Gewaltfreiheit globalisieren: Gewaltfreiheit in Südafrika

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Stephen Zunes, Professor of Politics, University of San Francisco

Während viele westliche Regierungen behaupteten, der wohltätige Einfluss westlichen Kapitals werde allmählich ein Ende für das Apartheidsystem Südafrikas erzwingen und viele auf der Linken behaupteten, die Befreiung werde nur durch eine bewaffnete Revolution kommen, bewirkte das in Wirklichkeit weitgehend der waffenlose Widerstand der schwarzen Mehrheit und ihrer Unterstützer, sowohl innerhalb Südafrikas als auch im Ausland.

Der Widerstand der 1980-er Jahre konzentrierte sich auf massive Verweigerung von Zusammenarbeit. Wie ein Kommentar des “Weekly Argus” am 19. 8. 1989 beschrieb,

... sind die Einschüchterungskräfte des Staates schwächer geworden; die Verehrung des Gesetzes hat sich mit der Erosion der Herrschaft des Gesetzes vermindert. Unvermeidlich ist die demütige Fügsamkeit vergangener Jahre verschwunden und Südafrika zeigt eine offene, bewusste und organisierte Kampagne der Provokation.”

Obwohl es leicht ist, an die südafrikanische Apartheidgesellschaft in Begriffen radikaler Polarisierung zu denken, also in einem Modell, das dazu neigen würde, bewaffneten Kampf als ein Mittel für den Wandel zu befürworten, erlaubte der hohe Grad gegenseitiger Abhängigkeit – wenn auch von der herrschenden weißen MInderheit unter unfairen Bedingungen auferlegt – eine breitere Handlungsoption für Veränderungen durch gewaltfreie Mittel, als es in klassisch polarisierten Gesellschaften möglich ist. Etwa die Hälfte der Afrikaner des Landes lebte in Gebieten, die den Weißen Südafrikas zugeteilt war, eingeschlossen alle Häfen, die wichtigsten Städte, die Industrie, Bergwerke und das beste Ackerland, ebenso wie praktisch alle Farbigen und Asiaten. Die weiße Minderheit existierte tagtäglich in einem hohen Grad von Abhängigkeit von der schwarzen Mehrheit, nicht bloß aufgrund ihres hohen Lebensstandards, sondern für ihr nacktes Überleben. Die gewaltfreien Aktionen stellten eine direktere Bedrohung für das Apartheidsystem dar als Gewalt.

Die zahlenmäßig überwältigende Mehrheit der Südafrikaner machte den Gebrauch gewaltfreier Aktion besonders wirksam, als sie Mitte der 1980-er Jahre in großer Anzahl zu mobilisieren begannen. Die gewaltfreie Aktion erlaubte trotz ihrer Forderung nach Disziplin und Tapferkeit angesichts der Repression die Teilnahme eines weit größeren Prozentsatzes der Bevölkerung als eine Guerillaarmee es getan hätte, und optimierte so die Überzahl der Schwarzen.

Der Übergang zu einer weithin gewaltfreien Orientierung köderte die weiße öffentliche Meinung weg von denjenigen, die eine fortdauernde weiße Herrschaft erstrebten. Die gewaltfreie Aktion warf das Regime politisch aus dem Ruder. Ein verwandter Faktor war, dass der weithin gewaltfreie Kampf der 80-er Jahre die Aussichten eines Lebens unter der Herrschaft einer schwarzen Mehrheit weniger ängstigend machte. Obwohl die Aussichten, ihre Privilegien aufzugeben, von den meisten Weißen nicht besonders begrüßt wurden, wurde der Gebrauch von Gewaltfreiheit von Seiten der schwarzen Mehrheit gegen ihre weißen Unterdrücker als ein Hinweis auf eine tolerante Haltung gesehen, die es wenig wahrscheinlich machte, dass sie im Augenblick der Machtergreifung in vorher gefürchteten Vergeltungsmaßnahmen enden würde. Der Gebrauch des bewaffneten Kampfes als des Hauptwiderstandsmittels hätte, selbst wenn Opfer unter weißen Zivilisten möglichst klein gehalten worden wären, viele Weiße veranlasst, das Schlimmste zu befürchten.

Eine Folge der Spaltungen, die innerhalb der weißen Gemeinschaft aufbrachen, war die Kampagne zur Beendigung der Einberufung, die in den 1970-ern durch weiße Jugendliche begonnen wurde, die gegen die Besetzung von Namibia und den Einmarsch in Angola waren, aber sie wuchs dramatisch Mitte der 80-er, als die Streitkräfte in die schwarzen Verwaltungsbezirke einrückten. Die Anzahl neuer offener Widerständler stieg allein 1989 auf 1000, und Tausende weiterer vermieden die Einberufung auf weniger öffentlichen Wegen. Der Widerstand schloss freiwilliges Exil ein, den Gang in den Untergrund oder die freiwillige Übernahme von Arrest und Haft für die Weigerung, sich in die Armee einberufen zu lassen. Während einige religiöse Pazifisten waren, widerstanden die meisten aus politischen Gründen.

