Krieg und Vertreibung im Kosovo - Ist die NATO Brandstifter oder Feuerwehr?

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Christine Schweitzer

Arbeitspapier Nr. 11

5. Juni 1999

IFGK, Arbeitspapier Nr. 11, Wahlenau, Juni 1999.

Bezugsadresse: BSV, Ringstr. 9a, 32427 Minden.

Institutsadresse: Hauptstr. 35, 55491 Wahlenau


Zusammenfassung

  1. Die Rechtfertigung des Nato-Angriffes mit der Verhinderung ethnischer Säuberung ist als propagandistische Überzeichnung und nachgeschobene Rechtfertigung einzustufen. In offiziellen Regierungs- und Nato-Dokumenten ist davon bis zu Beginn des Krieges am 24. März 1999 nicht die Rede, sondern allein von der "Verhinderung einer humanitären Katastrophe".
  2. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im letzten Jahr handelte es sich um Kämpfe zwischen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK und den serbischen / jugoslawischen Polizei- und Truppenverbänden. Das Ziel Belgrads war nicht eine "ethnische Säuberung" des Kosovo, sondern ein unter massivster Gewalt und Brutalität gegen die Zivilbevölkerung geführter Versuch, die UCK auszulöschen.
  3. Der Truppenaufmarsch der jugoslawischen Armee und die eskalierenden, immer weitere Regionen in Mitleidenschaft ziehenden Kämpfe von Januar bis März 1999 standen ebenfalls in diesem Paradigma der Bekämpfung der UCK, ließen aber eine Zuspitzung des Konfliktes für die nächsten Monate befürchten. Inwieweit die Truppenstationierungen auch eine Vorbereitung auf einen erwarteten Nato-Angriff darstellten, kann nicht definitiv behauptet werden, wenngleich es naheliegt.
  4. Die von GegnerInnen der Nato-Angriffe angestellte Vermutung, daß es ohne den Angriff der Nato heute weniger Vertriebene und Flüchtlinge im Kosovo gäbe, läßt sich angesichts der sich andeutenden Eskalation nicht erhärten.
  5. Es ist nicht mit letzter Sicherheit auszumachen, welche militärischen und politischen Ziele Belgrad während des Krieges nach dem 24. März im Kosovo verfolgte. Es scheint wahrscheinlicher, daß man sich im Endergebnis eine Teilung des Kosovos als "Kompromiß" erhoffte, als daß man glaubte, alle Albaner aus dem Kosovo langfristig vertreiben zu können.
  6. Was immer bei einem Verzicht der Nato auf den Angriff passiert wäre, der Angriff führte zu Flucht und Vertreibung in einem bislang nicht gekannten Ausmaß und neuen `Qualität', die von der Nato auch nicht gestoppt werden konnten.

Summary

  1. Nato legitimizes its attack on Yugoslavia by saying that this was necessary to prevent "ethnic cleansing". This has to be considered as propaganda, and as a legitimization given only after the attacks started. In official documents of the (German) government and of Nato they only referred to the "prevention of a humanitarian catastrophe". It was only after the war started on the 24thof March that they mentioned "ethnic cleansing".
  2. The armed conflict last year was a war between the Kosovo Liberation Army UCK and Serbian/Yugoslav police and army forces. Belgrade's objective wasn't the "ethnic cleansing" of Kosovo, but stopping the UCK, using massive violence and brutality against the civilian population under the way.
  3. From January to March 1999 more and more Yugoslavian troops became actively involved in further regions of Kosovo. Although the escalation of the fighting was aimed at destroying the UCK, it led to fears that the conflict may grow. Even though the troop concentration could also be seen as a preparation for the expected attack by Nato, cannot be proven, however likely it seems.
  4. The assumption made by many opponents of the Nato attacks, that there would have been less displaced people and refugees (from Kosovo) today if Nato had not attacked, can not be supported by the data available.
  5. It is not too clear exactly which military and political objectives Belgrade has been pursuing after the 24th of March. It seems likely that it hoped for a division of Kosovo as a final "compromise" to be achieved in ceasefire negotiations rather than expecting to get away with driving all Albanians out of Kosovo.
  6. Whatever would have happened if Nato had not attacked: It was their attack which led to the flight and the deportation of Kosovars of character and level hitherto unknown which Nato proved unable to stop.

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

In den Argumentationen der GegnerInnen wie der VerteidigerInnen des (nicht erklärten) Krieges der Nato gegen die Bundesrepublik Jugoslawien spielen die massenhaften Vertreibungen der Kosovo-Albaner ("ethnische Säuberung") eine wichtige Rolle. Die GegnerInnen des Krieges erheben den Vorwurf, daß die Angriffe der Nato die Vertreibungen verursacht hätten[1]. Die BefürworterInnen der Angriffe behaupten hingegen, daß die Vertreibungen schon angelaufen waren und der Beschluß zum Eingreifen der Nato gefällt wurde, um sie zu stoppen[2]. Ein ähnliches, wenngleich nicht identisches Argument heißt, daß die Vertreibungen zwar vielleicht noch nicht im Gange waren, aber auf jeden Falle geplant und in diesem Jahr eingetreten wären[3].

Ziel dieses Gutachtens ist, der Frage nachzugehen, welche Fakten für die eine oder andere Position sprechen. Es wurde als "Eilauftrag" innerhalb weniger Tage im wesentlichen zwischen dem 13. und 24. Mai angefertigt. Als Quellen wurde fast ausschließlich auf Berichte in Tageszeitungen, von NGOs und Verlautbarungen von Regierungen und internationalen Organisationen zurückgegriffen. Diese haben gegenüber der eher kommentierenden Sekundärliteratur den Vorteil, daß sie zeitnah erstellt wurden und daher nicht in den Verdacht geraten können, im Rückblick Geschehnisse umzudeuten. Als Sekundärliteratur wurden ausschließlich Publikationen berücksichtigt, die wissenschaftlichen Standards bei der Belegung ihrer Aussagen berücksichtigen[4].

Ein Wort zur "Objektivität" dieser Studie: Sie wurde vom IFGK in der Hoffnung in Auftrag gegeben, den Nachweis führen zu können, daß die Argumentation der Nato-Befürworter falsch sei. Dabei handelte es sich um eine Erwartung, die ich teilte, zumal ich mich privat wie in meiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführerin des Bundes für Soziale Verteidigung gegen den Krieg engagiere. Trotzdem habe ich versucht, die vorliegenden Daten so "neutral" wie möglich zu bewerten. Ich glaube, daß diese Daten unabhängig von dem politischen Interesse von Autorin und Auftraggeber für sich sprechen.

Abschließend danken möchte ich besonders Clemens Ronnefeldt und Christian Büttner für die Unterstützung bei der Suche nach Quellenmaterial und Dr. Barbara Müller, die nicht nur die Idee für diese Studie lieferte, sondern sie auch in allen Phasen unterstützend begleitete.


2. Begründungen und Rechtfertigungen für den Angriff der Nato am 24. März 1999

Die offizielle Begründung der Nato für ihren Angriff spricht nicht von einer Verhinderung "ethnischer Säuberung". Statt dessen benannte sie ursprünglich drei Forderungen, die die jugoslawische Regierung zu erfüllen habe: Akzeptanz des Rambouillet-Abkommens, Einhaltung der Obergrenzen von Armee und Polizei wie am 25. Oktober 1998 im Abkommen mit der OSZE vereinbart und Beendigung der "exzessiven und unverhältnismäßigen Gewaltanwendung" im Kosovo[5]. Gleichzeitig wurde von Beendigung der Gewalt und dem Stoppen der `humanitären Katastrophe, die jetzt in Kosovo stattfindet', gesprochen[6].

Kurz nach Ostern wurden aus den drei Punkten fünf Punkte, die bis heute (Mitte Mai 1999) Bestand haben: Ende aller Militäraktionen im Kosovo, völliger Abzug von Militär und Polizei, Zustimmung zur Stationierung einer "internationalen Militärpräsenz", Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen erlauben; Bereitschaft, auf politische Rahmenvereinbarung auf der "Grundlage der Vereinbarungen von Rambouillet" hinzuarbeiten[7].

