Martialischer Bergbau: die Verbindungen zwischen globalem Extraktivismus, Waffenhandel und Kriegsführung
Dieser Artikel ist Teil unserer „Kurzfibel über Militarismus und die Klimakrise“, die Sie hier in voller Länge finden können: https://wri-irg.org/en/story/2024/new-resource-short-primer-militarism-and-climate-crisis
Was passiert mit unseren Anti-Kriegs-Bewegungen, wenn wir unser Verständnis von Konflikten auf die Abbaugebiete ausweiten, die Kriege möglich machen? Können wir weitere Sand in die Maschinerie des militärisch-industriellen Komplexes streuen, indem wir unsere Analyse mit den Kämpfen der Bevölkerungen beginnen, deren Land und Ressourcen ausgebeutet werden, um Krieg auszurüsten?
Die Gruppen, mit denen wir im London Mining Network (Londoner Bergbaunetzwerk) zusammenarbeiten –von den Überlebenden der Massaker von Marikana im südafrikanischen Platingürtel bis hin zu den Freiheitskämpfern, die unter der indonesischen Besatzung West-Papuas und seiner weltweit bedeutenden Kupfer- und Goldmine Grasberg leben – erleben, dass der Extraktivismus ein militarisierter Prozess ist. Ökosysteme werden gewaltsam zerstört, Einwohner, die für ihr Überleben und ihren Lebensunterhalt auf das Land angewiesen sind, werden vertrieben und anschließend beherrscht. Keine Gemeinschaft nimmt Zwangsumsiedlung und Verbannung von Menschen, die Zerstörung von Lebensräumen und die Verschmutzung von Flüssen, Grundwasser und Böden tatenlos hin. Solcher Widerstand wird jedoch häufig mit Repressionen beantwortet, die von Überwachung und Schikanen bis hin zu Überfällen und Ermordungen reichen. Darüber hinaus wenden Bergbauunternehmen auch Besänftigungstaktiken an, wie das Sponsern von Fußballmannschaften und den Bau medizinischer Einrichtungen, oder nutzen sogar zunehmend Umweltinitiativen, um lokale Gemeinschaften zu spalten und zu erobern. Der Environmental Justice Atlas zeigt, dass Londons Mega-Bergbaugiganten – darunter Glencore, Anglo American, Rio Tinto und BHP – in mindestens 83 Konflikte hinsichtlich ihrer Aktivitäten verwickelt sind.
Was wir jedoch oft übersehen, ist, dass der Militarismus selbst auch fundamental ein Bergbau bedeutet: Er benötigt riesige Mengen an natürlichen Ressourcen, um Technologien der Unterdrueckung, des Todes und der Zerstörung zu entwickeln. Rohstoffe wie Aluminium, Kupfer, Platin und Kobalt werden von Bergwerken zu Schmelzhütten transportiert, bevor sie in Fabriken in Solarpaneelen und Elektrofahrzeugen verarbeitet, aber auch in Überwachungsdrohnen und Atomwaffen verwandelt werden. Es überrascht nicht, dass Bergbauunternehmen ihren Beitrag zu ersteren eher betonen, während sie ihre Unverzichtbarkeit für letztere verschweigen. Rüstungsunternehmen hingegen gestehen nur begrenzte Kenntnis über die Menge der von ihnen verbrauchten Rohstoffe ein. Doch allein die nächste Generation der Hardware des britischen Verteidigungsministeriums (MOD) benötigte mindestens 514.270 Tonnen Rohstoffe. Rechnet man den Ressourcenverbrauch des britischen Militärs (der 2,5 % der weltweiten Militärausgaben ausmacht) hoch, so ergibt sich ein Mindestbedarf von 20,6 Millionen Tonnen Mineralien, um die Armeen weltweit in diesem Jahrzehnt neu auszurüsten. Da bei der Lösung von Metallen aus ihren Erzen Chemikalien wie Zyanid und Arsen verwendet werden, entstehen dabei unweigerlich Milliarden Tonnen giftiger Abfälle. Als 2019 in Brumadinho im Südosten Brasiliens ein Damm aus Eisenerzabfällen zusammenbrach, ganze Dörfer unter Wasser setzte und 272 Menschen tötete, war die Beschreibung des Bergwerks als Kriegsgebiet keine Übertreibung.
