe, die versucht - im Kosovo sind
sie aktiv und in Serbien - und versuchen Mahnwachen abzuhalten
und den Dialog mit den Menschen aufzunehmen. Das ist eine andere
Möglichkeit miteinander in Kontakt zu treten. Und ich denke,
daß ist auch sehr wichtig. Wir hatten vor dem Krieg sehr
engen Kontakt untereinander mit unseren FreundInnen mit den Kosovo-AlbanerInnen.
Vielen Dank.
Dorie Wilsnack: Vielen Dank. Howard.
Howard Clark: Ich werde mich erstmal selbst vorstellen.
Ich bin Howard Clark. Ich habe bei WRI im Büro im Jahre 85
bis 97 gearbeitet, d.h. also ich habe mich intensiv mit der Frage
der Balkan-Krise beschäftigt und ich habe mich seitdem mit
der Kosovo-Krise beschäftigt und ich schreibe auch ein Buch
über den gewaltlosen Widerstand und ich bin relativ optimistisch
bezüglich bestimmter Ideen, ich war also seit dem Krieg nicht
mehr im Kosovo. Aber natürlich habe ich diesbezüglich
viel zu sagen.
D.h. ich hab hier neun Überschriften hier. Ich habe die Christine-Techniken
noch nicht so richtig gelernt, aber na ja, wie auch immer. Also
soweit ich weiß haben wir uns beim Ratstreffen in Berlin
im Jahre 1990 zum ersten Mal mit der Kosovo-Krise befaßt
und damals hatten wir einen ganz vagen Vorschlag, und das war
einfach nicht substantiell genug für eine Solidaritätsaktion
mit einer Gruppe im Kosovo, die sich Youth Parliament nannte.
Das war, nachdem sie die Autonomie verloren hatten. Wir haben
dann die Ratsmitglieder gefragt, sich darum zu kümmern und
sich da mehr drum zu bemühen, aber man war da nicht so richtig
am Ball. Und dann hat sich daraus ein weiterer Vorschlag entwickelt,
und zwar bezüglich der Organisation eines Seminars bezüglich
der Gewaltlosigkeit auch in Zusammenarbeit mit dem Rat für
Menschenrechte im Kosovo. Wir haben einige Diskussionen darüber
geführt bevor man dann auf deren Seite die Einstellung hatte,
daß das zu riskant wäre, daß man provozieren
würde damit, und so wurde das ganze dann ganz abgeblasen
von ihnen aus.
Die nächste Initiative, die darauf folgte, die wirklich wichtig
war eigentlich, war dann im Zusammenhang mit dem Balkan Peace
Team. Und das war eine Initiative, die dann auch das Kosovo Peace
Team genannt wurde, diese Initiative kam vom Bund für Soziale
Verteidigung hier in Deutschland. Und man wollte hier ein Modellprojekt
erstellen für gewaltlose Intervention durch die der Krieg
vermieden werden könnte. D.h. es war als ein viel größeres
Projekt gedacht als es dann am Ende wirklich war. Also sowohl
bei der WRI als auch beim International Fellowship of Reconciliation
haben wir erkannt, daß es ein Fehler war zu denken, daß
Gruppen mit nur beschränkten Ressourcen auch eine Wirkung
haben könnten. D.h. also eine Kriegspräventionsstrategie
war das, wonach wir suchten, d.h. also diese Feuerwehraktion,
kurz vor dem Ausbruch des Krieges, das haben wir erkannt, daß
das nicht besonders sinnvoll war. Und das war doch immer unsere
Priorität.
D.h. neun Jahre jetzt nach unserer ersten Diskussion auf der Ratssitzung,
wir haben schon im Jahre 1990 gewußt, daß dies eine
sehr gute Möglichkeit war, gewesen wäre, d.h. wir müssen
sehr nüchtern betrachten, was die pazifistische Bewegung
zu sagen hat, und was nun die Gewaltlosigkeit im internationalen
Rahmen hier anzubieten hatte.
Der zweite Punkt, den ich hier erwähnen möchte, ist,
daß es sehr wichtig, um die Situation zu verstehen, auch
anzuerkennen, daß eines der Hauptelemente in der albanischen
Strategie, und das der Haupthebel für die Veränderungen
durchaus der internationale Druck und die internationale Unterstützung
war. Man wollte das ganze internationalisieren, es war sehr viel
wichtiger, mit den internationalen RepräsentantInnen zu sprechen
als eigentlich mit den SerbInnen selbst, oder den serbischen Alliierten
in Jugoslawien. Das stimmt vielleicht nicht für alle AktivistInnen
im Kosovo, das ist aber eine Verallgemeinerung, die ich auch in
meinem Buch durchaus verteidige und auch hier, wenn dies nötig
sein wird. D.h. den eigentlichen Nachbar nicht zu berücksichtigen
und sich wirklich an die internationale Gemeinschaft zu richten
oder zu wenden, das war unser Fehler. Vor allem angesichts der
Ereignisse aus dem Jahre 1989, es sollte uns doch bewiesen haben,
daß gerade Gewaltlosigkeit die beste Art und Weise ist,
also ich beziehe mich hier auf den Fall der Berliner Mauer und
der Mauer zwischen Ost und West insgesamt. Und danach haben wir
gesehen, daß ein Hauptfaktor dafür, warum wir uns abgewandt
haben von der Gewaltlosigkeit die Enttäuschung darüber
war, daß wir nicht direkt internationale Unterstützung
erhalten haben. Eines der großen, sogenannten „als
ob"-Strategien war, daß man immer wieder berichtet
hat, daß Rugova den oder den Botschafter getroffen hat,
oder eine Mission von da und da, und daß er das und das
gesagt hat, usw. D.h. also er hat eine gewisse Glaubwürdigkeit
gehabt in der Kosovo-Bevölkerung, d.h. man hatte den Eindruck,
daß der Kosovo wirklich international angehört wird.
Aber, Dayton hat das ganze widerlegt und das ganze war durchaus
überschattet vom Krieg in Bosnien. Es gab also eine neue
Welle der Frustration und es gab hierauf verschiedene Reaktionen.
Die Reaktion, die uns am meisten ermutigt hat, war die der aktiven
Gewaltlosigkeit vor allem am besten Beispiel im Jahre 97 der StudentInnenbewegung,
damals 97 im Herbst.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die UÇK, die Kosovo Befreiungsarmee,
das war eine nur sehr kleine Gruppe bis zum Ende des Jahres 97
oder Anfang 98. [Angriffe der UÇK, Reaktion der jugoslawischen
Armee, die dann] gegen die UÇK eingegriffen haben in der typischen
Art und Weise und dann natürlich auch zu Greueltaten übergingen
und Massakern und derartigen Dingen. Dann hat sich die Meinung
vollkommen geändert insgesamt in der albanischen Bevölkerung.
Es gab immer noch Leute, die sich mit Gewaltlosigkeit beschäftigen
wollten, man hatte immer noch Pläne, Seminare abzuhalten
bezüglich der Gewaltlosigkeit und dieser Strategien, und
auch im letzten Sommer, Alban Kurti, das ist einer der leitenden
Studenten in der Studentenbewegung, der hat sich bis dahin noch
mit Gewaltlosigkeit beschäftigt. Aber die LDK wurde eine
hierarchisch strukturierte Gruppe, und diese hat einfach die Fähigkeit
verloren, wirklich die Initiative zu ergreifen, und die UÇK hat
immer mehr die führende Rolle übernommen. D.h. sie haben
in gewisser Weise eine bestimmte Art Schutz für bestimmte
Leute angeboten aber was sie eigentlich gemacht haben, war wirklich
die Provokationen hervorzurufen und das hat letzten Endes auch
zu ethnischen Säuberungen geführt bereits im letzten
Sommer.
