Südkoreanische Organisationen begrüßen Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung

International Conscientious Objection Day in South Korea

Heute entschied das Verfassungsgericht der Republik Korea, dass Artikel 5 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes verfassungswidrig ist, da darin keine Möglichkeit eines alternativen Dienstes für Kriegsdienstverweigerer vorgesehen wird. Die gegenwärtige Regelung darf nur bis zum 31. Dezember 2019 bestehen bleiben. Die Gerichtsentscheidung wendet sich gegen die Untätigkeit der Gesetzgebung und sieht es als verfassungswidrig an, eine durch die Verfassung erforderliche Gesetzgebung nicht umzusetzen. Mit der heutigen Entscheidung erkennt das Gericht die Kriegsdienstverweigerung als Ausfluss des Rechts auf „Gewissensfreiheit“ an, ein grundlegendes Verfassungsrecht. Es betont, dass Artikel 5 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes verfassungswidrig ist, da es keinen alternativen Dienst für bislang kriminalisierte Kriegsdienstverweigerer vorsieht.

Die Entscheidung bringt uns einer ausgereiften Gesellschaft näher, in der das Gewissen von verschiedenen Personen respektiert und die Menschenrechte garantiert werden. Das öffnet für viele, die nur die Wahl zwischen Ableistung des Militärdienstes und Gefängnis haben, das Tor zum Frieden. Das Center for Military Human Rights Korea (Zentrum für Menschenrechte im Militär), Minbyun Lawyers for a Democratic Society (Minbyun AnwältInnen für eine Demokratische Gesellschaft), People's Solidarity for Participatory Democracy (Volkssolidarität für Demokratieteilhabe), und World Without War (Welt ohne Krieg) begrüßen die Entscheidung des Gerichts, die einen Höhepunkt eines langen Kampfes für die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung und die Einführung eines alternativen Dienstes bedeutet. Wir rufen dazu auf, schnell einen alternativen Dienst für Kriegsdienstverweigerer einzuführen.

Die Entscheidung ist lange überfällig. Zu viele wurden inhaftiert und kriminalisiert, bis jetzt wurden ihr Gewissen und ihre pazifistische Überzeugungen in Südkorea nicht anerkannt. Sie wurden kriminalisiert. Die Freiheit des Gewissens, wie sie in der Verfassung dargelegt ist, wurde durch das Militärdienstgesetz gebrochen. Seit dem Ausbruch des Koreakrieges wurden mehr als 19.800 Männer für ihre religiös oder pazifistisch motivierte Kriegsdienstverweigerung strafrechtlich verfolgt. Die Zeit, die diese Verweigerer in Haft waren, summiert sich auf 36.000 Jahre. Menschen, die niemals irgendjemanden verletzt oder beraubt haben, warteten unzählige Jahre auf die heutige Entscheidung. Aber auch wenn sie überfällig ist, die Entscheidung markiert einen klaren Wechsel für unsere Gesellschaft. Mehr noch, die Entscheidung bringt unsere Gesellschaft einen Schritt weiter zu einer Ära des Friedens auf der koreanischen Halbinsel, wie sie von den Führern von Nord- und Südkorea in Panmunjom erklärt wurden.

Es sollte keine Verzögerung der nachfolgenden Schritte geben. Die Große Kammer des Obersten Gerichts, das zu diesem Thema voraussichtlich eine öffentliche Anhörung durchführen wird, sollte in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgericht entscheiden, dass die Beklagten nicht schuldig sind und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als „berechtigter Grund“ nach dem Militärdienstgesetz anerkannt wird. Der Verteidigungsminister sollte das Verfahren zur Einführung eines Alternativen Dienstes beschleunigen. Sofort nach der Entscheidung des Gerichts erklärte der Minister, dass er „die Politik so bald wie möglich über den Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess an dem Gerichtsbeschluss ausrichten“ wird. Die Nationalversammlung sollte schnell die zum Militärdienstgesetz im Ständigen Ausschuss vorliegenden Gesetzentwürfe behandeln, damit eine Rechtsgrundlage für den alternativen Dienst geschaffen wird. Da das Verfassungsgericht eine Frist bis Ende 2019 gesetzt hat, sollte die Einführung eines Gesetzes zum Alternativen Dienst in der Nationalversammlung im Rahmen der üblichen Parlamentssitzungen in der zweiten Hälfte diesen Jahres erfolgen, damit es 2019 in Kraft treten kann.

Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes sind für Regierung und Behörden bindend. Angesichts dessen muss die tief verwurzelte Diskriminierung und Kriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern beendet werden. Die Militärverwaltung sollte unverzüglich die unrechtmäßige Veröffentlichung von persönlichen Daten der Verweigerer beenden. Für Kriegsdienstverweigerer, die ihre Haft bereits verbüßt haben, sollte der Justizminister eine Amnestie erwägen. Wenn man die vom Gericht vorgelegte Begründung in Betracht zieht, befinden sich derzeit mehr als 200 Verweigerer im Gefängnis, die nur ihre verfassungsmäßigen Rechte wahrgenommen haben. Der Justizminister sollte entsprechende Schritte für sie einleiten.

In der heutigen Entscheidung hat das Gericht auch festgestellt, dass Artikel 88 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes nicht verfassungswidrig ist. Der Artikel sieht eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren vor, wenn sich eine Person ohne berechtigte Gründe der Einberufung entzieht. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Artikels wurde zuletzt 2004 und 2011 geprüft. Während die Entscheidung des Gericht zum Artikel 5 Abs. 1 des Militärdienstgesetzes tatsächlich eine von der Verfassung gestützte Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung und eine Inkraftsetzung eines Alternativen Dienstes bedeutet, ist es bedauerlich, dass das Gericht die Strafandrohung für verfassungskonform hält. Damit sind sofortigen Rechtsmitteln für die Kriegsdienstverweigerer, die sich gegenwärtig vor Gericht oder im Gefängnis befinden, hohe Hürden gesetzt. Trotzdem sollten die Gerichte und der Justizminister die obergerichtlich durch das Verfassungsgericht vorgelegten Gründe bei den zukünftigen Schritten in Erwägung ziehen, darunter auch den Freispruch von Verweigerern, die sich gegenwärtig vor Gericht befinden.

Organisationen der Zivilgesellschaft in Südkorea riefen die Regierung mit den „Vorschlägen der zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Einführung eines angemessenen alternativen Dienstsystems“ bereits dazu auf, eine Diskussion darüber zu eröffnen, was unter einem angemessenen alternativen System des Dienstes zu verstehen sei. In dieser Vorlage erklärten Amnesty International SüdkoreaMinbyun Lawyers for a Democratic SocietyPeople’s Solidarity for Participatory Democracy und World Without War, dass „ein alternativer Dienst nicht eine Befreiung oder ein Privileg gegenüber dem Militärdienst darstellt. Er soll der Gemeinschaft dienen bei ähnlichen Anforderungen bezüglich der Wehrpflicht, die aber das Gewissen der Kriegsdienstverweigerer respektieren.“ Die Organisationen schlugen „Kriterien für die Einführung eines angemessenen System des Alternativen Dienstes“ vor, die sich auf internationale Prinzipien stützen. Das schließt folgendes ein: die Überprüfung der Kriegsdienstverweigerer und die Verwaltung eines alternativen Systems sollte außerhalb des Militärs erfolgen; die Forderung einer bedeutend längeren Dienstzeit gegenüber dem Militärdienst würde eine andere Form von Bestrafung darstellen; Kriegsdienstverweigerer, die bereits Militärdienst leisten oder sich in der Reserve befinden, sollten die Möglichkeit der Antragstellung erhalten. Der Vorschlag betont auch, dass die Position der Zivilgesellschaft, also von nicht-staatlichen Experten und von Kriegsdienstverweigerern, in das Verfahren zur Einführung eines alternativen Dienstes mit einbezogen werden soll. Wir müssen die kontraproduktive Debatte, ob ein alternativer Dienst berechtigt ist oder nicht, hinter uns lassen und unseren Schwerpunkt darauf richten, welche Art von alternativem Dienstsystem wir haben sollten.

Wir sprechen unseren aufrichtigen Dank und Respekt allen RechtsanwältInnen, JournalistInnen, AktivistInnen und Kriegsdienstverweigerern aus, die sich im Kampf für die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, die Einführung eines alternativen Dienstes und für Frieden und Menschenrechte in Südkorea engagiert haben. Das Gewissen hat gewonnen. Der Frieden hat gewonnen. Freiheit für alle Gefangenen für den Frieden.

28 Juni 2018

Center for Military Human Rights Korea, Minbyun Lawyers for a Democratic Society, People's Solidarity for Participatory Democracy, World Without War

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