Sehen wir uns einige Beispiele für diesen Material-Militarismus an. Die Gewinnung von Uran hat weltgeschichtliche Auswirkungen: In den kongolesischen Minen in Shinkolobwe, die damals unter belgischer Kolonialherrschaft standen, wurden die Rohstoffe für die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben gewonnen, während der Radioaktivitäts-Kolonialismus auf dem Boden der australischen Ureinwohner das Yellowcake für die Atomreaktoren in Fukushima lieferte. Tatsächlich bestünde das britische Atomwaffenarsenal – 120 Waffen mit einer Reserve von 215, die mindestens 205 Milliarden Pfund kosten – ohne die Rossing-Mine in Namibia, die von Apartheid-Südafrika besetzt und von einem von Rio Tinto geführten Kartell betrieben wurde, nicht. Heute baut ein Konsortium von Rüstungskonzernen die größten U-Boote, die je für die Royal Navy gekauft wurden, mit insgesamt 68.800 Tonnen Material, 170 Kilometern Rohren, 52.000 elektrischen Bauteilen, 1.500 Kilometern Kabeln und bis zu 16 Trident-Raketenmit insgesamt 48 Sprengköpfen. Bei der Herstellung einer einzigen Atombombe fallen schätzungsweise 2.000 Tonnen Uranabfälle an.
Dann gibt es den F-35-Kampfjet von Lockheed Martin, das teuerste Waffensystem der Geschichte, das aus 300.000 Teilen von über 1.900 Zulieferern besteht. Das Vereinigte Königreich ist für den Bau von etwa 15 % der 3.000 bestellten Jets verantwortlich. Dazu gehört auch BAE Systems, das 30 Titaneinzelteile für die vertikale Heckflosse des Flugzeugs beisteuert. Der vertraute Feind Rio Tinto betreibt eine der weltweit größten Ilmenit-Minen, ein Mineral, das zur Herstellung von Titan und Pigmenten verwendet wird. Mehr als 500 madagassische Dorfbewohner haben dadurch ihr Land und ihre Lebensgrundlage verloren, während das Trinkwasser von weiteren 15.000 Menschen durch Uran und Blei gefährdet ist. Jede F-35 ist für die elektronische Kriegsführung ausgerüstet und benötigt daher 417 Kilogramm Seltenerdmetalle. Die Vorkommen von Seltenerdmetallen – so genannt eher wegen Chinas Dominanz bei der Produktion als wegen der geologischen Knappheit –, die für automatisierte Technologien unverzichtbar sind, werden von an der Londoner Börse notierten Bergbauunternehmen in Abstimmung mit dem US-Pentagon und dem britischen Verteidigungsministerium geschürft. Im Juni 2024 kaufte Israel 25 weitere F-35-Kampfjets für 3 Milliarden Dollar, womit sich die Luftflotte, die seit Oktober 2023 unablässig Bomben auf den Gazastreifen abwirft, auf 75 erhöht und zu einer entscheidenden Waffe im Arsenal eines Völkermordes wird.
Die Londoner City ist weltweit ein Epizentrum der organisierten Gewalt, die Bergbau mit Kriegsführung auf allen Kontinenten verstrickt. Es ist kein Zufall, dass britische Militärbasen – von Brunei bis Belize, von Oman bis Kenia – die von Londons Bergbaugiganten abgebauten Vorkommen und deren Transportwege zur Produktion verfolgen. Wenn diese Industrien für ihr Überleben aufeinander angewiesen sind, müssen unsere Bewegungen gegen sie ebenso miteinander verknüpft sein. Jedes neue Flugzeug, jedes Atom-U-Boot, jede Militärbasis und jeder Krieg ist bereits eine Klimakatastrophe, die in den Opferzonen des globalen Abbaus bezeugt wird. Es liegt an uns, gemeinsam Widerstand zu leisten.
Mehr über das London Mining Network und seinen Martial Mining Report erfahren Sie hier: https://londonminingnetwork.org/project/martial-mining-2020/
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