Dann gab es eine Pause im Oktober, es kam zum Waffenstillstand,
und da hat man versucht 2000 BeobachterInnen dort abzustellen
um diesen Waffenstillstand zu überwachen. Ich möchte
das jetzt nicht näher bewerten wie das damals war mit der
OSZE-Mission im Kosovo, das wichtigste dabei, was wir anerkennen
müssen, ist daß es nicht unbedingt die OSZE war, die
man hierfür verantwortlich machen muß, daß diese
Mission gescheitert ist, sondern es war dieser ganze Zyklus der
Provokation und der Reaktion darauf der UÇK und den serbischen
Sicherheitskräften auf der anderen Seite. Wir wissen, was
bei einem Waffenstillstand passiert. Jeder versucht irgendwie,
diese Militärpause wieder auszunutzen um ihre Militärkräfte
wieder aufzubauen. D.h. die UÇK ist dann wieder in einige Dörfer
zurückgekommen, es gab Dörfer, die haben gesagt „wir
wollen euch nicht, nein, wir machen's lieber ohne euch, wir brauchen
eurern Schutz nicht", und einige sind auch wieder rausgeworfen
worden, es gab auch die Führer manchmal der LDK in verschiedenen
Dörfern, die wurden dann auch gefangengenommen, einige Namen
könnte ich ihnen davon nennen, aber es gab auch andere Geschichten
wo irgendwelche Arten von Aktionen unternommen wurden diesbezüglich,
und es war also ganz klar ersichtlich, daß dies eine sehr
gefährliche Art der Befreiungsbewegung war. D.h. also eine
Befreiungsbewegung, die durchaus sehr stark undemokratische Tendenzen
aufzuweisen hatte. Und Elemente, die durchaus mit gangsterartigen
Tendenzen zu vergleichen sind. Und das war also all das was vor
Rambouillet passiert ist. Diese beiden Kräfte, die gegeneinander
gekämpft haben im Kosovo. Und das war also das, was den Krieg
so gut wie unvermeidbar gemacht hat.
Ich werde also jetzt nicht über den Krieg selbst sprechen,
sondern direkt übergehen zu der Situation, zu der der Krieg
geführt hat. Einige Zahlen der UN: es gibt hier Zahlen wie
z.B., daß 60.000 Häuser so gut wie ganz zerstört
waren, und daß über 100.000 Häuser einfach nicht
mehr bewohnbar waren, dann gab es auch sehr starke Zerstörungen,
was die Wasserversorgung angeht, denn z.B. sind viele Brunnen
einfach vergiftet worden durch tote Körper, die einfach darin
lagen. 170 Menschen wurden unbekannterweise einfach durch Minen
getötet oder durch Splitterbomben oder andere noch nicht
explodierte Sprengkörper, die noch herumlagen. D.h. also,
60 % Minen davon und 40 % durch Splitterbomben.
Viele Tausende von albanischen Gefangenen sind noch in serbischen
Gefängnissen. Ich hab Alban Kurti genannt vorhin, oder aber
dann auch - oder andere wie z.B. die Präsidentin der Liga
der albanischen Frauen, Flora Brovina. D.h. also es gab von vielen
verschiedenen Leuten durchaus die Verpflichtung, das ganze mit
Gewaltlosigkeit durchzuführen.
Wir haben vorhin über die Familienstruktur der AlbanerInnen
etwas gehört. Und es gibt hier einen gewissen Kodex und dieser
wurde dann seit dem Mittelalter weitergegeben über die Generationen
hinweg und ich würde sagen, daß dieser Kodex wohl heutzutage
wohl keine Anwendung mehr finden sollte und auch nicht mehr findet
teilweise. Werte werden dadurch verletzt in gewisser Weise und
dieser Kodex ist sehr streng in Bezug auf die religiöse Seite
und der Respekt dieser Religion.
Ich habe das Gangstertum und die gangsterartigen Tendenzen genannt.
Und jetzt gibt es eine noch viel größerer Ausbreitung
dieser Tendenz. D.h. also, man versucht z.B. auch SerbInnen zu
vertreiben, serbische MieterInnen aus Häusern zu vertreiben
und dann die AlbanerInnen dort wieder anzusiedeln. All derartige
Tendenzen, und die Soldaten geben jetzt auch ihre Waffen nicht
ab am Ende des Krieges. Aber teilweise werden die Waffen abgegeben,
aber trotzdem gibt es diese Rachewellen, aber trotz dieser Rachewellen
ist es nicht so, daß diese Racheakte nur gegen Leute gehen,
die wirklich Kriegsverbrecher waren. Diese 14 Leuten damals z.B.
vor kurzer Zeit, die umgebracht wurden, das waren überhaupt
keine, die irgendwas mit dem Krieg zu tun hatten wahrscheinlich,
es gab hier überhaupt keine Anschuldigungen gegen sie, d.h.
sie waren Leute mit reinem Gewissen, die weiterhin im Kosovo leben
wollten, sie wollten friedliche Koexistenz mit den AlbanerInnen
haben.
Die Führung der UÇK fordert nun Veränderungen und meint
das auch so. Aber es gibt hier verschiedene Ebenen, und die Situation
ist sehr unterschiedlich, je nachdem, von welcher speziellen Ebene
wir sozusagen sprechen.
Ich wollte eigentlich noch viel über andere ethnische Gruppen
sagen, aber das überspringe ich jetzt hier. Ich möchte
jetzt was hier über die orthodoxe Kirche sagen. Die serbische
orthodoxe Kirche war immer auf eine Friedenspolitik im Kosovo
bedacht, sie wollen den Kosovo serbisch erhalten, aber sie wären
doch bereit sich anzupassen an das, was eben möglich ist
im Rahmen eines friedlichen Zusammenlebens. Die Führung der
orthodoxen Kirche ist im Moment eine der wenigen Hoffnungen auf
friedliches Zusammenleben und die Möglichkeit dafür,
d.h., im Moment ist es so, daß die Kirche wirklich als Symbol
gesehen wird für den Anspruch Serbiens auf den Kosovo.
Weiterhin möchte ich etwas über die internationale Seite
sagen. Es gibt immer noch diese albanische Einstellung, unter
den jungen Menschen oder auch generell, d.h. andere Leute werden
vielleicht das Problem für uns lösen. D.h. das widerspricht
total dieser Selbstorganisation unter den AlbanerInnen, z.B. gab
es einen Newsletter der UÇK, und darüber hat man sich da
sehr beschwert. Aber es gab hier überhaupt keine Vorbereitungen
darauf. Wenn wir uns einmal ansehen, daß die OSZE wirklich
eine Polizeikraft für den Kosovo schaffen wollte - Rambouillet
hat im Februar stattgefunden, und man hat überhaupt nicht
gemacht, bis zum Ende des Krieges. Und jetzt sieht man vor, daß
die ersten Trainingskurse entweder diese oder nächste Woche
stattfinden werden. Man hat hier die Rekruten aus Albanien, die
sich dafür bereit erklärt haben, aber man hat überhaupt
keine Trainer hierfür, man hat all das noch nicht voll entwickelt,
d.h. also, diese Planung des Kontingents, d.h. also diese Regierungsressourcen
sollten eigentlich zur Verfügung gestellt werden, d.h. also
es sollte irgendwie möglich sein, dies zu arrangieren, ohne
daß die Leute auf irgendwie Überstunden arbeiten müssen
oder auf ihren Urlaub verzichten müssen, d.h. ich bin jetzt
sehr ängstlich, was Dorie hierzu sagen wird.
