Länderberichte und aktuelle Informationen: Singapore

Last revision: 08 Apr. 2016
08 Apr. 2016

Aktualisiert im Februar 2016

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Kernpunkte

  • Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird weder gesetzlich noch in der Praxis anerkannt.

  • Den Verweigerern, die ihrer Einberufung nicht folgen, drohen hohe Haftstrafen.

1 Wehrpflicht

Es besteht Wehrpflicht.

In Singapur wurde die Wehrpflicht wurde 1967 – kurz nach der 1965 erlangten Unabhängigkeit Singapurs von Malaysia – eingeführt. Die derzeitige gesetzliche Grundlage für die Wehrpflicht stellt das Wehrdienstgesetz aus dem Jahr 1967 dar.

Singapurs Verteidigungspolitik beruht auf dem Konzept der Total Defence (deutsch etwa: „vollumfängliche Abwehrbereitschaft“). Der Total Defence liegt das Grundprinzip zugrunde, dass alle Singapurer die Verantwortung für die Verteidigung des Landes tragen. Die Beteiligung aller Staatsbürger an der Verteidigung des Landes wird aufgrund der geringen Fläche des Landes von den singapurischen Behörden als unerlässlich angesehen. Total Defence beruht auf den fünf Säulen der psychologischen, sozialen, wirtschaftlichen, zivilen und militärischen Verteidigung.1

Der singapurischen Regierung zufolge setzt die militärische Verteidigung fest, dass „die singapurischen Streitkräfte als eine starke, alarmbereite und freundliche Streitkraft aufrechterhalten werden.“2

Zweck des Zivilschutzes ist die Ausbildung und das Organisieren der Bevölkerung, damit letztere auf Notfälle reagieren kann. Der Zivilschutz ist eine paramilitärische Truppe und besitzt Einheiten in jedem Wahlkreis. Er besteht aus 105.000 Mitgliedern, von denen die meisten Freiwillige sind.

Zu Friedenszeiten werden die Mitglieder des Zivilschutzes in Bereichen des Rettungswesens ausgebildet; dazu gehören beispielsweise Feuerwehr- und Rettungswagen-Einsätze. Sie erhalten jedoch auch eine militärische Ausbildung.3 4 5

Militärdienst

Alle Männer im Alter von sechzehneinhalb bis zu fünfzig Jahren sind wehrpflichtig. (Zwar ist das Gesetz nicht nur auf Männer beschränkt, alle im Gesetz gebrauchten Pronomina sind jedoch männlich und in der Praxis werden auch nur Männer einberufen).6

Der Wehrdienst dauert zwei Jahre und für diejenigen, die einen höheren Rang als den eines Unteroffiziers haben, zweieinhalb Jahre.7

Zum jetzigen Zeitpunkt (2016) bestehen die singapurischen Streitkräfte aus 39.000 Wehrpflichtigen. Weitere 3.500 Wehrpflichtige dienen in der singapurischen Polizei einschließlich der Küstenwache („Singapore Police Force“). Wehrpflichtige dienen auch im paramilitärischen Zivilschutz („Civil Defence Force“). Singapur verfügt auch über 30.000 „reguläre“ (nicht-wehrpflichtige) Mitglieder der Streitkräfte und der verschiedenen paramilitärischen Truppen.

Die Pflicht zum Reservedienst besteht bis zu einem Alter von vierzig Jahren; für Offiziere und Personen, die für spezielle Tätigkeiten ausgebildet sind, dauert sie bis zu einem Alter von fünfzig Jahren.

Der Reservedienst, der maximal vierzig Tage im Jahr dauern kann, umfasst Schulungen und Übungen zur Mobilmachung. Dieser Dienst kann auch im Zivilschutz geleistet werden.8 9 10

1993 ersetzte die Regierung den Begriff „Reservist“ durch „einsatzbereiter Angehöriger der nationalen Streitkräfte“ um zu betonen, dass die Reserve-Einheiten als aktive Einheiten angesehen werden. „Einsatzbereite Angehörige der nationalen Streitkräfte“, die sich durch Fitnesstests auszeichnen, erhalten Geldpreise.11 12

Zurückstellung und Befreiung

Es gibt keine eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf eine Zurückstellung oder Befreiung.

