Kolumbien: Militarisierung nach dem Friedensvertrag
Transkription:
Mein Name ist Christian Peñuela. Ich bin ein Kriegsdienstverweigerer. Ich gehöre zu einer Organisation namens „Colectiva la Tulpa“. Das ist eine Organisation von Kriegsdienstverweigerern aus der Stadt Bogotá in Kolumbien, Südamerika.
In unserem Land gibt es ein unterzeichnetes Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla. Unsere Organisation steht der Umsetzung sehr kritisch gegenüber und setzt öffentliche Debatten darüber in Gang. Wir glauben, dass wir nach dem Abkommen verstärkt militarisiert werden und dass die staatlichen Investitionen in den Krieg leider fortgesetzt werden.
Die öffentlichen Ausgaben werden nicht aufhören, und wir halten das für ein Problem. Die Streitkräfte entwickeln nun neue militärische Zielsetzungen, hier sei die "Damaskus-Doktrin" genannt. Dieser Doktrin nach sollen Streitkräfte zu der Institution gemacht werden, die für den wesentlichen Dialog mit der Zivilgesellschaft zuständig ist. Ebenso stellen wir die Tatsache in Frage, dass weiterhin zwangsweise in den Militärdienst eingezogen wird. Nach dem Friedensabkommen und anderer uns bekannter Probleme sehen wir dies als geplante Entwicklung für die Zeit nach dem Abkommen.
Es gibt auch einige Freihandelsabkommen. Das zwischen Kolumbien und Israel zum Beispiel wird auf 700 Millionen Dollar geschätzt, und das Militär wird der dritte Sektor sein, der am meisten davon profitiert. Unternehmen aus Israel bieten verschiedene Dienstleistungen an, auch im Sicherheits- und Waffenbereich. Dessen Ziel ist, den militärischen Kontext in den ländlichen Gebieten und in den Städten fortzuführen. Wir sind besonders besorgt, weil es sich um wirklich umfangreiche Investition handelt. Wir glauben, dass die großen Investitionen in militärische Aufklärung eingesetzt werden mit dem Ziel, die verschiedenen sozialen Bewegungen in Kolumbien zu verfolgen. In der Tat sind wir sehr darüber besorgt: Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommen am 26. November 2016 sind mehr als 100 führende Personen aus verschiedenen sozialen Bewegungen getötet wurden: Opfer waren z.B. indigene Bauern und Afro-Nachfahren.
Für uns ist das problematisch, weil all dies nach den Friedensabkommen geschah. Hauptsächlich denken wir auch daran, dass weiterhin viele Jugendliche Kolumbiens in den Militärdienst gehen - das Wehrpflichtproblem ist immer noch nicht gelöst. Wir fragen uns: Warum werden jetzt noch - nach dem Friedensabkommen - Menschen eingezogen, wo es doch im Gegensatz zu früher keinen internen Konflikt mehr gibt, mit dem man dies bisher rechtfertigte? Wir glauben, dass unsere jungen Leute zur "Exportware" werden. Sie werden Militärdienst ableisten und dann im Ausland eine Karriere als Söldner aufnehmen. Es wurde niemals problematisiert, dass sich der Staat nicht um ihr Recht auf Gesundheit, auf Arbeit und weitere Dinge kümmert. Der Staat zieht es leider vor, die Jugendlichen zu verpflichten anstatt ihnen ihre Rechte zu sichern.
Im Moment sind wir insbesondere über die Situation in Buenaventura besonders besorgt. Buenaventura ist eine Stadt an der kolumbianischen Pazifikküste, und gerade jetzt streiken sie seit ca. 20 Tagen. Buenaventura ist Kolumbiens wichtigster Hafen, 60% des Bruttoinlandproduktes werden hier bewegt. Die schwarzen, afro-kolumbianischen Gemeinschaften und Bewegungen Buanaventuras kämpfen um Bildung. Sie kämpfen für Ausbildung und Gesundheit, die ihnen bisher verweigert wurde, und es ist paradox, dass es niemals soziale Investitionen in den Haupthafen gegeben hat. Ich habe nicht die genauen Zahlen - aber wir wissen, dass derzeit viele Menschen verfolgt und verroht wurden. Es gab viel Polizeibrutalität und Stigmatisierung. Ich habe keine Zahlen, aber wir kennen Menschen, die gestorben oder verschwunden sind.
Heute, nach dem Friedensabkommen, zeigt sich eine Militarisierung von Gesellschaft und Polizei in Buenaventura, mit der die sozialen Proteste konfrontiert sind. Da haben wir als Kriegsdienstverweigerer die große Herausforderung, der kolumbianischen Gesellschaft Konfliktlösungen ohne Gewalt zu vermitteln.
Wir versuchen, unser Handeln in Form von gewaltfreier direkter Aktion zu gestalten. So wollen wir Kommunikationswege und Brücken zwischen den sozialen Bewegungen und den anderen Bereichen der Gesellschaft schaffen. Wir hoffen, die zunehmende, alltägliche Militarisierung in den Städten und auf dem Land aufhalten zu können.
OK. Gerade jetzt wird in Buenaventura in einer Art und Weise auf soziale Proteste reagiert, die nicht allein von der Polizei bestimmt wird. Nach Informationen aus den sozialen Bewegungen der Stadt sind das Marine Corps, die Marine und andere Sondertruppen aktiv geworden. Es gibt eine mobile Gruppe, die soziale Proteste bekämpfen soll (ESMAD = „Escuadrones Móviles Antidisturbios“). Sie setzt immer Tränengas ein und stellt somit eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für die Protestierenden dar.
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