Dorie Wilsnack: Ich möchte erst einmal all unseren
SprecherInnen herzlich danken, denn ich fand, daß ihre Präsentationen
sehr informativ waren, und auch irgendwie sehr ernüchternd
auf der einen Seite aber auch eine große Herausforderung
darstellten für uns alle. Ich möchte jetzt all ihnen,
die hier jetzt ganz leise gesessen haben und zugehört haben,
die Chance geben hier auch ihre eigenen Kommentare abzugeben oder
ihre eigenen Erfahrungen uns zu berichten oder Fragen zu stellen.
Und wie ich am Anfang schon gesagt habe, wenn wir jetzt vielleicht
15 Minuten uns vielleicht auf die vergangenen Erfahrungen konzentrieren,
auf die geschichtliche Entwicklung, auf die Informationen, die
sie hier erhalten haben, dann werde ich sie dann, nach ungefähr
15 Minuten, sie darum bitten sich jetzt auf die Zukunft zu beziehen.
Aber jetzt haben wir eine Fragesession.
Christine Schweitzer (Deutschland): Auf deutsch. Dann haben
auch unsere deutschen ÜbersetzerInnen was zu tun. Ich habe
zwei Fragen, eine an Bojan sehr konkret. Du hattest erwähnt
einen Friedensplan der orthodoxen Kirche. Könntest Du kurz
etwas über die Inhalte des Plans sagen.
Und das zweite wäre eine Anmerkung zu Howards Präsentation.
Ich hab etwas Probleme mit dem Begriff „ethnic cleansing"
und würde eigentlich bevorzugen, daß wir das aus unserem
eigenen Vokabular streichen. Aber davon abgesehen. Ich glaube,
daß man nicht ohne weiteres davon sprechen kann, daß
1998 die gleiche Situation im Kosovo herrschte wie 1999. Ich hab
mal versucht anhand von Zeitungsberichten zum einen und zum anderen
von offiziellen Berichten von internationalen Agenturen zu verfolgen,
was eigentlich genau letztes Jahr passiert ist, und bin dabei
sehr auf einen zu engen Zusammenhang gestoßen zwischen Kämpfen
zwischen der UÇK und dem jugoslawischen Militär bzw. serbischer
Polizei, jugoslawischem Militär und UÇK. Also daß die
Fluchtbewegungen, die es natürlich gegeben hat, mit über
500.000 Flüchtlingen im Höhepunkt, oder Vertriebenen,
im Sommer/Frühherbst 1998 aber doch unmittelbar im Zusammenhang
mit diesen Kämpfen standen, was für dieses Frühjahr
während der Zeit der NATO-Angriffe halt nicht galt. Insofern
würde ich davor warnen, und das ist ja genau ein Teil der
NATO-Propaganda, die nachträglich zur Rechtfertigung der
NATO-Angriffe eingefügt wurde, daß gesagt wurde, 1998
spielte sich schon das gleiche ab, und deshalb mußten wir
das jetzt endlich stoppen. Daß das in meinen Augen nicht
stimmt. Was nicht rechtfertigen oder schönreden soll, was
1998 passierte. Aber ich habe keine Anzeichen dafür gefunden,
daß es 98 einen systematischen Plan einer Vertreibung aller
Albaner aus dem Kosovo gegeben habe.
Dorie Wilsnack: Also wir werden jetzt einige Kommentare
hier aufnehmen und dann bitten wir die Leute hier auf dem Podium
darauf zu reagieren.
Gwyn Gwyntopher (Großbritannien): Ich möchte
nur eine kurze Frage stellen. Könnten Sie uns sagen, wo das
WRI irgendwie Kontakt mit Kosovo-Albanern hat oder irgendwie Unterstützung
von Gruppen in dieser Gegend erhält?
Alberto Estefania (Baskenland): Ich habe eine ganz konkrete
Frage. In Bilbao haben wir uns mit einem Intellektuellen in Kontakt
gesetzt, der im Kosovo war. Und uns wurde gesagt, daß das
eine sehr vertrauenwürdige Quelle war. Er hat uns gesagt,
was uns sehr überrascht hat, was unsere Perspektive sehr
verändert hat, und ich wüßte nun gerne, ob jemand
von hier das bestätigen kann, oder ob das nicht stimmt. Dieser
Mann hat uns also gesagt, daß in dem Vertrag von Rambouillet,
daß damals Milosevic bereit gewesen ist, Kosovo die Autonomie
zu gewähren. Und daß das eine Invasion, also eine Friedensintervention
nicht nur im Kosovo sondern in ganz Serbien. Was dieser Mann uns
also sagte, daß seiner Meinung nach ihm das direkt Menschen
gesagt haben, die an den Verhandlungen von Rambouillet teilgenommen
haben. Ich wüßte jetzt gerne, ob jemand hier Informationen
aus erster Hand hat, um zu bestätigen, ob das stimmt oder
nicht.
Dieudonne Kambilo (Kongo/Deutschland): Ich werde französisch
sprechen. Wir haben unsere Arbeit auf die NATO konzentriert bisher.
Diese NATO ist für uns in Afrika etwas, das wir durch die
Geschichte kennengelernt haben, was wir in der Schule gelernt
haben. Wir hätten niemals geglaubt, daß eines Tages
die NATO diese Bombardierungen durchführen würde, daß
sie einen Bombenregen auf ein Land niedergehen lassen würde.
Weil, wenn wir Afrikaner sehen, was dort geschah, daß Amerika
alle europäischen Länder mit sich gezogen hat, in seiner
autoritären und militaristischen Aktion, um zu tun, was sie
im Kosovo getan haben, dann ist das für uns eine sehr schmerzhafte
Erfahrung. Wir wollen wissen, warum? Was hat die NATO-Mitgliedsstaaten
dazu gebracht? Oder was würden die NATO-Mitgliedsstaaten
tun, wenn die NATO auf einmal beschließen würde, Amerika
zu bombardieren? Wir würden gerne die Antwort auf diese Frage
hören.
Und wir wollen auch wissen, warum die NATO nicht in Afrika interveniert,
mit den ganzen Konflikten, die sich gerade in Afrika abspielen.
Alle diese Fragen gehen über unser Verständnis hinaus.
Wir wissen nicht, ob wir die Antwort auf diese Frage finden können.
Vielleicht ist das eher eine metaphysische Antwort. Vielen Dank.
Dorie Wilsnack: Vielen Dank. Eine weitere Frage hier
unten, und dann werden wir die Kommentare und Antworten vom Podium
hören.
Hans Feddema (Niederlande): Ich frage mich, welche Fehler
wir im Westen bezüglich des Kosovo-Problems gemacht haben,
und in Bezug auf Rugova auch. Aber auch wir als Friedensbewegung
haben vielleicht einen Fehler gemacht bezüglich Rugova, denn
wir haben ihn niemals kritisiert dafür, daß er in seinem
gewaltlosen Ansatz nicht sich an die serbische Opposition gewandt
hat, und er eben nur nach außen gegangen ist und sich eben
nur an die internationale Gemeinschaft gewandt hat. Die Vojvodjina-Ungarn
z.B. sind andererseits eine Lektion, die Rugova gelernt hat, denn
sie haben sich an die serbische Opposition gewandt, d.h. was ist
also der Unterschied zwischen der Vojvodjina-Minderheit und der
Kosovo-Opposition, also war es ein Sprachproblem oder war es die
Opposition der SerbInnen, die damit etwas zu tun hatte, damit,
daß diese Kluft so enorm war. Das war also meiner Meinung
nach ein Riesenfehler der gewaltlosen Politik von Rugova.
