Länderberichte und aktuelle Informationen: Kyrgyzstan

Last revision: 27 Apr. 2016
27 Apr. 2016

Aktualisiert Februar 2016

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Probleme

  • Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht. Nur Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften haben das Recht, den Wehrdienst aus Gewissensgründen zu verweigern.

  • Personen, die Wehrersatzdienst leisten, werden dahingehend benachteiligt, dass dieser länger dauert als der Militärdienst.

      1. 1 Wehrpflicht

Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht

Die Wehrpflicht ist in Art. 24 der Verfassung verankert, der besagt, dass Staatsbürger der Kirgisischen Republik das Recht und die Pflicht haben, ihr Heimatland zu verteidigen. Staatsbürger haben die Pflicht, den im Gesetz verankerten Militärdienst zu leisten.1 Die Rechtsgrundlage für die Wehrpflicht bildet das Gesetz über allgemeine militärische Pflichten aus dem Jahre 1992, die letzte Aktualisierung folgte im Jahr 1994. [1]

Militärdienst kann sowohl bei den kirgisischen Streitkräften als auch bei den kirgisisch-russischen Grenztruppen, die unter russischem Kommando stehen, geleistet werden.

Wehrdienst

Der Einberufung zum Wehrdienst unterliegen Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 12 Monate und 9 Monate für Universitäts- und Fachhochschulabsolventen.23 Darüber hinaus gibt es Verpflichtungen zum Reservistendienst.

Recht auf Aufschub und Ausnahmen

Es besteht das Recht auf Aufschub des Wehrdienstes für Studenten.

Eine Befreiung von der Einberufung zum Wehrdienst aus medizinischen oder persönlichen Gründen ist möglich. Personen, die aus bestimmten persönlichen Gründen, zum Beispiel bei Verlust von Angehörigen bei der Ausübung des Militärdienstes, vom Wehrdienst befreit sind, müssen Ersatzdienst leisten.

Bei den Behörden liegt eine Liste mit Erkrankungen vor, die zu einer Befreiung vom Militärdienst führen können. Diese Liste wird allerdings geheim gehalten, da die Behörden fürchten, Wehrdienstpflichtige würden medizinische Dokumente fälschen, um vom Wehrdienst befreit zu werden.4

Rekrutierung

Es gibt jährlich zwei Zeiträume für die Einberufung zum Militärdienst: zwischen April und Juni und zwischen Oktober und Dezember.5

      1. 2 Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Rechtsanspruch

Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist nicht in der Verfassung verankert,6 und dieses Recht wird im Gesetz über den Wehrersatzdienst aus dem Jahre 1994 anerkannt, allerdings nur aus religiösen Gründen. Gemäß Art. 1 haben Angehörige einer „gesetzlich anerkannten” Religionsgemeinschaft, deren Glaubenslehre die Verwendung von Waffen und den Dienst in den Streitkräften nicht zulässt, das Recht auf die Leistung des Wehrersatzdienstes, dessen Dauer doppelt so lang ist wie die des Militärdienstes.

Personen, die aufgrund gewisser persönlicher Gründe von der Wehrpflicht ausgenommen sind (siehe Recht auf Aufschub und Ausnahmen), sind auch verpflichtet, Wehrersatzdienst zu leisten.

Einschränkungen

Anträge können nicht während der Leistung des Militärdienstes gestellt werden.7

Verfahrensweise und Praktiken

Schriftliche Anträge müssen an die örtliche Einberufungskommission gestellt werden, die dann darüber entscheidet (Gesetz von 1994, Art. 6).

