Wie die USA Daten potentieller RekrutInnen sammeln

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Das US-Militär unterhält eine orwellsche Datenbank, die die intimen Details von 30 Millionen Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren enthält und den RekrutiererInnen persönliche Informationen bereitstellt, die diese in einer psychologischen Kampagne nutzen können, um Jugendliche in den ihnen zugewiesenen Regionen zu ködern. Schon vor einem Treffen weiß der/die RekrutierIn, was in Johnny's Kopf vorgeht, ob Johnny eine Freundin hat, und was sie über seine Entscheidung bezüglich seines Eintritts ins Militär denkt. Wir betrachten, wie sie das anstellen.

Ein Bundesgesetz aus dem Jahr 2002, verabschiedet unter der Regierung Bush, beschafft den militärischen RekrutiererInnen die Namen, Anschriften, und Telefonnummern aller amerikanischen OberschülerInnen, so lange Eltern und SchülerInnen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Zustimmung zur Übermittlung ihrer Daten an die RekrutiererInnen zu verweigern. Bis heute ist der Aspekt des Gesetzes, der eine Verweigerung der Zustimmung erlaubt, relativ wenig bekannt und wird auch nicht durchgesetzt.

Dieses Gesetz beschafft dem Militär die aktuellen Daten von etwa 7 Millionen OberschülerInnen in jedem Jahr. Diese Daten bilden den Grundpfeiler der massiven „Joint Advertising Market Research Studies“ (JAMRS) Datenbank des Pentagon. Sie beinhaltet: Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, Stadt, Staat, ZIP-Code, Email-Adresse, Ethnizität, Telefonnummer, Name der Oberschule, Datum des Schulabschlusses, Durchschnittsnote, Bildungsstand, Hochschulpläne, Interesse am Militär, Studienfach, derzeit besuchte Hochschule, Datum des ASVAB-Testes, und Armed Forces Qualifying Test Category Score.

Die JAMRS-Datenbank wird auch mit Daten aus dem Selective Service System aufgefüllt, nach dem 18-jährige Männer verpflichtet sind, sich für eine eventuelle Wehrpflicht zu registrieren. Das Selective Service System hat die Namen und Adressen von 15 Millionen Männern zwischen 18 und 25 Jahren. Dazu müssen die Daten der Fahrzeugregistrierung aus den meisten Staaten hinzugefügt werden. Einige Staaten verlangen von jungen Männern, sich für die Wehrpflicht zu registrieren, um mit 18 Jahren den Führerschein zu verlängern. Die finanzielle Unterstützung für Arbeitsplatztraining oder Hochschulen sowohl durch US-Staaten als auch die Bundesebene, sowie eine Arbeitsstelle beim Bund verlangen nach dem Gesetz den Nachweis der Registrierung für die Wehrpflicht.

JAMRS beinhaltet auch die Daten aus einigen beeindruckenden kommerziellen Quellen. Die Datenbank beinhaltet Informationen zu 5 Millionen HochschulstudentInnen, die von kommerziellen Einrichtungen wie z.B. der Student Marketing Group oder der American Student List erworben wurden.

So werden einschlägige Daten an die Laptops lokaler RekrutiererInnen geliefert, auf denen das PrizmNE Segmentation System installiert ist, ein Computerprogramm, das von der Nielson Company erworben wurde, deren Kunden unter anderem auch BMW, AOL, und Starbucks sind. PrizmNE ist ein topaktuelles kommerzielles Marketingsystem, das „demographische Daten, Konsumentenverhalten, und geographische Daten bezüglich individueller Aussichten“ miteinander kombiniert. Diese Information wird von den RekrutiererInnen mit persönlichen Informationen von sozialen Medien wie Twitter und Facebook kombiniert, und das Ergebnis ist erschütternd. Schon vor dem ersten Kontakt wissen die RekrutiererInnen, dass Johnny Ringkampfzeitschriften liest, 150 Pfund wiegt, 230 Pfund Bankdrücken kann, einen 10 Jahre alten Chevy Truck fährt, Pink Floyd's „Dark Side of the Moon“ gut findet, und Fliegenfischen genießt.