Im Abschnitt 28 des Gesetzes aus dem Jahr 1967 heißt es: „Die zuständige Behörde kann eine Person mittels eines Bescheids von allen Teilen oder irgendeinem Teil des Dienstes gemäß des Gesetzes befreien“ (der Begriff „zuständige Behörde“ steht hier für die militärischen Behörden).

In Verordnung 25 der Einberufungsbestimmungen (laut des Gesetzes aus dem Jahr 1967) werden die Kriterien, die bei der Prüfung der Anträge auf eine Befreiung berücksichtigt werden müssen, ausführlicher dargelegt: „(a) die Anforderungen der Verteidigung, Wirtschaft und des Bildungssystems Singapurs; (b) außergewöhnliche Härtefälle in Bezug auf den Antragsteller oder seiner Haushaltsmitglieder; (c) das Ausmaß, in dem die geschäftliche Verantwortung oder die Interessen des Antragstellers in seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden können.“13

Es ist zurzeit unbekannt, wie diese Erwägungen in der Praxis interpretiert und wie oft Befreiungen gewährt werden. Offensichtlich wird eine Befreiung nur aus gesundheitlichen Gründen gewährt oder Personen erteilt, die vorbestraft sind oder beweisen können, dass ihre Einberufung zu einem Härtefall für ihre Familienangehörigen führen würde.14

Die singapurische Regierung hat eindeutig erklärt: „Kein körperlich leistungsfähiger Singapurer wird von der nationalen Wehrpflicht befreit, da jeder Singapurer von dem Frieden und der Sicherheit, zu der die nationale Wehrpflicht beigetragen hat, profitiert.“15

Rekrutierung

Die obligatorische Einberufung darf gemäß dem Einberufungsgesetz nicht vor Beginn des 18. Lebensjahres stattfinden. Eine freiwillige Meldung kann jedoch zu jeder Zeit nach der Registrierung und dem Fitnesstest, die im Alter von sechzehneinhalb Jahren stattfinden, erfolgen.

Das niedrige Einberufungsalter steht im Widerspruch zu Artikel 2 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, das von Singapur unterzeichnet wurde. Nach dem Berichtsstand von 2011 war Singapur einer von nur achtzehn Staaten, die eine militärische Rekrutierung unter einem Alter von siebzehn Jahren gesetzlich erlauben.16

2 Verweigerung aus Gewissensgründen

Das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen wird gesetzlich nicht anerkannt und es existieren keine Vorkehrungen in puncto Ersatzdienst.17

Aus einer Erklärung der Regierung: „Es wird von allen männlichen Singapurern, ungeachtet ihrer Rasse oder Religion, erwartet, dass sie zur Verteidigung unseres Landes den nationalen Wehrdienst ableisten. Singapur kann für keine Gruppe eine Ausnahme gewähren.

Keinem Singapurer sollte es gestattet sein, Gründe jedweder Art vorzubringen, um von seinem Beitrag zu den nationalen Verteidigungsbemühungen befreit zu werden, da jeder Singapurer von dem Frieden und der Sicherheit profitiert, zu derer Gewährleistung der Wehrdienst beigetragen hat.“18

Es ist bekannt, dass sich zahlreiche Zeugen Jehovahs geweigert haben, den Wehrdienst auszuüben.

Sie werden vor Militärgerichte gestellt und gewöhnlich zu 12 bis 15 Monaten Freiheitsentzug in einer Militärhaftanstalt verurteilt, woraufhin eine nochmalige Einberufung erfolgt.