In Erläuterungen zu dem Beschluß, wie sie z.B. Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Erklärung der Bundesregierung am 26. März abgab, werden allerdings deutlichere Worte gefunden: "Das Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte im Kosovo zu unterbinden und um eine humanitäre Katastrophe dort zu verhindern." Und weiter unten: 250.000 Menschen mußten aus ihren Häusern fliehen "oder wurden gar mit Gewalt vertrieben. Allein in den letzten sechs Wochen haben noch einmal 80.000 Menschen dem Inferno, das es dort gibt, zu entrinnen versucht."[8]

Und von dieser Begründung ist es dann nur noch ein Schritt zu der Behauptung, die "ethnische Säuberung" habe schon begonnen gehabt, wie sie z.B. in einem Papier des Bundesvorstandes von Bündnis 90-Die Grünen aufgestellt wird: "Das Verhalten des Milosevic-Regimes ließ in der politischen Realität eine andere als die getroffene Entscheidung nur um den Preis zu, daß wir die anlaufende massenhafte Vertreibung und das Morden ohne Einmischung hingenommen hätten."[9]

Ganz deutlich formuliert es das Auswärtige Amt in einer Pressemitteilung mit dem Titel "Die serbische Strategie der `ethnischen Säuberungen' "vom 31. März 1999: Dort wird behauptet, daß nach Ausbruch der Kämpfe im März 1998 von den serbischen Sicherheitskräften eine gezielte Vertreibungsstrategie und eine Politik der verbrannten Erde betrieben wurde, wie spätestens seit dem Massaker in der Ortschaft Malisevo Ende Juli 1998[10] zu erkennen gewesen sei. Anfang Januar 99 sei absehbar gewesen, daß es im bevorstehenden Frühjahr zu neuer Offensive mit weiteren Vertreibungen kommen werde. "Als die NATO-Luftoperationen begannen, war die `ethnische Säuberung' bereits in vollem Gange." [11]

Der Beschluß, militärisch zu intervenieren, wurde zwar erst im März 1999 in die Tat umgesetzt, grundsätzlich gefällt wurde er aber schon im Herbst 1998. In dem vom Bundestag mit großer Mehrheit am 16.10. 98 angenommenen Antrag der Bundesregierung lautet die Begründung, das `unverhältnismäßige gewaltsame Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte im Kosovo habe zu 290.000 Flüchtlingen und Binnenvertriebenen geführt...Die Lage werde, wenn nichts unternommen werde, in Kürze zu einer humanitären Katastrophe führen.' [12]

Gemäß einer Studie der Bundeswehrhochschule Hamburg[13] wurde die Notwendigkeit einer militärischen Operation seit 1998 dreifach begründet: Humanitäre Gesichtspunkte verlangten, die Menschen im Kosovo, die bewaffneten Angriffen ausgesetzt sind, nicht im Stich zu lassen. Ähnliches wie in Bosnien-Herzegowina dürfe nicht nochmal geschehen. Politisch wurde argumentiert, Staatsführern wie Milosevic müsse man mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Außerdem würden sicherheitspolitische Aspekte, nämlich die Gefahr des Übergreifens der Auseinandersetzungen auf Albanien und Makedonien, angeführt.

Das heißt: Die Rechtfertigung des Nato-Angriffes mit der Verhinderung ethnischer Säuberung ist als propagandistische Überzeichnung und nachgeschobene Rechtfertigung einzustufen. In offiziellen Regierungs- und Nato-Dokumenten ist davon bis zu Beginn des Krieges am 24. März 1999 nicht die Rede, sondern allein von der "Verhinderung einer humanitären Katastrophe".


3. Was verbirgt sich hinter "ethnischer Säuberung des Kosovo"?

Spätestens seit der Aufhebung der Autonomie des Kosovo 1989[14] und des in Reaktion darauf entwickelten friedlichen Widerstandes der Kosovaren (1989/90 - 1997/98), der die Gewinnung der Unabhängigkeit des Kosovo zum Ziel hatte, wurden verschiedene Zukunftsszenarien für den Kosovo gezeichnet. Neben der Beibehaltung des Status Quo als integralem Bestandteil Serbiens, der Wiederherstellung irgendeiner Form von Autonomie innerhalb Serbiens, der Etablierung des Kosovo als dritter Republik Jugoslawiens, einer Balkan-Konföderation, der Unabhängigkeit des Kosovo und des Anschlusses an Albanien[15] wurden zwei Szenarien gezeichnet, die Umsiedlungen/Vertreibungen in großem Maßstab bedeuten würden:

1. Die Teilung des Kosovo in einen serbischen und einen kosovo-albanischen Teil und

2. die Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo.

3.1 Die Teilungspläne

Bei dem Gedanken einer Teilung des Kosovo gibt es zwei Grundmodelle: Das eine sieht vor, daß der nicht bei Serbien verbleibende kosovo-albanische Teil frei sein würde, die Unabhängigkeit zu wählen. Das andere Modell spricht allein von einer `kulturellen Autonomie' des verbleibenden Teiles[16].

Der Vorschlag, den Kosovo in einen serbischen und einen kosovo-albanischen Teil zu teilen, tauchte in jüngerer Zeit[17] erstmalig in dem berüchtigten Memorandum der Serbischen Akademie der Künste und Wissenschaften von 1986 auf, das die Blaupausen eines "Großserbiens" lieferte und u.a. von dem späteren jugoslawischen Präsidenten Dobrica Cosic unterzeichnet wurde[18]. Diesem Plan zufolge sollten die Serben mit Ausnahme von Visoki Decani all die Gebiete erhalten, wo sich mittelalterliche Klöster befanden. Von der kosovo-albanischen Führung wurde der Plan scharf abgelehnt; die einzige denkbare Variante sei eine, wo es zu einem Gebietsaustausch komme. Präsident Rugova nannte explizit die nicht im Kosovo gelegenen Orte Bujanovac, Medvedje und Presevo, die an den Kosovo angeschlossen werden könnten.

Der Teilungsplan wurde 1994 wieder aufgegriffen von der Serbischen Neue-Demokratie-Partei, einem Koalitionspartner von Milosevic. Sie schlug vor, einige Grenzgebiete des Kosovo Serbien zuzuschlagen, bestimmten Städten wie Prishtina, Prizren, Djakovica und Pec einen speziellen Status als "freie Städte" zu geben und dem Rest des Kosovo (mit Prizren u.a.) kulturelle Autonomie innerhalb Serbiens zu gewähren. (Also eine Autonomie, die hinter der Verfassung von 1974 zurückbliebe.)

Zwei Jahre später, im Juni 1996, wagte Aleksandar Despic, der Leiter der Serbischen Akademie der Künste und Wissenschaften, wieder auf den Vorschlag einer Teilung des Kosovo mit Unabhängigkeit des kosovo-albanischen Teiles zurückzukommen[19]. Sein Vorschlag, hinter dem manche Milosevic als geistigen Vater vermuteten, stellte für die serbischen (Ultra-) Nationalisten einen Schock dar, da er auf die Aufgabe eines Teiles des Kosovo hinauslief. Aber auch für die Kosovo-Albaner war er unannehmbar, weil er den Verlust wichtiger Teile des Kosovo und die Umsiedlung von fast der Hälfte der Bevölkerung bedeuten würde[20].

3.2 "Ethnische Säuberung" des Kosovo

Die Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo stand in den letzten Jahrzehnten nicht mehr offen auf der Tagesordnung serbischer Nationalisten. Dennoch war die Vorstellung präsent, wie Stefan Troebst richtig feststellt: "Although not proclaimed publicly even by militant Serbian nationalists, the project of cleansing parts or even all of Kosovo of its Albanian population is on the hidden agenda of the regime and the nationalist opposition alike. In view of the Drenica massacre which caused amongst others the long-term displacement of at least 17.000 people, the project of expelling up to 2 million people from their homes and of driving them into neighbouring Albania and Macedonia seems much less utopic than it did before. The explanation of the Drenica events by the Kosovo Albanian Presidency as aiming at driving the Albanians out of Kosovo cannot be rejected offhand."[21]


4. Was geschah bis zum 24. März 1999 im Kosovo? Eine Chronik der Ereignisse

Viele Jahre, von 1989 bis 1996, ging die Gewalt im Kosovo fast ausschließlich von der serbischen Polizei aus. Willkürliche Festnahmen und Mißhandlungen in Polizeigewahrsam (wobei auch einige Menschen ihr Leben verloren) waren an der Tagesordnung[22]. Die Kosovo-Albaner befolgten die von ihrer gewählten Führung unter Präsident Rugova vorgegebene "friedliche Strategie", die allein auf den Aufbau paralleler Strukturen (Bildung, Gesundheit, politisches System) setzte. Doch die politische Situation blieb unverändert, und nach Dayton wurde vielen Menschen im Kosovo bewußt, daß man sich vergeblich darauf Hoffnung gemacht hatte, daß die `internationale Gemeinschaft' das Streben nach Unabhängigkeit unterstützen werde[23]. Eine Reaktion darauf war das Aufkommen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK[24], die erstmalig mit vier fast gleichzeitigen Anschlägen am 22. April 1996 von sich reden machte[25]. Ende Oktober 1997 traten Kämpfer der UCK das erste Mal öffentlich anläßlich einer Beerdigung auf und straften damit jene Lügen, die behaupteten, daß es die UCK nicht gebe oder sie nur eine Erfindung serbischer Provokateure sei. (Präsident Rugova behielt diese Position bis lange in 1998 hinein bei)[26]. Danach begannen sich die Anschläge zu häufen; allein im November 1997 gab es 13 Tote innerhalb von vier Tagen bei Überfällen der UCK auf die Polizei bei Vojnik und Decani. Als Hochburgen der UCK galten Srbica (albanisch Skenderaj) und Glogovac (Gllogovc)[27] in der Region Drenica - mehr als 50 Einzeldörfer und Streusiedlungen, die von serbischen Ordnungskräften bis Januar 1998 kaum noch betreten wurden[28]. Die Polizei zeigte im ganzen Kosovo erhöhte Präsenz; Straßensperren und Festnahmen nahmen zu[29].