Und das bedeutet etwas. Die Rekrutierung ist ein psychologisches Spiel. Stell Dir mal den ersten Telefonanruf vor: „Hallo, bleib an der Leitung; der Unteroffizier hört immer laut Pink Floyd; entschuldige den Lärm … er versucht mir gerade zu sagen, dass es Zeit ist, Fliegenfischen zu gehen ...“
Die Armee muss ganz schön cool sein. Vorteil: Rekrutierer.

Die oben beschriebenen Daten zeichnen ein virtuelles Portrait eines potentiellen Rekruten, doch beinhalten sie noch nicht die kognitiven Fähigkeiten des/der zukünftigen SoldatIn. Das Armed Services Vocational Aptitude Battery (ASVAB) Career Exploration Programm (etwa: Beruf-Eignungs und Karriere-Erkundungsprogramm der Streitkräfte) bietet dieses zentrale Element, etwas, was das Pentagon nicht kaufen oder online finden kann. Der ASVAB ist der Eingangstest des Militärs, den neue RekrutInnen ableisten müssen, damit ihre Eignung für verschiedene militärische Tätigkeiten eingeschätzt werden kann. Der Test wird auch als Rekrutierungsmittel an 12.000 Oberschulen im ganzen Land eingesetzt. Der dreistündige Test wird von RekrutiererInnen genutzt, um jedes Jahr sensitive, persönliche Informationen von mehr als 660.000 OberschülerInnen überall im Land zu erhalten. Die SchülerInnen legen den Test üblicherweise an Schulen ab, ohne Wissen und Zustimmung der Eltern. Der ASVAB wird genutzt, um in den Oberschulen vorläufige Schlüsse zu ziehen, und die Ergebnisse sind für den Eintritt ins Militär für zwei Jahre gültig. Jetzt wissen die RekrutiererInnen, ob der/die Teenager rationale Funktionen kalkulieren kann oder verschiedene Benzineinspritzsysteme erkennen kann.

Webseiten

Das Verteidigungsministerium unterhält verschiedene Rekrutierungswebseiten, die Informationen sammeln. Typischerweise verbirgt das Militär seine Rekrutierungsabsichten. So müsstest Du ziemlich ausgiebig auf der www.asvabprogram.com suchen um herauszufinden, wofür die Abkürzung eigentlich steht. Die Webseite erklärt nirgends, dass der Hauptzweck des ASVAB ist, den RekrutiererInnen Informationen bereit zu stellen.

www.myfuture.com, eine ausgeklügelte Webseite des Verteidigungsministeriums, die eher einseitige Karriere, Bildungs- und Militäroptionen für Jugendliche anbietet, verrät nirgends den Bezug zur Rekrutierung. Ihre Zugehörigkeit zum Militär ist vergraben. BenutzerInnen müssen sich registrieren, um die Webseite nutzen zu können, und die Informationen werden für den Zweck der Rekrutierung genutzt.

Jede der Teilstreitkräfte, der Reserve, der National Guard Einheiten hat eine eigene Webseite, die Informationen sammelt. Die meisten sind ebenfalls auf Facebook, YouTube, und Twitter. RekrutiererInnen verwenden unzählige Stunden beim Durchforsten dieser Webseiten.

www.todaysmilitary.com ist eindeutig eine Webseite des Militärs, die Informationen über ihre NutzerInnen sammelt. Die Armee unterstützt www.BoostUp.org, ein Programm zur Prävention von Oberschulabbruch, das auch in den sozialen Medien präsent ist. Für SchulabbrecherInnen gibt es Job Corps, das in Job Corps Centers im ganzen Land etwa 60.000 Jugendlichen Hilfe anbietet. Das Militär buhlt intensiv um diese Jugendlichen, und die meisten müssen den ASVAB-Test absolvieren. Mehr als 100.000 Jugendliche haben das National Guard's Youth Challenge Program abgeschlossen, ein anderes Rekrutierungsprogramm des Militärs, das insbesondere auf SchulabbrecherInnen abzielt.