Und was nun Rambouillet angeht. Hier gab es überhaupt keine
Option für einen Bodenkrieg für den Westen. Und auch
keine andere Möglichkeit als eben die Luftangriffe, weil
das einfach nicht funktioniert hätte, d.h. also warum hat
man dann nicht am Anfang versucht die Russen mehr einzusetzen,
und diese mehr einzusetzen dafür, daß man von den Serben
wieder mehr abverlangen konnte, und die Serben wieder zum Einlenken
bringen konnte. Das ist die Frage.
Dorie Wilsnack: Jean-Paul, und dann werden wir zurück
zum Podium kommen.
Jean-Paul Simon (Frankreich): Rambouillet ist in Frankreich,
und ich kann ihnen sagen, daß selbst die Journalisten kaum
Zugang zu dem hatten, was dort passiert ist. Frau Albright hat
sozusagen ihre Bedinungen Milosevic diktiert. Er war verpflichtet,
diesen Vertrag zu unterzeichnen, sonst hätte es schwerwiegende
Konsequenzen gehabt. Alles war also ganz geheim, nicht einmal
Journalisten hatten Zugang.
Dorie Wilsnack: Okay. Wer möchte von den PodiumssprecherInnen
hier jetzt einige Fragen beantworten?
Bojan Aleksov: Okay, hier einmal die Frage von Christine,
was den Friedensplan angeht der orthodoxen Kirche, und dann eine
andere Antwort auf die Frage bezüglich des Unterschied zwischen
Vojvodjina und Rugova auf der anderen Seite, also diese Kritik
an Rugova, was sie eben erwähnt hatten.
Also im Gegensatz zur Politik Milosevic's, und da muß ich
natürlich zugeben, daß diese für viele Menschen
völlig unverständlich war, und wirklich gegen jegliche
Versuche gerichtet war, wirklich dieses Problem zu lösen,
das Problem im Kosovo natürlich, und wie Howard ja schon
gesagt hat, gab es hier die ganz klare Definition der Sache auf
der Seite der orthodoxen Kirche, die den Kosovo als ihr Jerusalem
oder ihr heiliges Land sah, und es war auch ganz klar, also damals
meine ich, daß die Situation so nicht fortgesetzt werden
konnte, und daß wir ganz sicher eine Lösung des Kosovo-Problems
brauchten, was dann die weitere Existenz der Kirche dort gewährleisten
würde, und anderer Einrichtungen in dieser Gegend.
D.h. also, was man vorschlug war folgendes: man sah eine völlige
unabhängige Regierung für die Kosovo-Albaner im Kosovo
als ethnische Mehrheit vor, keine völlige Unabhängigkeit,
aber doch eine autonome Regierung. Weiterhin sah man folgendes
vor: ich glaub das war schon 97, also ein weiterer Vorschlag war,
daß man das ganze Land in kleine Länder, Bundesländer
sozusagen, unterteilte oder Distrikte, wo dann eben die Serben
die Mehrheit hatten, und so wollte man so sechs oder sieben sogenannte
Kantone einrichten, d.h. die dann bestehen aus diesen serbischen
Dörfern, die um bestimmte Klöster herum zu finden waren,
und dann weiter fünf größere Städte im Kosovo,
das war eine weitere Unterteilung, wo dann die Serben auch einen
größeren Bestandteil der Bevölkerung ausmachen
würden. Das war also der Vorschlag. Und dieser war dann von
vielen sofort verurteilt worden als ein Vorschlag der Teilung
und der ethnischen Teilung usw also. Das zum einen.
Und dann war die zweite Frage die bezüglich der unterschiedlichen
Position der Vojvodjina auf der einen Seite ethnischen Albaner,
also im Kosovo. D.h. es gibt natürlich viel mehr Albaner
im Kosovo, und die Unterdrückung und die jüngste Geschichte
war dort einfach ganz anders. Aber so wie ich das vorhin schon
bei dem Beispiel von Bosnien gesagt hab', obwohl es hier auch
Zeiten extrem blutiger Konflikte dort gegeben hatte in der Geschichte,
gab es hier doch auch Zeiten des friedlichen Zusammenlebens, d.h.
also, es gab also dieses friedliche Zusammenleben in der Geschichte,
wie gesagt, und es gab inter-ethnische Ehen usw., d.h. also in
der Vojvodjina war das jetzt, d.h. das war eine ganz andere Situation
dort. Aber ich glaube, daß es durchaus Grund zu Kritik gibt
an Rugova dafür, daß er sich eben nicht an die serbische
Opposition gewandt hat, ganz egal, wie nationalistisch diese Opposition
auch war, egal was nun ihre Vorschläge gewesen waren, oder
welche Art von Lösungen sie nun vorgeschlagen haben, die
nun aber doch sich unterschieden von den Vorschlägen des
Regimes. Demaci z.B., der ist ja viel radikaler als Rugova selbst,
und der hingegen hat wirklich versucht, sich an die Kirche zu
wenden, und auch an die Opposition und deren Repräsentanten
usw., d.h. also hier gab es durchaus Versuche von Seiten moderater
Politiker unter den Kosovo-Albanern sich wirklich an diese zu
wenden, und diese Dinge zu diskutieren, nicht unbedingt um auf
politischer Ebene irgendwie zusammenzuarbeiten und zu interagieren,
aber es gab durchaus Ansätze, aber nicht bei Rugova. Aber
die UÇK war einfach nicht fähig sich auch dort zusammenzusetzen
mit der Opposition, also den Nachbarn in Serbien.
Zorica Trifunovic: Einige Fragen hier noch, also natürlich
versuchen wir alle irgendwie mit dieser Situation umzugehen, versuchten
das damals, und ich möchte kurz Bezug nehmen auf eine ihrer
Fragen. Ich möchte kurz etwas zu den Russen sagen, das war
doch Teil der Frage, die Rolle der Russen insgesamt. D.h. die
Rolle der Russen war irgendwie etwas mit Milosevic zu sprechen
und hier etwas zu erzielen. Natürlich war es eine Situation
von zwei Mächten, und diese wollten international mehr Aufmerksamkeit
erwecken, denn in diesem Konflikt oder Krieg, wie man das auch
immer nennen mag, war auf der einen Seite die NATO, und auf der
anderen Seite Kosovo und Jugoslawien, und das war alles, d.h.
sie mußten also irgendwie eine andere Rolle spielen und
das war natürlich sehr gut für Russland, d.h. Russland
mußte offiziell hier agieren in Bezug auf Milosevic. Wir
werden vielleicht erst sehr viel später die Auswirkungen
dessen in unserem Leben erkennen können, und es wird uns
sehr überraschen.
Howard Clark: Also ich möchte hier noch einmal auf
diese Kantonbildung zurückkommen, die wir eben erwähnt
haben. Vielleicht einmal im Kontext der Beziehungen zur serbischen
Opposition. Die serbische Opposition hat wirklich keine gute Geschichte
in Bezug auf den Kosovo, netter kann ich's nun wirklich nicht
ausdrücken. Die Women in Black hat einen sehr guten Hintergrund
und eine sehr gute Geschichte, was nun die Beziehung zum Kosovo
angeht, schon seit dem Jahr 94. Vorher war das ganze überschattet
von den anderen Kriegen. Das Humanitarian Law Center hat auch
sehr gute Erfolge gehabt in Bezug auf den Kosovo, weil man hier
Menschenrechtsdokumente erstellt hat. Also Draskovic oder Zoran
Djindjic, all diese Namen, tja, püff, wenn man die anschaut,
da kann man keine besonders guten Erfolge in Bezug auf den Kosovo
sehen. Aber jeder Kosovo-Albaner, also jeder Politiker dort, der
sich an die Serben gewandt hat, war dann wirklich offen für
den Angriff und sehr verletzbar dadurch. D.h. also im Falle der
orthodoxen Kirche war es wirklich sehr unglücklich, daß
man diese Kosovo-Frage nie angegangen ist bis man sich wirklich
nach den Studentendemonstrationen gegen die Brutalität der
Polizei gewandt hat. Die StudentInnen haben dann darauf reagiert,
und diese Reaktion war nicht sehr intelligent, und das war sehr
typisch für die allgemeine Einstellung damals im Kosovo.