Ende Februar 1998 kam es zu mehreren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der UCK und der serbischen Polizei in der Region Drenica, die allein an einem Tag (28.2.98) 20 Tote forderten, darunter 4 Polizisten. Auslöser war laut Zeitungsberichten der Überfall von Albanern auf eine Polizeistreife nahe dem Dorf Likosane[30].

Am 6. März schließlich sprachen die deutschen Tageszeitungen vom Krieg im Kosovo. Serbische Panzerkolonnen der Sonderpolizei stürmten mehrere Dörfer in der Region Drenica; die Menschen flohen[31]. Zahlen kosovo-albanischer und serbischer Menschenrechtsorganisationen zufolge starben über achtzig Menschen in diesen ersten Tagen, bis zu 20.000[32] flohen aus Drenica[33].

Die UCK bekam in den Wochen nach Drenica großen Zulauf. Ihre Größe im Sommer 1998 wurde auf 20-30.000 Mann geschätzt[34]. Der gewaltlose Widerstand wurde von den meisten Menschen als gescheitert angesehen und die UCK als die jetzt notwendigen Verteidiger[35]. Eine Rolle, die sie in der folgenden Zeit nicht einlösen konnte.

Ende März sagten Beobachter vor Ort neue Angriffe der UCK entweder in Podujevo oder Decani voraus. Decani liegt nahe an der albanischen Grenze, so daß, so wurde spekuliert, die UCK sich eine Internationalisierung des Konfliktes erhoffen könnte, sofern Albanien in die Auseinandersetzungen hineingezogen werde. Podujevo, das an der serbischen Grenze liegt, hatte nur 1% serbische Bevölkerung[36].

Tatsächlich berichteten die Zeitungen Ende April von Schießereien an der albanischen Grenze und von Artilleriebeschuß von Dörfern im Südosten des Kosovo[37]. Immer mehr Menschen waren auf der Flucht, auch Serben. So sollen fast alle serbischen Familien aus Region um Decani geflohen sein.[38].

Ende Mai wurde von einer neuen Offensive der serbischen Sonderpolizei berichtet, die sich besonders auf Gebiete nahe der albanischen Grenze konzentrierte[39]. Am 5.6. berichteten Presseagenturen von systematischen Vertreibungen in der Grenzregion zwischen Decani und Djakovo. Es war die Rede von 40.000 bis 50.000 Vertriebenen und Flüchtlingen, davon 12.000 in Albanien[40]. Belgrad blieb bei seiner Darstellung, daß es allein gegen Terrorismus vorginge[41]. Die angegebene Zahl der Flüchtlinge variierte erneut sehr stark. Am 10.6. sprach die FAO von 7.500 Flüchtlingen in Albanien und 6.000 in Montenegro, das UNHCR von 10.700 in Albanien und mehr als 8.000 in Montenegro[42]. Die Zahl der Binnenvertriebenen im Kosovo wurde vom UNHCR mit 42.000 beziffert[43].

Am 15.6. wurden Angriffe der jugoslawischen Armee im Westen des Kosovo (Decani) gemeldet[44].

Doch die Regionen, wo gekämpft wurde, waren weiterhin vor allem die Gebiete, in denen die UCK als besonders stark galt[45]. Allerdings wurden auch Zerstörungen in Decani gemeldet, wo keine Kämpfe stattgefunden hatten. US-Sonderbeauftragter Holbrooke beschuldigte Belgrad, daß jugoslawische Sicherheitskräfte die Häuser zerstörten und die Menschen vertrieben[46].

Nachdem es Holbrooke nicht gelang, einen Waffenstillstand zu vermitteln, kam es zu "wide attacks in Kosovo to recapture pockets held by the rebels and reopen roads that have been blocked for weeks, Western diplomats and military officials said Friday."[47] Am 27.6. wurden Kämpfe an der Straße Prishtina-Prizren[48] und am 30.6.98 um eine Kohlenmine (Belacevac) 10-20 km westlich von Prishtina gemeldet, die angeblich seit einer Woche von der UCK kontrolliert wurde[49]. Es handelte sich um die dritte Offensive der serbischen "Ordnungskräfte" seit März des Jahres. Sie verursachte eine neue Flüchtlingswelle - 30.000 Menschen flohen aus der betroffenen Bergbauregion[50]. Am 7. Juli wurden Kämpfe in Lodja, 75 km westlich von Prishina gemeldet. UCK und Belgrad beschuldigten sich gegenseitig, angegriffen zu haben[51]. Zwei Wochen später wurde berichtet, daß ein Drittel der albanischen Einwohner von Pec die Stadt verlassen hätten und nach Montenegro geflohen seien, obwohl es in Pec keine Kämpfe gab. Dies wurde auf die Kämpfe im nahegelegenen Lodja zurückgeführt[52].

Mitte Juli warnte Bundesaußenminister Kinkel davor, daß sich die UCK auf die Städte im Kosovo zubewegen könnte. Deshalb gelte es, zunächst die militärischen Kampfhandlungen einzustellen[53]. Dieses Zitat belegt, daß auch zu diesem Zeitpunkt, kurz vor dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 1998, die politischen Beob-

achter den Krieg als Auseinandersetzung zwischen UCK und serbischem Militär, nicht als geplante Vertreibungsmaßnahme werten. Am 30.7. wurde gemeldet, daß der Ort Malisevo menschenleer sei, nachdem er von der UCK aufgegeben worden war. Dort hatten sich auch 20.000 Flüchtlinge aus Orahovac, das in der Woche zuvor angegriffen worden war, aufgehalten[54]. Wenige Tage danach wurde von einem namenlos bleibenden "von der UCK gehaltenen" Ort berichtet, was Flüchtlinge aus der Umgebung zu erzählen hatten: Serbische Polizisten zerstörten systematisch ihre Dörfer, vertrieben die Bewohner mit Schußwaffen und zündeten die Häuser an. Die UCK sei dagegen hilflos[55].

Anfang August war die Rede von 180.000 Flüchtlingen und Vertriebenen, 437 toten Albanern und 138 vermißten (entführten?) Serben und Montenegrinern[56]. Im gleichen Zeitraum wurde berichtet, daß mehr als 20.000 Serben schon den Kosovo verlassen hätten; viele verkauften ihre Häuser aus Furcht vor einem größeren Krieg im Herbst[57]. Am 20. August[58] und am 27.8.[59] wurden Kämpfe in Djakovica gemeldet. Am 21.8.98 schrieben deutsche Zeitungen, daß die UCK "so gut wie besiegt" sei[60]. Adem Demaci, der spätere Sprecher der UCK, sprach demgegenüber von 30.000 Kämpfern der UCK, die ihr Hauptquartier in Likovac habe[61].

Die Zahlen für die Vertriebenen und Flüchtlinge gingen weiterhin weit auseinander. Die LDK sprach im September von 400.000 Vertriebenen seit Ausbruch der Kämpfe insgesamt, serbische Behörden im Kosovo von 230.000[62], davon 60.-70.000 neuen Vertriebenen in den letzten Wochen. Internationale Medien nannten ähnliche Zahlen. Die Nato bereitete nach einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, die das Ende der Kämpfe im Kosovo fordert, Luftangriffe vor[63]. Die Hochkommissarin des UNHCR, Frau Ogata, warf Milosevic eine `terroristische Offensive' im Kosovo vor, als Berichte von zwei Massakern bekannt werden. Als Ursache der Massenflucht benannte sie Angst der Menschen vor den serbischen Truppen. Die serbische Sonderpolizei treibe Menschen in die Flucht, indem sie deren Häuser anzünde und plündere. Von den meisten Flüchtlingen in den Wäldern hätten die meisten inzwischen eine Bleibe gefunden[64].

Am 16. Oktober unterzeichnete Milosevic für die BR Jugoslawien das Abkommen mit der OSZE[65]. Das zunächst auf ein Jahr befristete Mandat der OSZE umfaßte im wesentlichen

  1. die Überwachung der Einhaltung des Waffenstillstandes (UN-Resolution 1199);
  2. Einrichtung einer permanenten Präsenz im Kosovo, soweit dies zu der Erfüllung der Aufgaben notwendig ist;
  3. Enge Verbindung mit den Behörden, Parteien und anderen Organisationen der Bundesrepublik Jugoslawien, Serbiens und Kosovos sowie mit akkreditierten internationalen und Nichtregierungs-Organisationen halten;
  4. Überwachung von Wahlen im Kosovo;
  5. Berichterstattung und Abgabe von Empfehlungen an die OSZE und UN.

Danach wurde berichtet, daß sich die Lage im Kosovo spürbar verbessere. Sonderpolizei und Militär zogen sich bis zur Erreichung der Vorkriegs-Höchstgrenzen von 10.000 Polizisten und 15.000 Soldaten zurück und die Vertriebenen kehrten langsam zurück. Es gab aber auch neue Angriffe[66] der UCK auf Polizeistellungen[67] und die UCK zeigte wieder Präsenz in den Dörfern. In Malishevo wurden sogar zwei LDK Politiker entführt ("verhaftet"), weil sie die UCK nicht unterstützt hätten. Serbische Checkpoints wurden durch Checkpoints der UCK ersetzt[68].