Für hochbegabte SchülerInnen unterstützt die Armee www.ecybermission.com, ein Internet-basierender Wettbewerb in angewandter Technik und Mathematik für 10-15-jährige, in dem Teams um Preise wetteifern. Die Webseite rekrutiert BotschafterInnen und Cyber-RatgeberInnen für verschiedene Wettbewerbe, die einen ausführlichen Antrag ausfüllen müssen. Ebenfalls für Hochbegabte bietet March 2 Success, www.March2Success.com, eine Webseite der Armee, standardisierte Tips für OberschülerInnen für die Absolvierung vn Prüfungen. Die BeraterInnen an Oberschulen empfehlen es SchülerInnen die studieren wollen routinemäßig, diesen kostenlosen Service zu nutzen, der aber die StudentInnen für den Zweck der Rekrutierung katalogisiert. Persönliche Informationen finden so ihren Weg zum Rekrutierer.

www.armystrongstories.com ist eine Rekrutierungswebseite der Armee, bei der es vordergründig darum geht, die Geschichten der Armee zu erzählen. SoldatInnen sind eingeladen, ihre „ungefilterte Perspektive“ zum Leben in der Armee zu teilen, doch Beiträge, die nicht mit den Leitlinien zum Inhalt übereinstimmen, werden nicht veröffentlicht. Das Leben in der Armee ist großartig.

Auf MySpace allein, einem anderen beliebten Tummelplatz für RekrutiererInnen, gibt es mehr als eine halbe Million Suchergebniss für „US Army“.

Forums auf Google und Yahoo sind ebenfalls fruchtbare Rekrutierungsfelder. RekrutiererInnen „verstecken“ sich in diesen virtuellen Räumen, und geben häufig vor, potentielle Rekruten zu sein und stellen somit Fragen, mit dem Ziel, antworten zu bekommen. „Was für eine Arbeit kann ich mit einem schlechten ASVAB-Ergebnis bekommen?“ ist eine beliebte Frage.

America's Army 3 www.americasarmy.com, als "Teen Blood Violence" bewertet, ist das offizielle Videospiel der US-Armee, das mit gewaltsamen kommerziellen Angeboten konkurriert. Das Spiel ist zu einem der effektivsten Rekrutierungsinstrumente der Armee geworden. RekrutiererInnen schleichen sich in den Ecken dieses Cyberspaces herum und tauschen Kommentare aus, z.B. zu den Vorteilen von M106 Rauchgranaten. BenutzerInnen ab 13 Jahren stimmen zu, dass Informationen „in einer Datenbank gespeichert werden“ dürfen. Die Marketingforschung deutet darauf hin, dass dies ein effektiveres Rekrutierungsmittel ist, als alle anderen Anzeigen der Armee zusammengenommen, doch die gleichen ExpertInnen warnen auch davor, dass die virtuelle Realität dazu beitragen kann, die Realität von Krieg zu verwirren.

RekrutiererInnen sammeln bei den häufigen und populären Ausstellungen von militärischem Material einen Berg von Informationen. Bei Luftschauen und Paraden sammeln sie methodisch Informationen, und selten lassen sie eine Karrieremesse aus, insbesondere an lokalen Oberschulen, Das Militär besitzt auch mehrere Dutzend „Abenteuer-Lastwagen“, Traktoranhänger mit 18 Achsen, die quer durchs Land fahren und Oberschulen besuchen. OberschülerInnen genießen es, aus der Algebra-Stunde heraus zu kommen und mit den simulierten M-16-Gewehren Runden abzufeuern. Währenddessen sammeln RekrutiererInnen Daten auf Indexkarten und PCs, die in die JAMRS-Datenbank eingegeben werden und an lokale RekrutiererInnen weitergegeben werden.

Und am Ende ist das Junior Reserve Officer Training Corps (JROTC) das wertvollste Rekrutierungsprogramm des Militärs an Schulen. Kinder ab 13 Jahren werden darauf vorbereitet, Offiziere zu werden. Ihre persönlichen Informationen werden dabei akribisch gesammelt und gespeichert. Es gibt JROTC-Einheiten an mehr als 3.200 Oberschulen im ganzen Land, bei denen SchülerInnen an militärischem Training teilnehmen und an Schießkunst-Programmen teilnehmen.
Die Vorstellung eines amerikanischen Militärs als Freiwilligenarmee ist lachhaft. Um SoldatInnen zu finden hat die USA einen massiven militärischen Rekrutierungs-Überwachungskomplex entwicklelt, und das wird nur von wenigen erkannt.

Pat Elder

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