Eine zweite Weigerung, den militärischen Befehlen Folge zu leisten, führt wiederum zur Festnahme, Anklage und Haft, die von einem zweiten Militärgericht abhängig ist, was eine weitere Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Folge hat. Dies bedeutet, dass die Verweigerung des Wehrdienstes insgesamt mit drei Jahren Haft bestraft wird.19 Dies stellt einen ganz offensichtlichen Widerspruch zum Prinzip „ne bis in idem“ (eine Person sollte nicht wiederholt für die gleiche Straftat bestraft werden) dar. Allerdings scheint es der Fall zu sein, dass in der Vergangenheit einigen Verweigerern aus Gewissensgründen Einsätze angeboten wurden, die in der Tat mit ihren Einwänden vereinbar gewesen sind.20

Seit 1972 werden die Zeugen Jehovahs von den singapurischen Behörden als eine illegale religiöse Gruppe angesehen. Die Regierung beschloss, dass sie eine Bedrohung für das Gesetz und die Ordnung darstellen. Allerdings ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Grund für das Verbot in der Kriegsdienstverweigerung der Zeugen Jehovahs liegt.21

Singapur gehört nicht zu den Unterzeichnern des Zivilpaktes (ICCPR). Wäre dies jedoch der Fall, so stünde diese Situation eindeutig im Widerspruch zu Artikel 18. Sie steht jedoch auch im Widerspruch zu Artikel 18 der international anerkannten Menschenrechtserklärung (UDHD), der Singapur zugestimmt hat.

3 Wehrdienstentziehung und Desertion

Strafmaßnahmen

Gemäß Abs 4(2) des Einberufungsgesetzes22 wird jeder Mann, der es ohne gesetzliche Rechtfertigung versäumt, bei der Einberufung zur Registrierung zu erscheinen, nach ergangener Verurteilung mit einer Geldbuße von bis zu S$10.000 (ca. US$7.000, umgerechnet zum gültigen Wechselkurs im Jahr 2016) oder mit Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren oder mit beidem bestraft. Darüber hinaus kann das Gericht ihn dazu auffordern, an oder vor einem bestimmten Termin zur Registrierung zu erscheinen. Bei Nichtbefolgung kann eine weitere Geldstrafe verhängt werden, die sich pro Tag um S$50 (US$35) erhöht.

Praxis

Es sind weder Details darüber bekannt, wie viele Wehrpflichtige der Einberufung zum Wehrdienst nicht Folge leisten, noch darüber, wie die Wehrdienstentziehung in der Praxis kontrolliert wird.

In Anbetracht des autoritären Charakters des singapurischen Staates und der strengen Bestrafung der Zeugen Jehovahs wird davon ausgegangen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung von Wehrdienstentziehung ziemlich rigoros sind.

Alle männlichen Bürger und permanenten Einwohner in einem Alter von dreizehn bis vierzig (in bestimmten Fällen fünfzig) Jahren benötigen zur Überschreitung der singapurischen Grenzeoder zu einem Aufenthalt außerhalb von Singapur eine Ausreisegenehmigung, die vom Regierungsrat der Streitkräfte („Armed Forces Council“) ausgestellt wird. Dies ist ein schwerer Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit, das in Artikel 13 der international anerkannten Allgemeinen Menschenrechtserklärung (UDHR) garantiert wird. Bei einer unberechtigten Abwesenheit von mehr als zehn Jahren kann den Betroffenen die Staatsbürgerschaft entzogen werden, was einen Verstoß gegen Artikel 15 der UDHR darstellt.

5 Geschichte

Singapur war bis 1959 eine britische Kolonie und wurde dann innerhalb des Commonwealth autonom. 1963 vereinigte sich Singapur mit Malaya, Sarawak und Sabah, um die Föderation Malaysia zu bilden. Spannungen zwischen Malaien – dominierend in der Föderation – und Chinesen – dominierend in Singapur – führten zum Ausschluss Singapurs aus Malaysia im Jahr 1965.