"Die `Befreiungsarmee Kosovos' (UCK) behinderte nach Ansicht westlicher Diplomaten den Friedensprozeß mehr als serbische Polizei und jugoslawische Armee-Einheiten. Die Freischärler der UCK ignorierten den Waffenstillstand in Kosovo, sagte ein westlicher Diplomat laut der Nachrichtenagentur Reuters. Sie seien grob, unkooperativ und erschreckend brutal gegen Serben, aber auch gegen ihre eigenen Leute."(FR vom 22.12.98[69]).

In der zweiten Dezember-Hälfte kam es im Kosovo wieder zu größeren Kämpfen. Am 19. Dezember führte das jugoslawische Militär eine "Übung" in Podujevo durch. Am 24.12. wurden von Armee und Militärpolizei Stützpunkte der UCK angegriffen[70]. Auch danach gingen die Auseinandersetzungen weiter[71]; Anfang Januar wurden in Podujevo acht jugoslawische Soldaten von der UCK gefangengenommen, Jugoslawien reagierte mit Granatbeschuß[72] in der Region.

Am 15. Januar wurde eine neue Offensive der serbischen Polizei in Racak gemeldet[73]. Am 16.1. wurden dort nach Ende der Kämpfe 45 Tote Albaner entdeckt[74]. Um das `Massaker von Racak', das eine wichtige Rolle bei der Situationseinschätzung der westlichen Politik spielte[75], rankt sich bis heute eine Diskussion, wer die Toten wirklich gewesen sind. Eine finnische Untersuchungskommission wurde beauftragt, die Toten zu untersuchen. Ihrem Abschlußbericht zufolge, der Journalisten allerdings nur in Form einer Zusammenfassung zugänglich gemacht wurde[76], handelte es sich bei den Toten eindeutig um ZivilistInnen, nicht wie behauptet wurde, um UCK-Kämpfer oder gar um Serben[77].

In der Region um Podujevo nahmen die Kämpfe inzwischen an Heftigkeit zu, während der Rest des Kosovo relativ ruhig blieb[78]. Anfang Februar wurden dann wachsende Kämpfe und Konzentration jugoslawischen Militärs in verschiedenen Regionen des Kosovo (Podujevo, Rogovo, Stimlje-Suva Reka) gemeldet[79].

Am 6. Februar begannen die Gespräche in Rambouillet; in dieser Zeit werden keine größeren Kämpfe gemeldet. Nach Sicht der Beobachter vor Ort warteten alle Seiten auf das Ergebnis der Verhandlungen[80].

Mitte Februar war ein Truppenaufmarsch des jugoslawischen Militärs zu beobachten, das Stellungen entlang der wichtigsten Verkehrswege besetzte[81]. Kämpfe bezogen jetzt den Südosten des Kosovo an der Grenze zu Makedonien ein, der zuvor ruhig geblieben war. Mehr als 5.000 Menschen flohen[82]. Am 1. März wurden Kämpfe in Süd-Kosovo gemeldet[83]. Am 3. März wurde von Kämpfen an der Grenze zu Makedonien, westlich von Vucitrn und südlich von Mitrovica berichtet. Gleichzeitig kehrten aber auch 2.000 Vertriebene nach Malisevo zurück[84].

Während der zweiten Runde von Rambouillet[85] blieb es nicht wie während der ersten Runde relativ ruhig, sondern fast jeden Tag wurden Scharmützel, manchmal auch heftige Kämpfe gemeldet, die sich nach dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen am 17. März noch verstärkten[86]. Am 10. März zum Beispiel sprach die KDOM von Angriffen serbischer Kräfte auf albanische Dörfer in Vucitrn und Podujevo[87]. UNHCR und KDOM[88] meldeten beide Kämpfe in verschiedenen Regionen Kosovos. In Zeitungen und Berichten der KDOM wurde namentlich eine Offensive jugoslawischer Truppen in den Bergen an der Grenze zu Makedonien[89], Anschläge und Kämpfe in Podujevo und Kosovska Mitrovica[90], im südwestlichen Kosovo bei Klina[91], westlich von Vucitrn[92], nahe Kacanik[93], am 21. März wieder in Podujevo, Vucitrn und Glogovac[94] und am 22. März in der Region Drenica (nahe Srbica) erwähnt. Aus Srbica wurde berichtet, daß Soldaten an die Türen gekommen seien und allen befohlen, nach Albanien zu gehen[95].

Die Berichterstatter führten die Kämpfe aber weiterhin auf Vorgehen gegen die UCK[96] zurück. Die Gesamtzahl der Vertriebenen innerhalb des Kosovo betrug wieder mehr als 230.000, davon waren laut UNHCR-Zählung von Anfang März 30.000 seit den Rambouillet-Verhandlungen im Februar dazu gekommen[97]. Die Zahl wuchs Mitte März nochmals deutlich an, allein 23.000 Menschen wurden durch die Kämpfe bei Vucitrn vertrieben[98]. Die FR meinte, es scheine, `als wolle man nach Abzug der OSZE-Beobachter mit der UCK ein für alle mal aufräumen'[99].

Ein Faktor wurde in keiner der zugrundegelegten Quellen angesprochen: Nämlich ein Zusammenhang zwischen dem jugoslawischen Militäraufmarsch im Kosovo und der Interventionsdrohung der Nato. In Ermangelung von Quellen muß die Frage offenbleiben, ob und zu welchem Maße die jugoslawische Truppenkonzentration im Kosovo auch mit Verteidigungsvorbereitungen und nicht ausschließlich mit einer geplanten Offensive gegen die UCK oder einer geplanten Massenvertreibung der Kosovo-albanischen Bevölkerung in toto in Zusammenhang steht[100].

Am Abend des 24. Märzes fallen die ersten Bomben der Nato.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Flucht und Vertreibung Ende Februar 1998 begannen; zuerst mit Kämpfen in der Region Drenica. Die massive Gewalt[101] der serbischen (Militär- oder Sonder-)Polizei führte dazu, daß sich viele der UCK anschlossen. Ab April gewann die UCK effektive Kontrolle über den größten Teil der Drenica-Region; Polizeipräsenz beschränkte sich auf Städte und Hauptstraßen. Im Mai kam es mit der Begründung, Waffennachschub zu unterbinden, zu einem Angriff der Jugoslawischen Armee und Polizei im westlichen Grenzgebiet. Dabei waren ZivilistInnen wie UCK-Kämpfer Ziel der Angriffe; die Region wurde praktisch menschenleer gemacht[102]. Die im Juli 1998 begonnenen Militäroffensive, die in mehreren Regionen gleichzeitig begann, brachte die UCK schwer in Bedrängnis. Praktisch alle ihre Stützpunkte fielen, und einige Dörfer forderten die UCK sogar auf, zu gehen oder übergaben ihre Waffen an die Polizei[103]. Sie kehrte deshalb zu einer Guerilla-Taktik mit Anschlägen und Geiselnahmen zurück[104].

Nach dem Abschluß des Abkommens mit der OSZE zogen sich das Serbische Militär und Polizei zurück; woraufhin die UCK ihrerseits wieder Präsenz zeigte[105]. Die Winterpause nutzte sie, um ihre Truppen zu trainieren und zu bewaffnen. Alle Beobachter rechneten spätestens im Frühjahr mit einer neuerlichen Offensive der Kosovaren. Dies mag auch eine Erklärung dafür sein, warum Belgrad seit Dezember 1998 wieder massiver gegen die Stützpunkte der UCK vorging[106].

Spätestens als sich das Scheitern der Rambouillet-Verhandlungen (in Rambouillet II) abzeichnete, wurde in vielen Gegenden des Kosovo gleichzeitig gekämpft, was so in 1998 nicht zu beobachten gewesen war. Seit Dezember/Januar flohen 80.000 bis 90.000 Menschen oder wurden vertrieben.

Es wurde im letzten Jahr von vielen Beobachtern die Sorge geäußert, daß es Belgrad um mehr als nur die "Bekämpfung von Terroristen" ginge, nämlich um Vertreibung und ethnische Säuberung[107]. Das Vorgehen des jugoslawischen Militärs, das nach dem Beschuß und Besetzung von Dörfern, wobei die noch nicht geflohenen Einwohner vertrieben werden, in vielen Fällen die Häuser in Brand setzt, legte dies auf den ersten Blick nahe. Denn es ist das gleiche Vorgehen, wie es auch bei den "ethnischen Säuberungen" in Bosnien angewandt wurde. Aber: Die Kampfhandlungen beschränkten sich, soweit den Quellen entnommen werden kann, auf die Gebiete und Regionen, wo die UCK operierte. Und dies sind nicht die Regionen, die bei Teilungsplänen Serbien zufallen würden. Dazu kommt, daß die systematische Zerstörung von Häusern und Lebensgrundlagen auch in anderen Kriegen gegen Befreiungsarmeen zu beobachten ist. In Kurdistan gibt es mindestens 3.428 Siedlungen, die von ihren Bewohnern geräumt werden mußten, z.T. weil sie vom türkischen Militär zerstört wurden[108]. Israel reagiert auf Anschläge palästinensischer Gruppen regelmäßig mit der Zerstörung der Häuser der Täter; sog. "illegale" Siedlungen werden von Bulldozern niedergewalzt.