Es besteht Einspruchsrecht. Wird ein Antrag von der örtlichen Einberufungskommission abgelehnt, besteht die Möglichkeit bei der Einberufungskommission von Oblast Einspruch zu erheben. Ist auch dieser Einspruch erfolglos, dann besteht Einspruchsrecht vor einem Zivilgericht. (Art. 8)

Jedes Jahr wird von der Regierung die Anzahl der Wehrdienstpflichtigen bestimmt, die Ersatzdienst leisten dürfen (Art. 5). Es ist nur wenig darüber bekannt, wie die Vorgehensweise in der Praxis umgesetzt wird. Offenbar sind viele Wehrdienstpflichtige dazu berechtigt, Ersatzdienst zu leisten (siehe Jahresstatistik), es muss jedoch festgehalten werden, dass der Großteil der Personen, die dem Ersatzdienst zugewiesen werden, aus persönlichen Gründen vom Militärdienst befreit sind. [3]

Laut Informationen einer kirgisischen Nichtregierungsorganisation werden Anträge auf die Leistung des Ersatzdienstes aus anderen als religiösen Gründen nur selten gewährt.8

Ersatzdienst

Die Dauer des Ersatzdienstes beträgt regulär 24 Monate und 18 Monate für Universitäts- und Fachhochschulabsolventen – doppelt so lang wie der Militärdienst. (Art. 2)

Die aktuellen Rechtsvorschriften (Art. 11) sehen die Ableistung des Zivildienstes in einer nichtmilitärischen Staatseinrichtung vor, und können jegliche zivile Aufgabe beinhalten. [3] Personen, die Zivildienst leisten, müssen 20 Prozent ihres Gehaltes dem Verteidigungsministerium zuführen – folglich wird der Militärdienst durch eine erhebliche Militärsteuer ersetzt.

Ersatzdienstleistende können dem Reservistendienst zugewiesen werden, wenn aus medizinischen Gründen die Ausübung des Ersatzdienstes nicht fortgesetzt werden kann, darüber hinaus zum Beispiel bei einer Änderung der häuslichen Verhältnisse oder bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland (Art. 16).

Trotz der Veröffentlichung der Anzahl von Personen, die Ersatzdienst leisten, ist die Zahl jener nicht bekannt, die ihren Antrag auf Befreiung des Militärdienstes aus Gewissensgründen mit oder ohne Erfolg stellten.

      1. 3 Wehrdienstentziehung und Fahnenflucht

Strafen

Wehrdienstentziehung kann zu einer Geldstrafe (diese entspricht dem 200-fachen bis 500-fachen des Mindestlohns) oder einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zwei Jahren führen (Art. 351 des Strafgesetzbuches von 1997).9

Zuvor war die Wehrdienstentziehung gemäß Art. 74 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von einem bis drei Jahren strafbar und drei bis fünf Jahren, wenn eine Fälschung von medizinischen Dokumenten vorlag.10

Praxis

Wehrdienstentziehung und Desertion (Fahnenflucht) sind aufgrund der schlechten Bedingungen und Verletzung der Menschenrechte innerhalb der Streitkräfte weit verbreitet. Ein weiterer Grund für die Wehrdienstentziehung ist der süd-kirgisische Separatismus: Häufig verweigern Offiziere aus Nord-Kirgisistan die Ausübung des Militärdienstes in südlichen Gebieten des Landes. [1] [3]

Es gibt keine Informationen zur tatsächlichen Kontrolle von Wehrdienstentziehung und Desertion, es wurden jedoch einige Personen wegen Wehrdienstentziehung strafrechtlich verfolgt. Aus den Jahren 1995 und 1996 sind 12 solcher Fälle bekannt, bei denen gemäß Art 74 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von bis zu 18 Monaten verhängt wurde. Ob diese Wehrdienstverweigerer von den Behörden ausfindig gemacht wurden oder ob es sich um Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen handelte, die den Militärdienst weiterhin verweigerten und deren Antrag auf Leistung von Ersatzdienst abgelehnt wurde, ist unklar.11

      1. 5 Geschichte

Nach Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 wurde es in Kirgisistan anfangs in Erwägung gezogen, kein eigenes Militär zu besitzen und sich stattdessen auf die russischen Streitkräfte und die der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) für die nationale Sicherheit zu stützen. In den darauffolgenden Jahren wurden jedoch eigene Streitkräfte in Kirgisistan eingeführt.12