D.h. wir sprechen über einige kleine Gruppen, die sehr mutig
und sehr tapfer waren innerhalb der serbischen Opposition, aber
das waren alles Gruppen, die einfach nur leider wenig Einfluß
hatten.
D.h. unsere Kontakte von WRI im Kosovo, also von uns aus kann
man jetzt nicht unbedingt sagen, daß wir irgendwie Unterstützung
dort erhalten haben. Aber natürlich gibt es dort freundschaftliche
Beziehungen zwischen Serben, also serbischen KriegsgegnerInnen
und AlbanerInnen, und das sind Beziehungen, die sich über
Jahre hinweg entwickelt hatten. Vor einigen Tagen hab ich wirklich
mal gezählt, wie oft die WRI-Mitglieder bis - also zwischen
90 und 94 dort im Kosovo waren, und ich hab hier zwölf Länder
aufgezählt, d.h. ich hab mir dann überlegt, ich muß
mal rumfragen wer von wo wirklich da war. D.h. es gibt zwölf
Mitgliedsorganisationen, die wirklich im Kosovo aktiv waren und
dort hingefahren sind, und es gibt eben diese Beziehungen auch
jetzt nach dem Krieg, also Leute, mit denen man sich unterhalten
kann, und die immer noch daran interessiert sind, Frieden zu schaffen.
Aber in welcher Position sie sich in ihrer Gesellschaft befinden,
das ist eine andere Frage. Das wissen sie wohl selbst noch nicht
so genau.
Was die ethnische Säuberung nun angeht. Also sehr viel hängt
davon ab, wie genau man ethnische Säuberung nun definiert.
Im Jahre 1912, als die serbischen Armeen im Kosovo einmarschiert
sind, ich glaube, da gab es schon ethnische Säuberungen dadurch,
daß man Dörfer niedergebrannt hat und daß man
wirklich ganz konsequent diese serbische Politik in unserem Jahrhundert
fortgesetzt hat, um das politische Gleichgewicht im Kosovo zu
verändern. D.h., diese Häuser, die angezündet wurden,
das waren auch Leute, jetzt, die überhaupt nichts mit den
Kämpfen zu tun hatten, d.h. also, man muß hier ethnische
Säuberungen wirklich ganz strikt definieren, und in dieser
Definition hat das im letzten Jahr nicht wirklich existiert, d.h.
ich definiere das nicht ganz so eng. Das war alles erstmal von
meiner Seite.
Und vielleicht Alberto, was Du gesagt hast über Rambouillet.
Und was Jean-Paul gesagt hat, daß Albright diejenige war,
die alles in der Hand hatte. Das kann ich so nicht hinnehmen,
sorry, muß ich einfach so sagen. D.h. ich habe einfach diesen
Prozeß verfolgt, und ich habe gesehen, wie schwierig es
überhaupt war, daß eine albanische Delegation überhaupt
in Rambouillet teilgenommen hat. D.h. die Albaner hatten wirklich
ganz eng gesetzte Bedinungen, es gab hier eine enorme Lähmung
in der politischen Szene in Albanien bzw. unter den Albanern im
Kosovo. D.h. es hätte wohl überhaupt diese Gespräche
in Rambouillet nie auf einer anderen Basis geben können,
d.h. wir hätten vielleicht einen Schritt zurückgehen
müssen und irgendwie eine ganz andere Art von Friedensschaffung
einsetzen müssen. Aber natürlich hat die USA vor Rambouillet
versucht, den albanischen Unterhändlern etwas zu verkaufen
und wirklich zu vermitteln, die Frage der Autonomie, natürlich
ist das etwas, was man ihnen - war das ein Zugeständnis von
Seiten Milosevic, das ist vielleicht noch ein größeres
Zugeständnis von Seiten der Albaner, diesem zuzustimmen.
Und was die NATO-Truppen in ganz Jugoslawien angeht, und daß
es überhaupt erlaubt war. Ich möchte mich dem entgegenstellen,
also man hat sich ähnlichen Dingen in Bosnien nicht entgegengestellt.
Ja vielleicht war es nicht das gleiche, klar, aber der Grund,
das ganze zurückzuweisen, war, daß das Regime Milosevic's
es nicht wirklich den Albanern erlauben würde, irgendeine
Art von Selbstbestimmung zu erlangen ohne einen Krieg.
Dorie Wilsnack: Ich könnte jetzt hier eine Diskussion
starten, und ich denke, Sie sollten sie besser an der Bar fortsetzen.
Ich denke, es wäre eine große Versuchung jetzt hier
in diese Kleindiskussion zu verfallen, und dann werden wir schließlich
nur noch einige wenige Minuten für die schwierigen Themen
haben, für uns selbst. Was planen wir jetzt für die
Zukunft? Ich glaube, uns wurden einige sehr schwierige Situationen
ins Gedächtnis gerufen. Wie bereits beschrieben wurde, daß
die Nichtregierungsorganisationen in Serbien wieder ganz von vorne
anfangen müssen. Es wurde gesagt, daß das soziale Netz
völlig zerstört wurde, daß hier ein Teufelskreis
der Rache sich hier in Bewegung gesetzt hat, und daß viele
WRI-Sektionen, die Anfang der 90er Jahre in der Region entstanden
sind, daß es auch jetzt wieder einen Versuch zum Dialog
gibt zwischen Serben und Albanern in der Region. Ich möchte
also hier einige Fragen an euch alle richten. Und ich würde
gerne von jemandem von euch hören, ob ihr denkt, daß
es eine Priorität ist, oder auch wichtig für eure Friedensgruppe,
für euch selbst oder für die WRI-Sektion, sich weiterhin
auf die Bedürfnisse dieser Region zu konzentrieren. Welche
Möglichkeiten sehr ihr für diese Arbeit? Und da wir
uns ja auf Strategien konzentrieren, welche Art von Bemühungen
könnte vielleicht am effektivsten, am wirkungsvollsten sein?
Vielleicht sollten wir da erst ein bißchen drüber
nachdenken. Aber ich möchte Euch gleich mal warnen; wir haben
nicht mehr viel Zeit, denn wir haben mit unseren DolmetscherInnen
eine Abmachung getroffen, wenn ihr also lieber erstmal eine Pause
macht und fünf Minuten darüber nachdenkt, um auch vielleicht
mit den Nachbarn sich zu unterhalten, vielleicht ein paar Stichpunkte
aufschreiben, und dann werden wir darüber sprechen. Wir haben
jetzt nur noch 20 Minuten für diese Diskussion zur Verfügung
in diesem eher formellen Umfeld, und ich würde sie also bitten,
in fünf Minuten wieder zurück zu sein.
[PAUSE]
Dorie Wilsnack: Okay, wir haben wohl einige Leute draußen
auf der Strecke verloren. Aber trotzdem ist es wichtig, jetzt
weiterzumachen.
Also ich stelle die Frage noch einmal. Sind hier noch einige,
die sich irgendwie Gedanken darüber gemacht haben und die
uns jetzt etwas mitteilen wollen darüber, was ihre WRI-Sektion
oder ihre Friedensorganisation nun tun könnten, vielleicht
planen, oder worüber sie vielleicht nachdenken, was man tun
könnte, um auf die Situation zu reagieren, die wir heute
Abend hier beschrieben haben.