Das heißt: Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im letzten Jahr handelte es sich um Kämpfe zwischen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK und den serbischen / jugoslawischen Polizei- und Truppenverbänden. Das Ziel Belgrads war nicht eine "ethnische Säuberung" des Kosovo, sondern ein unter massivster Gewalt und Brutalität gegen die Zivilbevölkerung geführter Versuch, die UCK auszulöschen.

Der Truppenaufmarsch der jugoslawischen Armee und die eskalierenden, immer weitere Regionen in Mitleidenschaft ziehenden Kämpfe von Januar bis März 1999 standen ebenfalls in diesem Paradigma der Bekämpfung der UCK, ließen aber eine Zuspitzung des Konfliktes für die nächsten Monate befürchten. Inwieweit die Truppenstationierungen auch eine Vorbereitung auf einen erwarteten Nato-Angriff darstellten, kann nicht definitiv behauptet werden, wenngleich es naheliegt.

Die Frage des "was wäre gewesen, wenn?" ist natürlich stets von äußerst spekulativem Charakte. Dennoch soll und muß darauf hingewiesen werden, daß die Entwicklungen zwischen Februar und Mitte März 1999 auf eine weitere Eskalation des Krieges auch ohne Eingreifen der Nato in diesem Jahr hinwiesen. Ob es der OSZE-Mission gelungen wäre, diese Eskalation zu verhindern, kann ohne eine gründliche Evaluation ihrer Arbeit nicht beantwortet werden. Deshalb kann ausgeschlossen werden, daß es auch ohne den Angriff der Nato heute Krieg und Vertreibung in dem Ausmaß geben würde, wie er jetzt herrscht.

Die von GegnerInnen der Nato-Angriffe angestellte Vermutung, daß es ohne den Angriff der Nato heute weniger Vertriebene und Flüchtlinge im Kosovo gäbe, läßt sich daher nicht erhärten.


5. Ziele der jugoslawischen Militäroperationen nach dem Nato-Angriff

Die Medienberichterstattung während des Krieges erweckte den Eindruck, daß das jugoslawische Militär in ganz Kosovo zu operierte und sich nicht auf bestimmte Regionen beschränkte[109]. Dabei behauptete Belgrad weiterhin, `nur" gegen die UCK vorzugehen. Da aufgrund des Abzuges von OSZE und KDOM keine unabhängigen Beobachter mehr in der Region verblieben sind, gibt es keine öffentlich zugänglichen Daten darüber, was sich nach dem 24. März im Kosovo abspielte. Dennoch muß von einer "neuen Qualität" der Kriegsereignisse gesprochen werden; unabhängig davon, wie viele Menschen gezielt vertrieben und wie viele aus Furcht vor den serbischen Sicherheitskräften oder den Bombenangriffen der Nato flohen. Sowohl die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen und das, was sie vor dem Grenzübertritt erlebten, ist deutlich anders als die Geschehnisse von 1998.

Wenige Tage nach dem Angriff der Nato erreichten Zehntausende von Flüchtlingen Makedonien, Albanien und auch Montenegro. Schon am 30. März nannte die Nato die Zahl von 50.000 neuen Flüchtlingen[110]; die OSZE sprach von 60.000 Menschen, die in den letzten eineinhalb Tagen allein nach Albanien gekommen seien[111]. In den Zeitungen waren dutzendfach immer wieder dieselben Geschichten zu lesen: Die Flüchtlinge wurden von "Serben" (Soldaten, Paramilitärs, Polizei oder wer auch immer im Einzelfall) aufgefordert, das Land zu verlassen. Vertreibungen wurden u.a. auch aus den Städten Pec und Prizren gemeldet[112] und aus Regionen, wo es vorher weder zu Kämpfen noch zu anderen UCK-Aktivitäten gekommen war[113]. Dabei kam es dem UNHCR zufolge auch zu immer mehr Morden an Flüchtlingen; es wurde geschätzt, daß mehrere hundert Männer verschwunden sind[114]. Dazu kommt als weiteres neues Phänomen, das bis dahin nicht zu beobachten war, daß die Fliehenden vor der Grenze ihre Personalpapiere abgeben müssen, die vor ihren Augen zerstört wurden[115].

Die totalen Zahlen von Flüchtlingen und Vertriebenen werden vom UNCHR[116] (Stichtag: 5. Mai) wie folgt angegeben: Vertriebene im Kosovo: keine verläßlichen Zahlen; aber "Zehntausende"[117], 211.000 in Makedonien, 404.000 in Albanien, 62.000 in Montenegro, 17.000 vom Kosovo und 20.000 vom Sandjak in Bosnien-Herzegowina. 60.000 sind nach unbestätigten Schätzungen in andere Teile Serbiens geflohen. Seitdem sind diese Zahlen weiter gestiegen auf eine Gesamtzahl von 742.800[118].

Gleichzeitig wurde immer wieder berichtet, daß jugoslawische Truppen Vertriebene am Verlassen des Landes hindern, was von den Medien in der Regel als das Bestreben ausgelegt wurde, "menschliche Schutzschilde" in der Region zu behalten[119].

Angesichts der spärlichen Nachrichten über den Krieg kann das folgende nur Spekulation sein. Aber es ist schwer vorstellbar, daß die jugoslawische Führung ernsthaft annahm, sie könne eine totale Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo durchführen und den Kosovo als rein serbische Region nachhaltig etablieren. Es ist auch nicht bekannt, inwieweit die Vertreibungen tatsächlich auf Anordnung Belgrads erfolgten und inwieweit sie auf "Eigeninitiative" extremistischer, paramilitärischer Banden zurückgehen. (Deren Operationen allerdings gewiß nur unter Duldung der jugoslawischen Führung denkbar sind.) Es liegt schon eher nahe, daß man sich eine Kriegslage wünschte, bei der die Zuschlagung nur eines Teiles des Kosovo zu Serbien und die Rückkehr der Flüchtenden in den Rest des Kosovo als Zugeständnis oder Kompromiß präsentierte.

Das heißt: Es ist nicht mit letzter Sicherheit auszumachen, welche militärischen und politischen Ziele Belgrad während des Krieges im Kosovo verfolgte. Es scheint wahrscheinlicher, daß man sich im Endergebnis eine Teilung des Kosovos als "Kompromiß" erhoffte, als daß man glaubte, alle Albaner aus dem Kosovo langfristig vertreiben zu können.


6. Die Nato: Feuerwehr oder Brandstifter?

Durch den Nato-Angriff hat der Krieg eine `neue Qualität' bekommen, die nicht nur im Auftauchen einer weiteren Kriegspartei - nichts anderes ist die Nato - besteht, die den Krieg vom Kosovo nach ganz Jugoslawien getragen hat. Denn was immer bei einem Verzicht auf den Angriff passiert wäre, der Angriff führte zu Flucht und Vertreibung in einem bislang nicht gekannten Ausmaß, was die absoluten Zahlen der Vertriebenen, die geographische Reichweite ihrer Herkunft, das Fluchtziel (außerhalb Jugoslawiens während zuvor die meisten Vertriebenen im Lande blieben) und Umstände der Vertreibung (Abnahme von Personalpapieren) angeht. Wenngleich sich nicht schlüssig behaupten läßt, daß es ohne Eingreifen der Nato nicht auch zu Vertreibungen und Flucht im gegenwärtigen Ausmaß gekommen wäre, so kann umgekehrt aber argumentiert werden, daß durch ein Nicht-Eingreifen der Nato es kaum zu einer größeren Katastrophe[120] hätte kommen können, als sie dann tatsächlich eingetreten ist.

Mit dem Fortdauern der Angriffe wurde schnell deutlich, daß die Luftangriffe die jugoslawische Armee nicht stoppen und die Vertreibungen nicht verhindern konnten. In beinahe hilflos anmutender Form erklärte die Nato alle paar Tage, daß man den Druck auf Jugoslawien weiter erhöhen wolle[121], was immer mehr Angriffe und eine Ausweitung der Ziele bedeutete.

Die Nato behauptet, als Feuerwehr angetreten zu sein. Doch tatsächlich hat sie den Brand gelegt, den zu bekämpfen sie angeblich angetreten ist. Daß es vielleicht auch ohne ihren Angriff das schon schwelende Feuer voll ausgebrochen wäre, enthebt sie nicht dieser Verantwortung.


Fußnoten

[1] Siehe z.B. den Aufruf "Stoppt den Krieg ! Helfen statt Bomben! zur Großdemonstration am 8. Mai 1999 in Berlin und zahlreiche weitere Aufrufe und Erklärungen von Friedensorganisationen (Versöhnungsbund, Bund für Soziale Verteidigung, DFG-VK, War Resisters' International usw.).

[2] So u.a. in dem Papier "Eckpunkte für einen Antrag des Bundesvorstandes" zur 2. Außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90-Die Grünen am 13. Mai 1999 und der mehrheitlich gefällte Beschluß derselben BDK "Frieden und Menschenrechte vereinbaren!".