Ein Teil der ethnischen Spannungen in Malaysia war auf die Weigerung vieler Chinesen, den Wehrdienst abzuleisten, zurückzuführen. (siehe: Malaysia)

Kurz nach der Trennung von Malaysia beschloss die Regierung, dass die Einführung der Wehrpflicht die beste Methode darstelle, um die Streitkräfte des Landes aufzubauen.

Berichten zufolge waren singapurische Regierungschefs von Israels regulären Streitkräften, die zwar zahlenmäßig nicht sehr stark sind, aber von einem großen Reservistenkontingent unterstützt werden, beeindruckt. Sie glaubten, dass die Entwicklung dieser Art von Streitkräften den Nationalstolz und die Eigenständigkeit befördern würde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beziehungen Singapurs zu Malaysia und Indonesien besonders angespannt.23

Danksagung

Diese Aktualisierung fand im Jahr 2016 in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Versöhnungsbund (International Fellowship of Reconciliation) statt und zwar dank der Recherche, die für seine Vorlage aus dem Jahr 2015 für die „Universelle Periodische Berichterstattung“ (2015 submission to the Universal Periodic Review) über Kirgisistan durchgeführt wurde.

1 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

2 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

3 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

4 Ministry of Information and the Arts of Singapore (Singapurisches Ministerium für Information und die Künste) 1993. Singapur 1993.

5 Narayanan, Arujunan 1997. ‘Singapore’s Strategy for National Survival’ („Singapurs Strategie für das nationale Überleben“), in: Asian Defence Journal, 1/1997.

6 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

7 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

8 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

9 Ministry of Information and the Arts of Singapore (Singapurisches Ministerium für Information und die Künste) 1993. Singapur 1993.

10 Narayanan, Arujunan 1997. ‘Singapore’s Strategy for National Survival’ („Singapurs Strategie für das nationale Überleben“), in: Asian Defence Journal, 1/1997.

11 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

12 Interview mit Leutnant General Ng Jui Ping, in: Asian Defence Journal, 10/1994.

13 Regional Council on Human Rights in Asia (Regionaler Rat der Menschenrechte in Asien, RCHRA), 1989. ECOSOC (Wirtschafts- und Sozialrat), 28. November 1989.

14Prisoners for Peace Day Supplement‘ (Beilage anlässlich des „Tages der Gefangenen für den Frieden“) in: Peace News, Dezember 1997, London.

15 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

16 Child Soldiers International“ (zuvor: „Coalition to Stop the Use of Child Soldiers“), Louder than words: an agenda for action to end state use of child soldiers („Lauter als Worte: ein Aktionsprogramm zur Beendung des staatlichen Einsatzes von Kindersoldaten“), London, September 2012, S. 53.

17 Amnesty International 1991. Conscientious objection to military service („Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen“). AI, London.

18 Ministry of Defence of Singapore (Singapurisches Verteidigungsministerium) 1997. National Service fact sheet (Wehrdienst-Merkblatt) 1997.

19 Amnesty International 1995. Amnesty International condemns imprisonment of Jehovah’s Witnesses („Amnesty International verurteilt die Verhängung von Freiheitsstrafen gegenüber Zeugen Jehovahs“). AI, London.

20 Generalrat der Zeugen Jehovahs. Informationen zufolge, die dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) in Beantwortung des Fragebogens über „bewährte Praktiken bezüglich des Rechtes, das jede Person auf Kriegsdienstverweigerung hat“, August 2003, Antworten auf die Fragen 1, 4 und 5.

21 Amnesty International 1995. Amnesty International condemns imprisonment of Jehovah’s Witnesses („Amnesty International verurteilt die Verhängung von Freiheitsstrafen gegenüber Zeugen Jehovahs“). AI, London.

22 Gesetz 25 vom 21. Mai 1970, mehrfach aktualisiert, zuletzt durch Gesetz 16 vom 19. April 2001. Der Text steht zur Verfügung unter /sites/default/files/public_files/2001-Enlistment-Act.pdf

23 US Library of Congress, 1989. Singapore - a country report („Singapur - ein Länderbericht“). Area Handbooks, State Department, Washington DC.