Ellen Elster (Norwegen): Also wenn man in der Region arbeitet,
dann denkt man nicht mehr darüber nach, daß man vielleicht
auch zu einer anderen Region gehört, und man muß hier
Verbindungen schaffen zwischen der Balkan-Region und dem eigenen
Land, aus dem man vielleicht kommt, um hier eine Verbindung eben
herzustellen. D.h. also, die NATO spielt eine sehr aktive Rolle
in der Balkan-Region im Moment, und wir fragen uns, wie das wirklich
gerechtfertig ist, d.h. sollten wir in unserem eigenen Land etwas
unternehmen. Einige von uns leben in Ländern, die Mitgliedsländer
der NATO sind, andere nicht, wir haben hier also die Chance, in
unserem eigenen Land etwas zu tun, um die Politik dort zu beeinflussen.
Durch das was sie jetzt uns vorhin berichtet haben hatte ich also
daraus gehört, daß es hier sehr viele Nichtregierungsorganisationen
gibt, und Beobachter, und daß die Aktionen dort sehr wenig
positive Ergebnisse mit sich bringen. D.h., das was wir jetzt
in Serbien und Kosovo brauchen, sind das neue Nichtregierungsorganisationen,
sehr viel Geld und sehr viel Finanzeinsatz, darauf brauchen wir
eine Antwort, erst einmal.
Dann haben wir ganz konkret auch darüber gesprochen, Unterstützung
für die Antimilitaristen in dieser Gegend zu geben. Wir haben
jetzt z.B. von den Women in Black gehört, und wir haben gehört,
daß sie von ganz unten alles wieder aufbauen müssen,
d.h. also wir müssen uns überlegen, wie wir hier ein
Netzwerk erstellen können, um eine Zusammenarbeit zu fördern
und diese zu unterstützen bei ihrer Entwicklung.
Dann haben wir uns Gedanken darüber gemacht, daß wir
die Aktivisten und die Deserteure im Gefängnis unterstützen
könnten, und uns so auch wieder auf diese Gegend konzetrieren
können bei unserer Liste der Prisoners for Peace.
Vesna Terselic (Kroatien): Ich spreche also jetzt für
mich selbst und für bestimmte Organisationen in Kroatien,
Antikriegsorganisationen. D.h. also bevor also jetzt diese Welle
des Krieges gestartet hatte, haben wir in unserem Zentrum für
Friedensstudien sehr stark gehofft, daß so etwas auch in
Belgrad entstehen könnte. Und in Zagreb unterstützen
wir in diesem Zentrum jetzt ein Projekt in Sarajewo, und das sollte
im September wirklich umgesetzt werden. Es sollte vielleicht nicht
wirklich realistisch sein, in Belgrad etwas solches jetzt im Herbst
umzusetzen, aber vielleicht irgendwann in der Zukunft. Wir unterstützen
also weiter diese Art des Netzwerks und wollten also ein nach-jugoslawisches
Netzwerk sozusagen, wir sehen hier sehr gute Perspektiven eines
Austauschs der Erfahrungen usw, also sowohl wirklich die Erfahrungen
der Aktivisten als auch generellen Austausch. Dann haben wir das
Zentrum für die weiblichen Kriegsopfer in Mazedonien und
im Kosovo.... {Bandwechsel}
[Leadership-Trainings mit kosovo-albanischen Frauen] Das ist etwas,
daß sich noch nicht so weit verbreitet hat. Es ist aber
mein persönlicher Wunsch, und ich bin hier ganz offen wirklich
etwas mehr Training in dieser Richtung zu unternehmen im Kosovo
z.B., also ganz grundlegende Sachen wie Beteiligung an bestimmten
Organisationen. Es gab hier schon einiges in Serbien, aber noch
nicht so sehr viel im Kosovo selbst, und man hat mich darum gebeten,
für Frauen in Führungspositionen ein bestimmtes Training
durchzuführen, aber das wurde dann nie wirklich umgesetzt.
D.h., es geht hier um ein Training für Frauen, um wirklich
neue Leute mit einzubeziehen in diesen Prozeß, und auch
den Dialog zu fördern. Was nun Jugoslawien und Makedonien
und Kosovo und Serbien angeht, also es ist natürlich immer
eine Frage des Visa, für Serbien ist das nicht so klar, ob
ich hierfür ein Visum bekomme, und die verschiedenen Schritte,
die da nötig sind, die ganzen Wünsche, Vorschläge,
usw., wir müssen hier eine politische Diskussion beginnen.
In all den verchiedenen Regionen des ehemaligen Jugoslawiens stellen
wir uns immer als die größten Opfer dar, und das ist
auch etwas, das unsere Friedensarbeit immer sehr stark gestört
hat, das ist also etwas, was ich als meine Erfahrung beitragen
könnte, und es wäre wohl sehr gut einen politischen
Dialog zu eröffnen zwischen dominanten und nicht-dominanten
Gruppen in Jugoslawien und auch die Fragen zu stellen, was war
die Rolle der Albaner und, vielleicht ist das jetzt noch nicht
der richtige Moment, aber ich weiß nicht, ob wir dabei eine
gewisse Rolle spielen können. Das hängt wirklich davon
ab, welche Wünsche seitens der Menschen in Serbien bestehen
und in der Vojvodjina.
Hans Feddema (Niederlande): Ja also, ich habe auch meine
Zweifel bezüglich dessen, was wir tun können, denn das
Militär muß jetzt seinen Job durchziehen, und Pax Christi
z.B. arbeitet auch in dieser Region und versucht auch Dialoge
zu erstellen mit anderen Gruppen in der Region, und d.h. wir müssen
jetzt Aktivitäten unternehmen in Bezug auf die Versöhnung
in dieser Gegend. Das ist vielleicht dazu noch zu früh, aber
im Moment ist der wichtigste Punkt der, daß wir uns überlegen
wie wir die Menschen vor der Rache schützen können,
also die Roma dort, auch die Serben in dieser Gegend. Es gibt
jetzt natürlich keine Polizei, das hat Howard ja vorhin schon
gesagt, das ist natürlich ganz furchtbar, daß das so
ist, daß wir also so lange darauf überhaupt warten
müssen. Die Soldaten dort sind nicht für Polizeiaktivitäten
wirklich ausgebildet. Sie können das also nicht übernehmen.
D.h. in der Friedensbewegung ist es jetzt so, daß das eine
internationale Angelegenheit wird. Man beschützt Leute in
Guatemala, Sri Lanka, überall in der Welt, und ich kann mir
irgendwie nicht vorstellen, warum es jetzt in dieser Zwischenphase
es nicht möglich ist, daß man internationale Gruppen
dort hinschickt, um dort die Serben und die Roma zu beschützen.
Denn wir müssen jetzt einfach als allerwichtigste Sache versuchen,
die Racheakte zu verhindern. Wir müssen also versuchen, Greueltaten
zu verhindern und aufzudecken, und das ist vielleicht das wichtigste.
Und das letzte was ich sagen möchte ist, daß wir Druck
ausüben müssen auf die Regierung, daß man die
Entwicklungshilfe und die humanitäre Hilfe wirklich an den
Kosovo und an ganz Serbien gibt, also ganz Jugoslawien sogar,
d.h. also das ist natürlich das, was dringend benötigt
ist, man hat eine ganz schwierige Situation durch das, was Milosevic
angerichtet hat, und wir müssen auch ganz Serbien helfen,
dem serbischen Volk natürlich..