[3] Dieses Argument ist mir in Diskussionen, besonders mit Friedens- und MenschenrechtsaktivistInnen aus Kroatien und Slowenien, mehrfach begegnet.

[4] Das trifft leider nur für wenige der unzähligen Publikationen zu, die in den Wochen seit Beginn der Nato-Angriffe veröffentlicht wurden.

[5] Press Statement No 040 1999 by Dr. Javier Solana, Secretary General of NATO, 23 March 1999:

"We are taking action following the Federal Republic of Yugoslavia Government's refusal of the International Community demands:

* Acceptance of the interim political settlement which has been negotiated at Rambouillet;

* Full observance of limits on the Serb Army and Special Police Forces agreed on 25 October;

* Ending of escessive and disproportionate use of force in Kosovo."

[6] Press Statement No 041 1999 by Dr. Javier Solana, Secretary General of NATO, 24 March 1999:

"We must stop the violence and bring an end to the humanitarian catastrophe now taking place in Kosovo.";

Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Lage im Kosovo nach dem Eingreifen der NATO und zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates in Berlin. Abgegeben vom Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Deutschen Bundestag (am 26.3.99.

[7] NATO-Gipfelerklärung zum Kosovo, 23. April 1999, genauso in Press Relaease 058 (1999) vom 12. April 1999: "Präsident Milosevic muß:

- eine verifizierbare Beendigung aller Militäraktionen und das sofortige Ende von Gewalt und Unterdrückung im Kosovo sicherstellen;

- seine militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo abziehen;

- der Stationierung einer internationalen Militärpräsenz im Kosovo zustimmen;

- der vorbehaltlosen und sicheren Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen sowie dem ungehinderten Zugang humanitärer Hilfsorganisationen zu diesen Menschen zustimmen; und

- die glaubhafte Garantie für seine Bereitschaft bieten, auf eine politische Rahmenvereinbarung auf der Grundlage der Vereinbarungen von Rambouillet hinzuarbeiten."

[8] Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr 13/S. 137, Bonn, den 30. März 1999. Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Lage im Kosovo nach dem Eingreifen der NATO und zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates in Berlin, Abgegeben von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Deutschen Bundestag. (31. Sitzung des Bundestages am 26.März 1999).

[9] "Eckpunkte für einen Antrag des Bundesvorstandes" zur 2. Außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90-Die Grünen am 13. Mai 1999.

Ähnlich Ludger Volmer in seinem Papier "Krieg in Jugoslawien - Hintergründe einer grünen Entscheidung", das vom 26. März 99 datiert ist: Seit Beginn des Jahres 1998 habe sich der Konflikt im Kosovo dramatisch zugespitzt. Als im Herbst befürchtet werden mußte, daß die jugoslawische Führung ähnlich den ethnischen Säuberungen in Bosnien-Herzegowina eine Politik der Vertreibung und Ausrottung der albanisch-kosovarischen Bevölkerung plante und wegen des kommenden Wintereinbruchs eine ungeheure Katastrohe bevorstand, sah die internationale Staatengemeinschaft sich zum Eingreifen gezwungen.' Den Winter über habe vor allem UCK gegen den Waffenstillstand mit dem Ziel verstoßen, Fernsehbilder zu provozieren, die die Nato zum Eingreifen verleiten sollte. Die Rechnung sei nicht aufgegangen, aber dann kam das Massaker von Racak. "Das Hinschlachten von Zivilisten durch die Serben erforderte eine deutliche Reaktion des Westens. Alle Analysen deckten sich in dem Befund, daß ohne Reaktion die Serben glauben würden, sie hätten nun freie Bahn für ihre Vertreibungs- und Vernichtungspolitik."

[10] Als Anmerkung am Rande soll festgehalten werden, daß es dieses Massaker in Malisevo wahrscheinlich gar nicht gegeben hat. Siehe Dejan Anastasijevic, "Shallow Graves", in: Transitions Vol 5, No 10, S. 42-43.

[11] Das Auswärtige Amt informiert, Mitteilungen für die Presse Nr. 1023/99, Die serbische Strategie der "ethnischen Säuberungen" (Bosnien-Herzegowina und Kosovo), Hrg. vom Pressereferat des Auswärtigen Amtes, Bonn, 31. März 1999.

[12] Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt. Zugleeitet mit Schreiben des Bundeskanzlers vom 12. Oktober 1998.

[13] August Pradetto, Konfliktmanagement durch militärische Intervention? Dilemmata westlicher Kosovo-Politik. Studien zur Internationalen Politik. Herausgegeben vom Institut für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr Hamburg, Hamburg Heft 1 (1998).

[14] Die jüngere Geschichte des Kosovo kann u.a. nachgelesen werden in folgenden Publikationen:

* Alberto l'Abate, Prevenire la guerra nel Kossovo per evitare la destabilizzazione dei balcani, 1 Quaderni delle DPN No 33, Edizioni la Meridiana, Molfetta 1997;

* Howard Clark, Der gewaltfreie Widerstand im Kosovo, in: Gewaltfreie Aktion 116/117, 3-4 1998, S. 4-24;

* Hans-Georg Ehrhart / Matthias Z. Karádi, Brennt der Balkan? Plädoyer für eine komplexe Präventionspolitik im Kosovo-Konflikt, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik Ausgabe 2/1998, Hamburg, März 1998;

* Christine von Kohl, Wolfgang Libal, Kosovo: gordischer Knoten des Balkan, Europaverlag Wien/Zürich 1992;

* Thomas Schmid (Hg), Krieg im Kosovo, rororo aktuell, Reinbek b. Hamburg, April 1999;

* Stefan Troebst, Conflict in Kosovo: Failure of Prevention? An Analytical Documentation, 1992-1998, ECMI Working Paper No 1, Flensburg, 1998.

[15] Auch letztere beide Optionen würden de facto Umsiedlungen zur Folge haben, weil vermutlich die meisten Angehörigen der ursprünglich knapp 10% der Bevölkerung ausmachenden serbischen Minderheit im Kosovo das Land verlassen würden, sollte es von Jugoslawien abgetrennt werden.

[16] Alberto l'Abate 1997 a.a.O.

[17] Der Plan wurde vorher schon 1920 bei den Versailler Verhandlungen und dann wieder zum Kriegsende 1945 diskutiert. Siehe Pradetto 1998 a.a.O.

[18] Folgende Darstellung basiert vor allem auf: Branislav Olujic, Kosovo/a: Blueprints for Division, in: WarReport No 26, May 1994, S. 12-13.

[19] Nasa Borba vom 10.6.1996: Nach: The International Crisis Group, Kosovo Spring, ICG Kosovo, March 24, 1998.

[20] "If violence escalates, the Serbians' drastic political claims would be put into force. I think Milosevic still contemplates dividing Kosovo, which would bring about ethnic cleansing or 'resettlement of the population', as they call it. Between 700,000 and 1 million people would have to be moved from the north-east toward the south-west." Veton Surroi, Disrupting the Balance of Fear, in: Transitions Vol 5, No 4, April 1998, S. 5.

[21] Stefan Troebst a.a.O. 1998, S. 14.

[22] Siehe die Berichte der einschlägigen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Helsinki Committee und der kosovarer Council for the Defense of Human Rights and Freedoms (CDHRF).

[23] Siehe u.a. Clark 1999 a.a.O

[24] Die UCK behauptet, schon seit 1991 zu bestehen. Doch es ist letztlich unklar, ob diese Behauptung den Tatsachen entspricht. Siehe vor allem: Stephan Lipsius, Untergrundorganisationen im Kosovo. Ein Überblick, in: Südosteuropa 47. Jg, 1-2/1998, S. 75-82.

[25] Jane's Intelligence Review, February 1998 und March 1998, "Another Balkan's Bloodbath?, Part 1 Seite 13-16 in Feburar 98 und Part 2 Seite 9-11 in March 1998.

[26] Balkan Peace Team, Political Update BPT FRY No 6, "Kosov@ Liberation Army (KLA) in action", 23.1.1998; Taz vom 2.3.98; Matthias Rüb, "Phönix aus der Asche", S. 54, in: Thomas Schmid (Hg) 1999 a.a.O, S. 47-62.

[27] Es werden in diesem Aufsatz i.d.R. die serbischen Ortsnamen verwendet, da sie die international bekannteren sind. Zudem gibt es nur wenige Orte, die wirklich unterschiedliche Namen tragen (Srbica-Skenderaj ist einer von ihnen); die meisten weichen allein in der Schreibweise voneinander ab (z.B. auch serbisch Kosovo-albanisch Kosova).

[28] Die einzigen mir vorliegenden Zahlen über Angriffe der UCK stammen vom Pressedienst der jugoslawischen Botschaft. Der Yugoslav Daily Survey vom 5.3.98 nennt die Zahl von 55 Anschlägen in 1997, davon 31 gegen "Mitglieder und Einrichtungen des Innenministeriums" (d.h.Polizei). 1998 habe es 63 Anschläge von Januar bis Anfang März gegeben.

[29] Balkan Peace Team, Political Update BPT FRY No 5, 15.-30.11.1997.