Im Jahr 2012 untersuchte die Verfassungskammer des Obersten Gerichts von Kirgisistan die Verfassungsmäßigkeit des Wehrpflichtgesetzes aufgrund einer Klageinreichung von zehn Zeugen Jehovas. Diese Klageschrift hatte folgende Inhalte:

„(a) Wehrdienstverweigerer werden zu einer Zahlung an das Verteidigungsministerium verpflichtet, um das Militär und militärische Aktivitäten zu unterstützen;

(b) Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen werden unter die direkte Kontrolle und Aufsicht des Militärs gestellt; und

(c) Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen werden zum Reservistendienst bei den Streitkräften verpflichtet“

Alle diese Anklagepunkte wurden als gerechtfertigt erachtet, und es wurde eine sofortige Änderung der entsprechenden Rechtsvorschriften angeordnet.13 Obwohl infolgedessen eine Gesetzesänderung vorgeschlagen wurde, entspricht diese nicht den Forderungen des Gerichts – und den der Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen.14

Nach der Evaluierung des zweiten Berichts im Rahmen der allgemeinen, regelmäßigen Überprüfung stellte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen folgendes fest: „Der Ausschuss möchte erneut auf frühere Bedenken über die vorliegenden Einschränkungen der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen hinweisen, da dieses Recht nur für gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften gilt, deren Glaubenslehre die Verwendung von Waffen und den Dienst in den Streitkräften nicht zulässt, und da das Gesetz für Personen mit höherem Bildungsabschluss eine kürzere Dauer des Militärdienstes und Wehrersatzdienstes vorschreibt. Des Weiteren möchte der Ausschuss auf die Initiative des Vertragsstaates zur Änderung des Gesetzes der Allgemeinen Wehrpflicht der Staatsbürger in der Kirgisischen Republik über Militär- und Ersatzdienst hinweisen.“1

Danksagungen

Diese Aktualisierung aus 2016 wurde in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Versöhnungsbund erstellt, und durch die Forschung ermöglicht, die für den Landesbericht Kirgisistan im Rahmen der allgemeinen, regelmäßigen Überprüfung im Jahr 2015 durchgeführt wurde.

1 Wehrersatzdienstgesetz von 1994 (Deutsche Übersetzung).

2 Wehrersatzdienstgesetz von 1994 (Deutsche Übersetzung).

3 Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

4 Wehrersatzdienstgesetz von 1994 (Deutsche Übersetzung).

5 Shishlevskiy, Valentin 1995. 'Kyrgyzstan and its armed forces: A review', in: Asian Defence Journal, 1/1995.

6 Kangas, Roger D. 1996. 'With an Eye on Russia, Central Asian Militaries Practice Cooperation', in: Transition, 9. August 1996., RFE/RL, Prag.

7 Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

8Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

9Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

10 Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

11Youth Human Rights Group Bishkek 1998. Alternative Service in the Kyrgyz Republic. Bishkek, Kirgisistan.

12 Wehrersatzdienstgesetz aus 1994 (Deutsche Übersetzung).

13 Corley, F. “Kyrgyzstan: Who can be a conscientious objector?”, Forum 18 News Service (www.forum18.org) 25. Februar 2014.

14 Brett, D. International Fellowshop of Reconciliation and Conscience and Peace Tax International, UPR Submission, Kirgisistan, Jännrt/Februar 2015.

15 Ibid.

Recent stories on conscientious objection: Kyrgyzstan

01 Nov. 2002

In keinem Land im Kaukasus oder in Zentralasien ist es bisher möglich, sich frei zwischen Militär- und Zivildienst zu entscheiden.

Meistens besteht noch nicht einmal die Option eines alternativen Dienstes. Die wenigen Staaten, in denen ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde, haben es keineswegs nach internationalen Standards umgesetzt. So gibt es in Georgien faktisch gar keinen Ersatzdienst, in Kirgisistan und Usbekistan sind hohe Bestechungsgelder nötig, um ihn ableisten zu können.

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