Dorie Wilsnack: Also Christine erst und dann Rene. Und
dann vielleicht noch irgendwie jemand hier vom Podium, der sich
dann nochmal dazu äußern möchte, aber dann müssen
wir unsere Sitzung für heute Abend schließen durch
unsere Abmachung mit den DolmetscherInnen.
Christine Schweitzer (Deutschland): Ein Kommentar zu Euren
beiden Präsentationen, Bojan und Zorica. Es klang, wie ihr
die Situation heute in Serbien darstellt, alles sehr negativ und
so, also alles ist nur schlimmer geworden, es gibt keine Hoffnung,
daß sich jemals irgendwas ändert, zumindest ist es
so bei mir angekommen. Und ich hab diese Haltung auch schon früher
gehört, also eigentlich immer, wenn ich in Serbien war, egal
wann es war, es war immer dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit
und Machtlosigkeit da. Und es ist natürlich recht leicht
zu sagen von hier aus, aber ich frage mich, ob ihr nicht doch
eure eigenen Möglichkeiten für Veränderung unterschätzt,
und gerade jetzt, nach dem Krieg, ob es da nicht doch Chancen
gibt, Dinge zu ändern, die - vielleicht, weil man so gewöhnt
ist, daß man keine Macht hat - man dann nicht sieht, oder
auch Chancen nicht wahrnimmt. Wir reden ja in der War Resisters'
gerade ziemlich viel über Empowerment und diese Fragen, bereiten
eine große Konferenz dafür vor, und ich würde
mit wünschen, daß da vielleicht auch bei Euch so ein
bißchen Nachdenken darüber stattfindet, ist das wirklich
alles nur schwarz, oder wo gibt es Chancen. Wie gesagt, ich weiß,
es ist von hier aus leicht zu sagen, aber ich weiß auch
z.B. von Osteuropa, von der DDR, von anderen Ländern, daß
man auch vor 1989 fest überzeugt war, daß sich das
Regime nie ändert und alles eigentlich überhaupt keinen
Sinn hat, bis plötzlich über Nacht beinah der Umsturz
da war, und dann gerade die kleinen demokratischen Gruppen, gewaltfreien
Gruppen, im Grunde ohne Konzepte dastanden, weil man sowieso nie
daran geglaubt hatte, daß sich etwas ändern würde.
Und dann wiederum die Macht und die Entscheidung, was nach dem
Tag X passierte, den anderen überlies, denjenigen, die sowieso
schon vorher auch schon sehr viel Macht gehabt haben und dann
einfach ein anderes Mäntelchen anzogen.
Rene Bouget (Frankreich): Es ist wirklich sehr schwer,
Antworten zu finden, die wirkungsvoll sind in einer so schwierigen
Situation, wie wir sie jetzt auf dem Balkan haben. Die Reaktion,
die wir ins Frankreich zu entwickeln versucht haben, ist die gleiche
wie in allen anderen Ländern, ist die Unterstützung
von Deserteuren, indem wir versucht haben verständlich zu
machen, daß das ein ganz wichtiges Bedürfnis ist. Und
auch die Opposition vor allem zu unterstützen.
In Frankreich waren wir sehr schockiert über die Lächerlichkeit
unserer eigenen Armee, denn es hat hier eine sehr starke Manipulation
der öffentlichen Meinung durch die Medien stattgefunden.
Wir sind sehr besorgt, weil wir wissen, daß ein Franzose
jetzt vielleicht der Vertreter der UNO im Kosovo ist, Bernard
Kouchner, denn wir wissen, und wir wissen, was er kann, und wieviel
er wert ist. Und wir rechnen nicht mit ihm, um eine Region zu
leiten, wo jetzt 50.000 Soldaten der UNO stationiert sind, ohne
dabei die Russen mit dazu zu zählen. War das kurz genug?
Zorica Trifunovic: Okay, lassen sie mich hier zuerst einmal
eine Antwort drauf geben. Ich möchte ihnen hier eine kurze
Geschichte erzählen. Es gab vor kurzem Gespräche darüber,
wieviel Geld investiert wurde seitens einer Organisation aus den
Staaten, also für die Entwicklung der Demokratie oder irgendwie
sowas, sowas in der Art. Also einige Millionen Dollar für
die Opposition in Serbien. Eine Freundin aus den Staaten, sie
ist Professorin an der Universität, aber sie hat sehr gute
Beziehungen zu Serbien, und sie hat Nachforschungen betrieben
um zu sehen, wo das Geld nun hingegangen ist. D.h. man hat Leute
nach Belgrad geschickt seitens dieser Organisation, man hat hier
eine Wohnung gemietet, man hat hier sehr viel gezahlt an Miete
für, man hat das ganze renoviert, es war auch im fünften
Sock, d.h. man hat hier auch einen Aufzug eingebaut in das ganze
Gebäude deswegen, außerdem waren natürlich die
ganzen Reisekosten für die ganze Familie zu bezahlen, zwei-
dreimal hin und her, d.h. also alle sonstigen Ausgaben für
diese mußten bezahlt werden, und natürlich auch noch
weitere Hotelzimmer und derartiges für diese Familie, um
dort zu leben. D.h. also das war schon die Hälfte der eigentlichen
Summe, und die andere Hälfte ging dann an die Oppositionsgruppen,
also in einzelne Unter-, in einzelne kleine Mengen aufgeteilt.
D.h. also man hat sich überlegt, wie effektiv das also nun
wirklich war, und das ist also eine Geschichte, die ich wirklich
gehört habe vor kurzem.
Ich wollte etwas zu Christine sagen noch kurz. Habe ich wirklich
so hoffnungslos geklungen, als ich gesprochen habe? Wirklich?
Echt? Ja, das wollte ich eigentlich garnicht. Vielleicht wollte
ich nur ganz langsam für die DolmetscherInnen hier sprechen,
also so schlimm ist es nun nicht. Natürlich möchte ich
weiterhin arbeiten, so schlimm war es nun auch nicht, also natürlich
fehlen uns vielleicht die Möglichkeiten, ja, da hast Du wohl
durchaus recht. Aber auf der anderen Seite ist es so, daß
ich nicht wirklich denke, daß wir absolut hoffnungslos sind.
Wir warten immer noch auf den guten Effekt für die Nichtregierungsorganisationen,
d.h., das ist etwas, das sich noch in der Vorbereitungsphase befindet,
und wir erwarten hier noch den Ausgang dieses Prozesses. D.h.
wir wissen nicht wie die Situation sich dann darstellen wird.
Wir geben auf jeden Fall nicht auf, wir haben sehr viele Pläne
für die Zukunft, also für die einzelnen Gruppen. Einige
sind davon nun verschwunden, und wir müssen diese wieder
ermutigen ihre Arbeit neu zu beginnen. Das ist also eine wichtige
Aufgabe für die Zukunft. D.h. ich sehe nicht, daß wir
jetzt wirklich aufgeben.
Dann was Vesna gesagt hat. Ja da können wir uns vielleicht
mal unter vier Augen unterhalten. Nein, sonst nichts von meiner
Seite.
Bojan Aleksov: Ja ich muß zugeben, daß ich
also durchaus sehr hoffnungslos bin, Christine. Also ich versuch
auch garnicht, das irgendwie zu verbergen. Ich fühle mich
nicht wirklich hoffnungslos, aber doch irgendwie nicht so wahnsinnig
motiviert mehr. D.h. sonst wäre ich ja auch nicht hier, wenn
ich die Hoffnung völlig aufgegeben hätte.