[30] Frankfurter Rundschau (FR) 2.3.98, "Tote bei Kämpfen im Kosovo, S. 2; Taz 2.3.98, "Sieben Tote bei Schießerei im Kosovo", S. 10; Kölner Stadtanzeiger (KSTA) 2.3.98, "Die Lunte im Kosovo ist schon längst gelegt", S. 7.

[31] Hamburger Abendblatt 6.3.98: "Das Kosovo brennt", S. 2; KSTA: "Elf Kosovo-Dörfer angegriffen", S. 1. Am 7./8.3. weiß das Hamburger Abendblatt schon zu berichten: "Die USA drohen mit schwersten Konsequenzen" (S.4).

[32] Die FAO spricht von 10.000 Menschen (KSTA 19.3.98, "Serbische Polizei erschießt im Kosovo Demonstranten", S. 9). Die abweichenden Zahlen sind typisch für die Berichterstattung bis heute. Da zumeist nicht angegeben wird, wie die jeweiligen Zahlen berechnet wurden (eine Registrierung von Binnenflüchtlingen gibt es i.d.R. nicht), können sie nur als ungefähre Indizien für die Situation gewertet werden.

[33] Balkan Peace Team-Belgrade Special Report "Kosov@ after Drenica", o.D. (1998). Dort werden Zahlen des CDHRF und des Begrader Humanitarian Law Center (HCL) zitiert.

[34] Balkan Peace Team Half Year Report, June 1998-November 1998

[35] "I will not condemn the tactics of the Kosovo Liberation Army because the path of nonviolence has gotten us nowhere...The Kosovo Liberation Army is fighting for our freedom." Adem Demaci, aus: International Herald Tribune 14.-15. März 1998, zitiert nach Richard Caplan, International diplomacy and the crisis in Kosovo, in: International Affairs, October 1998, S. 745-761, S. 752.

[36] Balkan Peace Team: Kosov@ Status Report of March 30 and 31, 1998.

[37] KSTA 28.4.98, "EU drängt: Blutvergießen im Kosovo beenden", S. 6.

[38] Balkan Peace Team: Kosov@/Belgrade Update, 13.-16. April 1998. Dem Priester Vater Sava zufolge hielten sich 40 Familien in einem Camp beim Kloster Decani auf und 20 Familien seien nach Decani und Pec gegangen. Nur 4-5 seien vor Ort verblieben.

[39] KSTA 27.5.98, "Über 20 Tote bei Gefechten im Kosovo, S. 8; KSTA 3.6.98, "Tausende von Zivilisten fliehen", S. 6. In letzterem Artikel wird UNHCR-Sprecher Kris Kanowski zitiert, der von 15.000 Menschen spricht, die vor den Kämpfen vermutlich in die Berge geflohen seien.

[40] KSTA 5.6.98, "Wir rannten um unser Leben", S. 6.

[41] Diese Darstellung bleibt konsistent und kann z.B. in den fast täglich erschienenen "Yugoslav Daily Survey" nachgelesen werden, wo regelmäßig lange Listen "terroristischer Anschläge" veröffentlicht wurden.

[42] KSTA 10.6.98, "Clinton: Nato soll zügig Einsatz im Kosovo planen", S. 7.

[43] Yugoslav Daily Survey vom 12.6.98, wo diese Zahl bestritten wird.

[44] KSTA 15.6.98, "Drohgebärden der Nato sollen Serben zum Frieden im Kosovo zwingen", S. 5

[45] Balkan Peace Team, Kosov@ Situation Report 22 June 1998. Der kosovo-albanischen Zeitung Bujko zufolge sei die UCK in Kontrolle von "großen Teilen" Drenicas, Dikadijn, Pastrik und Gebieten bei Djakovica, Rudnik und Orahovac. Auch operiere sie im Gebiet Prishtina-Obilic-Podujevo.

[46] KSTA 25.6.98, "Nato lehnt Unabhängigkeit des Kosovo ab", S. 6.

[47] International Herald Tribune 27./28.6.98, "Holbrooke Fails in Kosovo Talks, Attack Expected", S. 1.

[48] Neue Zürcher Zeitung 27.6.98, "Pendeldiplomatie Holbrookes in Jugoslawien" (Quelle: Internet).

[49] KSTA 30.6.98, "Neue Kämpfe im Kosovo verschärfen die Situation", S. 1; Int.'l Herald Tribune, 30.6., "Serb Troops Attack Kosovo Positions", S. 1 f).

[50] KSTA 2.7.98, "Flüchtlingswelle nach serbischer Offensive", S. 1.

[51] KSTA 7.7.98, "Diplomaten starten Beobachtungsreisen durch den Kosovo", S. 6.

[52] Int'l Herald Tribune 21.7.98, "In Face of Fear and Lawlessness, a City in Kosovo Shuts Down", S. 5.

[53] KSTA vom 14.7.98, "EU sucht Lösung für Kosovo über die Autonomie", S. 6.

[54] KSTA 30.7.98, "Nach Fall der UCK-Hochburg Zehntausende auf der Flucht", S. 7.

[55] KSTA 27.7.1998, "Serben melden große Erfolge gegen die UCK", S. 8 und KSTA 4.8.98, "Durchhalteparolen beim Kaffeeklatsch der UCK", S. 7.

[56] Balkan Peace Team, Kosov@ Situation Report 8. August 1998. Die Zahlen über Tote und Vermißte stammen vom CDHRF bzw. ICRC.

[57] Denisa Kostovic and Zoran Cirjakovic, On the Precipice. Kosovo's Serbs imagine the future, S. 65-69 in: Transitions Vol 5, No 8, August 1998.

[58] FR 20.8.98, "Serben gehen weiter gegen Albaner vor", S. 7.

[59] FR 27.8.98, "EU berät über JAT-Embargo", S. 5.

[60] KSTA 21.8.98, "Militäreinsatz im Kosovo ist für den Westen derzeit nicht aktuell", S. 2.

[61] Balkan Peace Team, Kosovo Situation Report, 21. August 1998

[62] Balkan Peace Team Situation Report September 1998 und BPT Situation Report 13 September 1998. Laut DANAS, die den Leiter der staatlichen Organe in Kosovo zitiert (Milosavljevic), wurden über 800 Albaner getötet. Es gebe 150.000 Vertriebene (vorher 200.000, aber 60-70.000 seien zurückgekehrt und 20-30.000 neue hinzugekommen.)

[63] FR 17.9.99, "Nato: Zeit für Lösung im Kosovo wird knapp", S. 1; FR 25.9.98, "Nato bereitet Luftangriffe vor", S. 1; FR 28.9.98, "Rühe und Solana über Dringlichkeit eines Kosovo-Ultimatums uneinig; S. 1; FR 8.10.98, "Nato streitet über Grundlagen für Kosovo-Einsatz", S. 1.

[64] FR 1.10.98, "Ogata wirft Milosevic 'terroristische Offensive' im Kosovo vor", S. 1.

[65] "Agreement on the OSCE Kosovo Verification Mission", 16.10.1998.

[66] FR 11.11.98, "NATO reduziert Luftwaffe in der Region um Kosovo", S. 2. Dort wird Adem Demaci zitiert, der der serbischen Polizei vorwirft, die Zwischenfälle zu provozieren.

[67] SZ 19.10.98, "USA besorgt über Gewalttaten im Kosovo", S.1.

[68] Balkan Peace Team Half Year Report, June 1998-November 1998 a.a.O; FR 5.11.98, "Schnell sollen die Beobachter in Kosovo Flagge zeigen", S. 5.

[69] FR 22.12.98, "Albaner berichten von serbischen Angriffen", S. 2.

[70] OSZE Kosovo Verification Mission (KVM), "Tense Christmas in Kosovo", Bericht ohne Datum (Quelle: Internet).

[71] Hamburger Abendblatt 9./10.1.99, "Sorge um die Wächter des Friedens", S. 2.

[72] FR 11.1.99, "Explosive Antwort auf den Angriff der UCK-Kämpfer", S. 1.

[73] FR 16.1.99, "OSZE-Beobachter angeschossen", S. 1 und Hgb Abendblatt 22.1.99, "Jetzt erfrieren die Kinder", S. 1, wo gemeldet wird, daß nach Kämpfen in Racak Hunderte von Familien in die Berge geflohen sein sollen.

[74] FR 18.1.99, "Serben greifen Racak nach Massaker erneut an", S. 1.

[75] Zum Beispiel Staatsminister Ludger Volmer: "Das Hinschlachten von Zivilisten durch die Serben erforderte eine deutliche Reaktion des Westens. Alle Analysen deckten sich in dem Befund, daß ohne Reaktion die Serben glauben würden, sie hätten nun freie Bahn für ihre Vertreibungs- und Vernichtungspolitik." (Ludger Volmer in einer Erklärung vom 26. März 1999, "Krieg in Jugoslawien - Hintergründe einer grünen Entscheidung". Manuskript).

[76] Schriftliche Mitteilung von Thomas Schmid an die Verfasserin vom 28. Mai 1999.

[77] Matthias Rüb 1999 a.a.O., S. 60.

[78] FR 28.1.99, "Kosovo-Dörfer heftig umkämpft", S. 1; KDOM Update January 28, 1999 (Quelle: Internet).