Aktiven Widerstand gab es auch bei vorher fern stehenden Weißen zur Unterstützung der gewaltfreien Verteidigung einer Anzahl von Hausbesetzersiedlungen, wie der Crossroads-Gemeinschaft in der Nähe von Kapstadt, die von den Behörden von der Zerstörung bedroht wurden. Solche Episoden schufen ein Klima der Spaltung innerhalb der herrschenden Ordnung, das dann durch den schwarzen Widerstand ausgenützt wurde.

Die gewaltfreie Aktion erlaubte ein weitaus größeres Potential für die Schaffung von Spaltungen innerhalb der privilegierten weißen Minderheit, etwa wie man auf den Widerstand antworten solle, wie lange man gegen die unvermeidlichen Änderungen standhalten könne, die von den Revolutionären verlangt wurden, und zu welchen Kosten.

Die Vorteile von Gewaltfreiheit bei der Gewinnung von Verbündeten gingen weit über die potientiell aufgeklärten Teile der weißen Minderheit Südafrikas hinaus, nämlich indem sie sich auf die Weltgemeinschaft ausdehnte. Die Weltmeinung war von entscheidender Bedeutung. Trotz verbaler Verurteilung der Rassenpolitik half die westliche industrialisierte Welt Südafrika ununterbrochen in Form von Handel, industrieller Entwicklung, technologischer Beratung, Einfuhr von Kapital und Waffen. Südafrika wäre ohne die massive Hilfe, die es über die vierzig Jahre Apartheidherrschaft hindurch vom Westen erhielt, nicht die wirtschaftliche und militärische Macht geworden, die es war.

Vor der Verhängung von Sanktionen Mitte der 80-er Jahre belief sich der Wert des jährlichen Handels zwischen Südafrika und dem Westen auf über 13 Mrd. Dollar, was in Verbindung mit 30 Mrd. Dollar Auslandsinvestition das Land mit der großen Mehrheit grundlegender Gebrauchsgüter versorgte wie Transportmitteln, elektrischen Geräten und Maschinen, Atomtechnologie, Telekommunikationseinrichtungen und -diensten, Computertechnologie, Chemikalien und damit zusammenhängenden Produkten, Papier und Papierherstellung und anderen Gütern, die wesentlich waren für die Aufrechterhaltung Südafrikas als ein moderner industrialisierter Staat. Zusätzlich unterstützte der Westen das südafrikanische Regim durch hervorragende Bankanleihen und Kredite, insgesamt 6,5 Mrd. $, von denen viel ohne Einschränkungen an Regierungsstellen ging.

Als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Sanktionen und anderen Strafmaßnahmen gegen Südafrika drohte, legten die USA, Großbritannien und Frankreich aufgrund ihrer bedeutenden wirtschaftlichen und politischen Interessen ihr Veto ein. Von der Mitte bis zum Ende der 1980-er Jahre jedoch verhängten die meisten Industrienationen dank massiver gewaltfreier Proteste von Anti-Apartheid-Aktivisten in diesen und anderen Ländern Sanktionen gegen das Apartheid-Regime. Gewerkschaften, kirchliche Gruppen, Studenten und linke Organisationen verunmöglichten “business as usual” mit der Apartheidregierung. Diese Welle der Solidaritätsarbeit kam als Ergebnis des weithin gewaltfreien Widerstandes in Südafrka während der 80-er Jahre und der Unterdrückung vonseiten der Regierung, die daraus folgte. Wäre im Gegensatz dazu die Hauptmethode des Widerstandes bewaffneter Kampf gewesen, ist es unwahrscheinlich, dass dieselbe Höhe der Sympathie und die daraus folgende Massenbewegung hätte erreicht werden können oder ausreichend gewesen wäre, um die Sanktionsbewegung so erfolgreich zu machen.

Während der Kampf langwieriger, komplexer und nicht so ausschließlich gewaltfrei war wie andere ähnliche Kämpfe während dieser Zeit, war er einer der bedeutsamsten. Er demonstrierte, dass selbst wo so viele die Gewaltfreiheit aufgegeben hatte, Schlüsselelemente der Widerstandsbewegung ihre Macht anerkennen und unbewaffneten Widerstand für die erfolgreiche Befreiung ihres Volkes gebrauchen würden.

Stephen Zunes

Professor of Politics

University of San Francisco

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