D.h. wir haben vielleicht bestimmte Stärken verschiedener
Oppositionsgruppen und der Art unterschätzt auf der einen
Seite, aber ich habe vielleicht auf der anderen Seite auch die
Wirkung der westlichen Medien überschätzt was jetzt
so die Demonstrationen der serbischen Opposition angeht und derartige
Dinge. D.h. vorher gab es hier überhaupt keine; wurde das
ganze in den Medien überhaupt nicht wiedergespiegelt, und
jetzt finden diese Demonstrationen statt, und da gibt es jetzt
stündlich Berichte darüber in CNN oder wo auch immer.
D.h. das verdienen die vielleicht jetzt in diesem Sinne vielleicht
garnicht. Aber natürlich gibt es Ansichten die ich teile
mit diesen Oppositionsgruppen, und natürlich bin auch deswegen
etwas hoffnungslos, weil ich in Kontakt mit Journalisten stand,
und man fragt sich immer, wer ersetzt denn nun Milosevic, und
das ist wohl der Hauptfokus der Medien im Moment. Und ich habe
auch versucht zu erklären, wie falsch dieser Ansatz ist,
so als ob Milosevic das einzige Problem hier darstellt. Oder ob
man nicht einfach die Namen austauschen kann, Milosevic, Marlovic,
Pretovic, und das ist vielleicht dann alles das gleiche. Das Sytem
wird das gleiche bleiben, egal wie der Mann an der Spitze heißt.
Aber wir konzentrieren uns immer auf Milosevic, also wir in der
Friedensbewegung sollten wirklich diesen Ansatz vermeiden, also
diesen Ansatz, der nun von den Medien gewählt wird und immer
wieder mit dem Fokus auf Milosevic.
In den letzten zehn Jahren haben wir immer versucht, uns wirklich
auf andere grundlegende Probleme zu konzentrieren, also langfristig
haben wir versucht Einfluß zu haben auf diese Prozesse,
also langfristige Prozesse, um zu versuchen eine friedvolle Zukunft
zu erreichen ohne uns wirklich immer auf Milosevic zu konzentrieren.
Natürlich ist er wichtig und ist derjenige, der die Fäden
in der Hand hält. Wir haben versucht, die Leute in der Politik
zusammenzuführen und Leute in der Politik teilhaben zu lassen.
Das wird sich natürlich nicht verändern, wenn Milosevic
dann vielleicht wirklich weg ist. Aber warum ich jetzt wirklich
vielleicht nicht ganz voller Hoffnungen bin, hat was damit zu
tun, daß ich das ganze realistisch sehe. Du hast vorhin
Dialog, aber ich muß noch einmal genau das wiederholen,
was ich vorhin bei der Einleitung gesagt habe, als ich gefragt
habe, Dialog mit wem denn? Wer mit wem? Welche Art des Dialogs
auf welchem Level? In welche Richtung soll dieser Dialog gehen?
Wir können natürlich immer den Dialog als ein Mittel
unterstützen, als etwas, was wir wirklich brauchen, aber
jetzt müssen wir wirklich darüber nachdenken, was nun
dahinter steht, was meinen wir mit Dialog? Welche Art, wie gesagt,
des Dialogs? Was schlagen wir vor? Worüber sollten wir uns
unterhalten? Also, diese Depression bei mir wird also dadurch
ausgelöst, daß ich nicht weiß, in welche Richtung
es nun gehen soll, daß ich da konkrete Probleme sehe, und
ich sehe da auch keine Lösungen dafür. Danke.
Howard Clark: Ich möchte noch einmal kurz etwas korrigieren
was ich über die Polizei vorher gesagt habe. Ich bin mir
halbwegs sicher, daß die OSZE jetzt wirklich für diese
neue Polizeiakademie nun auch die Trainer zur Verfügung haben,
aber es gibt hier immer noch einen Mangel an Leuten, die bei diesen
Übergangspolizeikräften eingesetzt werden. Diese Geberkonferenz
letzte Woche hat sehr stark dazu geführt, daß man gesagt
hat, ja wir werden noch mehr Geld schicken, usw. Man wird sich
hierauf verpflichten. Aber es gibt sehr wenige Leute, sehr wenige
Beobachter im Kosovo, die wirklich für die Umsetzung verantwortlich
sind. Und das schließt auch die Frage der Polizei mit ein.
D.h. hier wird ein großes Problem aufgeworfen für uns,
denn die KFOR arbeiten natürlich mit der NATO zusammen, und
man ist gemeinsam für den Schutz der Bevölkerung verantwortlich,
und das Leben der Menschen hängt von diesen beiden ab. D.h.
es ist eine sehr komplizierte Situation.
D.h. jetzt noch einmal kurz zur Frage des Dialogs, die gestellt
wurde. Es gab ein Treffen und auch ein Dialogprojekt mit dem Balkan
Peace Team, und das war also eine ganze Reihe von verschiedenen
Treffen zwischen Albanern aus Pristina und Serben aus Pristina,
einige, und andere aus serbischen Netzwerken, und diese wollten
dann einen Workshop abhalten, aber das war nicht möglich,
Und so haben sie also ein Treffen abgehalten, um nun eine Bestandsaufnahme
zu machen, wie die Situation sich im Moment gestaltet. Bevor wir
uns also über Dialog unterhalten können, muß man
sehen, daß ein Dialog auf diesem Niveau nun wirklich etwas
ist, was einen Unterschied machen würde. Man hat mir alle
möglichen Erfahrungen gemacht in der letzten Zeit, d.h. also
einfach Leute wieder zusammenzubringen, die durch diesen Krieg
getrennt wurden, mit Freunden im Kosovo usw., das alleine, ohne
jeglichen politischen Zweck, das allein ist schon einmal eine
Grundvoraussetzung für eine Förderung des Dialogs im
Kosovo. D.h. Hilfsorganisationen oder zivile Organisationen oder
Einrichtungen versuchen jetzt Albaner und Serben aus dem Kosovo
wieder zusammenzubringen und sich über Sicherheitsfragen
zu unterhalten, d.h. also das ist der Dialog, der im Moment stattfindet,
und der ist auch zweckmäßig. Aber abgesehen davon im
Moment ist es doch wirklich nur ein Wiederzusammenführen
der Menschen, das ist der Dialog, den wir im Moment brauchen,
und von dem wir im Moment sprechen, als ein Teil des Prozesses
hin zur Wiedergewinnung unseres Gleichgewichts in dieser Situation.
Das ist also keine Lösung, aber das ist erstmal ein Ansatz
und ein Stück des Weges.
Dorie Wilsnack: Danke an alle hier auf dem Podium, die
hier teilgenommen haben, Vielen Dank an alle, die hier sich mitbeteiligt
haben und ihre Gedanken eingebracht haben. Ich möchte hier
nur abschließen damit, daß das was hier jeder tun
kann, ist einfach, diese Problematik am Leben zu erhalten, in
dem, was sie vielleicht veröffentlichen, in dem was sie vielleicht
miteinander diskutieren, es gab natürlich sehr viel Aufmerksamkeit
auf das ehemalige Jugoslawien, Kosovo, Serbien usw. D.h., wir
können nun die Verantwortung übernehmen, daß die
Arbeit der Aktivisten in der Gegend wirklich in unseren Veröffentlichungen
auch erscheint, daß wir per email mit ihnen in Kontakt bleiben
und diese Informationen dann auch veröffentlichen und versuchen,
auch Konferenzen zu besuchen, die dort stattfinden. Das ist also
die Art und Weise, wie wir eine Basis schaffen können für
die Arbeit in der Zukunft. Wenn dann Strategien offensichtlich
werden.
Und vielen Dank an die DolmetscherInnen dafür, daß
sie Überstunden gemacht haben für uns.
Stay up to date with our international antimilitarist activism.
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