[79] KDOM Update, February 1, 1999.

[80] KDOM Updates 1.2.-8.2.99 (Quelle: Internet).

[81] KDOM Update February 16, 1999; FR 22.2.99, "Beide Seiten in Kosovo pokern weiter", S. 1.

[82] UNHCR Country Updates - Former Yugoslavia: UN Inter-Agency Humanitarian Situation Report, 24 February 1999 - 4 March 1999; NZZ 2.3.99, "Serbische Angriffe auf Dörfer im Kosovo" (Quelle: Internet).

[83] KDOM, Kosovo-Update March 1, 1999.

[84] KDOM, Kosovo Update, March 3, 1999. Das UNHCR berichtete kurz zuvor auch von der Rückkehr von 4.000 Einwohnern von Studendace nahe Suva Reka. Ihnen stehen aber 63.000 neue Flüchtlinge und Vertriebene seit Mitte Dezember gegenüber, "due to clashes between Government security forces and the KLA, kidnappings, street violence and, more recently, military exercises by the Yugoslav army. In places where there is no violence, and especially where KVM has a continuing presence, returns have continued." Die Gesamtzahl der Vertriebenen im Kosovo wird Anfang März mit 211.000 beziffert.

[85] Die Konferenz wird am 23. Februar unterbrochen und am 15. März wieder aufgenommen.

[86] KDOM Kosovo Update, March 17, 1999.

[87] KDOM Kosovo Update, March 10, 1999. Siehe auch die Updates vom 3., 5. 8. und 12. März; FR 3.3.99, "Moskau stimmt Belgrad nicht um", S. 2.

[88] KDOM Kosovo Update, March 11, 1999 und UNCHR, Press Release: "Ogata says situation deteriorating in Kosovo, urges action to avert desaster", Geneva, 11 March 1999.

[89] NZZ 15.3.99, "Säuberung im Grenzgebiet Kosovos" (Quelle: Internet).

[90] FR 15.3.99, "EU gewährt letzte Frist für Kosovo-Friedensplan", S. 1.

[91] KDOM Kosovo Update, March 17, 1999.

[92] KDOM Kosovo Update, March 19, 1999.

[93] FR 20.3.99, "Eingreifen der NATO in Serbien rückt näher", S. 1.

[94] FR 22.3.99, "Serben starten neue Offensive in Kosovo", S. 1.

[95] FR 23.3.99, "Flammen vernichten die Häuser der Flüchtlinge", S. 1.

[96] KDOM 11.3.99 (a.a.O.): "(seit 26.2.) Serb VJ forces have conducted extensive sweep operations", attempting to find KLA units to the west of the Kacani-to-Djeneral Jankovic highway", ebenso die weiteren KDOM-Berichte bis zum 19. März (a.a.O.) und FR vom 17.3.99, "Serben schicken weitere Truppen", S. 1.

[97] UNCHR Press Release vom 11.3.99 (a.a.O.).

[98] KDOM Kosovo Update March 17, 1999. Im März heißt es, 90.000 Menschen seien nach Zahlen des UNHCR seit Dezember vertrieben worden, die meisten neu hinzugekommenen aus dem Norden des Kosovo.

[99] FR 22.3.99, "Die Männer mit den Mützen rücken vor", S. 3

[100] Auch die International Crisis Group, deren Analysen gewöhnlich auf sehr guter Faktenkenntnis beruhen, äußert sich sehr vage hierzu und zitiert nur die Vorkriegs-Rhetorik des Serbischen Stellvertretenden Premiers und Führers der Radikalen Partei Seselj. (ICG Balkans Report No 65, 11 May 1999.

[101] Siehe auch International Helsinki Federation for Human Rights, "Annual Report 1998, Federal Republic of Yugoslavia".

[102] Siehe auch Amnesty International Report - EUR 70/73/98, October 1998, Federal Republic of Yugoslavia. A Human Rights Crisis in Kosovo Province. The protection of Kosovo's displaced and refugees.

[103] Balkan Peace Team Half Year Report, June 1998-November 1998, a.a.O.

[104] Siehe auch Marie-Janine Calic, Vor dem Frieden im Kosovo?, SWP-Aktuell No 35, Februar 1999.

[105] FR 5.11.98, "Schnell sollen die Beobachter in Kosovo Flagge zeigen", S. 5.

[106] Calic 1999 a.a.O. Auf beiden Seiten standen sich je 25.000 Kämpfer gegenüber.

[107] So z.B. Tihomir Loza in Transitions Vol 5, No 5 vom Mai 1998, "Kosovo Albanians: Closing the Ranks", S. 16-37, wo er sagt, daß Milosevic versuchen könne, einen Krieg für die Teilung des Kosovo zu führen. Dies sei das beste, was er langfristig erwarten könne. Solange die Kosovo-Albaner nicht zu den Waffen griffen, fehlte Belgrad der Vorwand zu Eingreifen. "Today, Kosovo albanians are engaging. The Kosovo Liberation Army (UCK) is becoming that second side." (17) Ähnlich das International Helsinki Federation for Human Rights (Jahresbericht 1998, a.a.O.): "The IHF expressed its fear that the murders and terror by Serb police units were premeditated elements of a program of 'ethnic cleansing', aimed at forcing Albanians to accept a new political reality, and at creating a rump Kosovo free of albanians." Und der Council for the Defence of Human Rights and Freedoms in Prishtina ("Report on the violation of human rights and freedoms in Kosovo in the course of 1998") schreibt: "The mass destruction of the albanian settlements shows the aim of the Serbian regime to prevent the return of the displaced, which leads towards the ethnic cleansing of Kosova or whatever we calll it."

[108] Dialog-Kreis "Krieg in der Türkei" (Hrsg), "Parlamentarier der Türkei durchbrechen Tabu in der Kurdenfrage. Parlamentarische Kommission berichtet über systematische Vertreibung von Kurden udn fordert eine neue Politik", Juli 1998, S. 42 f.

[109] Eine am 5-6. Juni 1999 im International Herald Tribune veröffentliche Karte "Serbian troop operations in Kosovo, Main areas of acitivity June 2-4", S. 4 weist allerdings wieder die bekannten Regionen aus, die auch in den Berichten aus 1998 immer wieder auftauchen: Westlich von Podujevo, Südwestlich von Prizren, westlich und östlich von Djakovica und westlich von Srbica.

[110] Le Monde 30.3.99, "Des réfugiés racontent 'l'enfer du Kosovo'" S. 1.

[111] FR 30.3.99, "Zehntausende fliehen aus Kosovo", S. 1.

[112] Human Rights Watch, "Kosovo Human rights Flash # 9, March 30, 1999.

[113] US State Department, "Ethnic Cleansing in Kosovo", March 31, 1999.

[114] FR 6.5.99, "UNHCR will Lager aus Grenznähe verlegen", S. 2.

[115] FR 6.4.99, "Für den warmen Pullover reichte Serdije die Zeit nicht mehr", S. 5; FR 6.5.99, "Serben vertreiben Kosovaren systematisch", S. 5.

[116] Briefing by Mrs Sadako Ogata, United Nations High Commissioner for Refugees, to the Security Council, New York, 5 May 1999.

[117] Das Auswärtige Amt spricht von 260-400.000 Binnenvertriebenen, wozu auch Vertriebene in Montenegro und Serbien zählen. Quelle: Schreiben des Auswärtigen Amtes an den Bund für Soziale Verteidigung, 29.4.1999.

[118] Kosovo Crisis Update, 18 May 1999.

[119] Die jugoslawische Verteidigungsstrategie war schon unter Tito auf Krieg gegen einen technologisch überlegenen Gegner ausgelegt. Ihre Merkmale waren Dezentralisierung von Truppen, Versorgungslagern und dezentrale Verteidigung. Eine solche Verteidigungsstrategie kann nur funktionieren, wenn der Gegner Hemmungen hat, wegen der mitbetroffenen Zivilbevölkerung Flächenbombardements und ähnliches anzuwenden. Von daher wäre das, was jetzt als Schaffung "menschlicher Schutzschilde" Milosevic vorgeworfen wird, nicht seine Erfindung, sondern die Umsetzung der Verteidigung, wie sie in Jugoslawien seit 50 Jahren vorbereitet wurde. Siehe auch: Anton Bebler, Staat im Staate. Zur Rolle des Militärs, in: Josip Furkes / Kar-Heinz Schlarp (Hg.), Jugoslawien: Ein Staat zerfällt, rororo aktuell, Reinbek b. Hamburg August 1991, S. 106-133.

[120] Nicht Thema dieser Studie sind die Folgen des Nato-Angriffes auf Jugoslawien: die Zahl der getöteten jugoslawischen ZivilistInnen und Soldaten, die Zerstörung von Infrastruktur, Wirtschaftskraft und die Umweltschäden.

[121] Z.B.: FR 24.4.99, "Nato bleibt trotz Vermittlung hart", S. 1; FR 6.5.99, "Clinton droht mit noch schärferen Angriffen", S. 1; FR 20.5.99, "Schröder hält an bisheriger Nato-Doppelstrategie fest", S. 6.

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